24.04.2007 - Brasilien

Der Fanclub als kriminelle Vereinigung


Die Landesregierung des brasilianischen Bundesstaates Pernambuco hat im Februar dieses Jahres einen Spezialgerichtshof namens JETEP (Juizado Especial Cível e Criminal do Torcedor) eingerichtet. Er beschäftigt sich mit Fankriminalität.

Bereits bei seiner Amtseinführung kündigte der einberufene Richter an, dass er das Problem der Fangewalt zu lösen gedenke und drohte mit dem Verbot der organisierten Fanklubs, den sogenannten Torcidas. Am 13. April 2007 erließ er eine einstweilige Verfügung, die das Auftreten organisierter Fanclubs im Umkreis von fünf Kilometern bei Fußballspielen verbietet. Als Fanklub wird eine Gruppe von mehr als zehn Fans definiert, die „Kampflieder“ anstimmt und Unruhe provoziert. Dieser Akt wird als Bildung einer illegalen Organisation gewertet. Darauf steht nach brasilianischem Recht eine Freiheitsstrafe von einem bis drei Jahren.

Anlass waren gewaltsame Zusammenstöße beim Lokalderby zwischen Santa Cruz und Sport Club do Recife im Stadion Arruda. Mehrfach kam es zu Steinwürfen. Dabei wurde der 21-jährige Fan Veronaldo dos Santos am Kopf getroffen und schwer verletzt. Der Erlass wurde als Verbot der Fanclubs interpretiert, die daraufhin protestierten und bei einer Anhörung in Begleitung von Anwälten erschienen. Sie fühlten sich vorverurteilt, da sie als Organisation nicht gewalttätig seien und Gewalt auch nicht unterstützen würden. Die Schuld an den Ausschreitungen trügen einzelne Personen, die anhand von Fernsehaufzeichnungen identifizierbar seien. Im Übrigen würden die Fanclubs an den Sicherheitsgesprächen mit der Polizei teilnehmen und sich gewaltvorbeugend verhalten. Deshalb forderten sie die Aufhebung der Verfügung.

Ergebnis der Anhörung war, dass der Richter erklärte, sein Erlass sei falsch interpretiert worden. Es gehe nicht um ein Verbot der Fanclubs, vielmehr solle eine schärfere Bestrafung von Gewalttätern sichergestellt werden. Fanabzeichen, Fahnen und Percussionsinstrumente sind weiterhin in den Stadien Pernambucos erlaubt. Trotzdem wird den Fanklubs empfohlen, sich den Stadien nicht in Gruppen von mehr als zehn Personen zu nähern. Die Fanclubs begrüßten diese Erklärung.

Der Vorgang beschreibt typische Schwächen des brasilianischen Rechtssystems. Rechtsunsicherheiten bestehen weiterhin, denn es ist fast unmöglich zu vermeiden, dass sich auf den Anfahrtswegen zum Stadion größere Fangruppen bilden. Außerdem wurde vom Staat Pernambuco das Projekt „Der Fan als Bürger“ ins Leben gerufen. Es handelt sich um Kurse, in denen Themen wie Menschen- und Bürgerrechte behandelt werden,. Die Teilnahme steht allen Interessierten offen, verhaftete Fans sind dazu verpflichtet. Bis 50 Prozent der Fanclubmitglieder Recifes diesen Kurs besucht haben soll der richterliche Erlass zur schärferen Bestrafung von Fangewalt aufrechterhalten werden. Zudem müssen die Fanclubs einmal monatlich ihre Mitgliederkartei vorlegen. (Faszination Fankurve / Martin Curi, 24.4.2007)

Fanfotos Brasilien




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