03.03.2015 - Strafenkatalog

„Der DFB muss sich an die Vereine halten“


Im Interview mit STADIONWELT INSIDE spricht Dr. Rainer Koch, 1. Vize-Präsident des Deutschen Fußball-Bundes, über die Sicherheitslage in deutschen Stadien, den Ablauf eines Strafverfahrens sowie die Vereinbarung der DFB-Sportgerichtsbarkeit mit dem Strafgesetz.

Faszination Fankurve: Wie hat sich die Sicherheitslage in den letzten zehn Jahren in der Bundesliga verändert?
Koch: Die Proficlubs haben ihr Sicherheitsmanagement in Zusammenarbeit mit den Verbänden in den letzten zehn Jahren enorm professionalisiert. Die verpflichtende Einführung von Sicherheitsbeauftragten trägt den steigenden Anforderungen an die Verkehrssicherungspflicht Rechnung. Die umfangreichen Investitionen in sichere Stadioninfrastrukturen zur WM haben ebenfalls die Veranstaltungssicherheit weiter erhöht. Auch wenn die Fallzahlen der polizeilichen Statistik insgesamt gestiegen sind, korrespondiert dies mit einem enorm gewachsenen Zuschaueraufkommen und ist teilweise auf vermehrte Störungen außerhalb der Stadien zurückzuführen.

Faszination Fankurve: Wie verläuft der Ablauf eines Strafverfahrens gegen Vereine vom Vergehen hin bis zum Urteil?
Koch: Wenn Fans zum Beispiel Pyrotechnik abbrennen, wird dies vom Schiedsrichter oder sonstigen Beobachtern an den Verband gemeldet. Diese Meldungen werden, genau wie die Berichterstattung der Medien, vom DFB-Kontrollausschuss erfasst und ausgewertet. Besteht der Verdacht, dass es sich um ein sanktionswürdiges Vorkommnis handelt, gibt der Kontrollausschuss den Vereinen zunächst Gelegenheit zur Abgabe einer Stellungnahme. Soweit es sich nicht um einen besonders gravierenden Vorfall handelt, wird das Verfahren auch danach schriftlich fortgeführt. Wenn das Verfahren nicht eingestellt werden kann, wird dem Verein ein Strafantrag übermittelt. Hierin wird dargelegt, was ihm zur Last gelegt wird und welche Sanktion hierfür aus Sicht des Kontrollausschusses zu verhängen ist. Der Verein hat die Möglichkeit, diesem Strafantrag entweder zuzustimmen oder nicht zuzustimmen. Stimmt der Verein dem Strafantrag zu, ergeht ein antragsgemäßes Urteil des DFB Sportgerichtes. Stimmt der Verein dem Antrag nicht zu, werden die Unterlagen dem Einzelrichter des DFB-Sportgerichtes vorgelegt. Dieser trifft sodann sein Urteil, wobei die Sanktion im schriftlichen Verfahren nicht über den Antrag des Kontrollausschusses hinausgehen darf. In gravierenden Fällen kann vor dem schriftlichen Strafantrag auch eine Anhörung durch den DFB-Kontrollausschuss erfolgen oder das DFB-Sportgericht unmittelbar eine mündliche Verhandlung ansetzen.

Eine ausführliche Themenstrecke zur Sicherheit im Stadion finden Sie in der März-Ausgabe von "STADIONWELT INSIDE".

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Faszination Fankurve: Welche Faktoren fließen in das Strafmaß ein bzw. gibt es feste Strafrahmen
Koch: Einen Katalog, der bei einem bestimmten Vergehen immer eine bestimmte, feste Sanktion vorsieht, gibt es nicht. Die Sanktionierung ist vielmehr immer abhängig vom Einzelfall. Allerdings hat die sportgerichtliche Rechtsprechung zahlreiche Grundsätze entwickelt, wie bestimmte Faktoren zu werten sind. Wichtig sind beispielsweise die Spielklasse und die Vorbelastung eines Vereins, die Auswirkung eines Vorkommnisses auf die Sicherheit und den Spielverlauf und in zunehmendem Maße die Frage, ob die konkreten Täter ermittelt werden konnten.

Faszination Fankurve: Welche Rückmeldung haben Sie von den Bundesligavereinen nach der Einführung des 9-Punkte-Plans erhalten?
Koch: Was uns als Reaktionen erreicht hat, so wird das Konzept als positiv empfunden. Das liegt sicher in erster Linie daran, dass nicht die Bestrafung des Vereins im Vordergrund steht, sondern die täterorientierte Sanktionierung.

Faszination Fankurve: Ist die Handlung mit der gesetzlichen Strafgerichtsbarkeit zu vereinbaren und gibt es einen Lösungsansatz für das Problem, dass nicht die wahren Täter bestraft werden?
Koch: Der DFB übt keine besondere Form staatlicher Gerichtsbarkeit aus, in Folge dessen geht es auch nicht um Strafrecht, sondern um Zivilrecht. Die in Artikel 9 Absatz 1 des Grundgesetzes festgeschriebene Vereins- und Verbandsautonomie gibt dem DFB das Recht zur Sanktionierung von Verstößen gegen das Verbandsrecht. Der einzelne Zuschauer ist in der Regel kein Mitglied eines DFB-Mitgliedsvereins, er hat nur eine vertragliche schuldrechtliche Rechtsbeziehung zum Verkäufer des Tickets. Folglich kann der DFB ihn nicht direkt mit einer verbandsrechtlichen Sanktion belegen. Der DFB muss sich daher an seine Mitglieder, die Vereine halten. Der 9-Punkte Plan knüpft genau an dieser Konstellation an und zielt darauf ab, dass die Vereine über die Sanktionen der Sportgerichtsbarkeit zu aktiver Mitarbeit und effektiver Tataufklärung und Täterermittlung sowie zur Weitergabe von Sanktionen an die tatsächlichen, schuldhaft handelnden Täter veranlasst werden sollen. (Faszination Fankurve, 03.03.2015)

Weitere Hintergrundinformationen zum Thema DFB-Strafen gibt es hier.






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