01.09.2004 - FC Wacker Innsbruck

„Ein anderer Fußball ist möglich!“


Es gibt Ärger in der Fanszene des FC Wacker Tirol. Zahlreiche Mitglieder der „Verrückten Köpfe 91“ – der führenden Fangruppe des Vereins – denken um. Unzufrieden mit dem eigenen Verein und dessen Umfeld üben sie sich nicht nur in Protest, sondern resignieren vor den herrschenden Verhältnissen. Auf Choreografien und organisierte Stimmung wird zugunsten anderer Aktivitäten verzichtet. Thomas Gassler (29) erklärt die Hintergründe.

Faszination Fankurve: Warum verzichtet Ihr auf aktiven Support?

Gassler: Der große Aufreger ist der moderne Fußball an sich. Das äußert sich in verschiedenen Formen. Es gab in den letzten 20 Jahren unzählige Namens- und Wappenwechsel. Gerade unser Verein ist nur noch ein Spielball von Politik und Wirtschaft, und hinter allem steht die Marke Tirol. Wir sind nicht mehr Fans eines Vereins, sondern nur noch Werbeträger dieser Marke. Vom Menschlichen ist in dieser Stadt und in der Wacker-Familie nicht mehr viel über, seit es nur noch um die Tourismus-Werbung geht, und ich denke sogar über das Auswandern nach. Die ganze Situation bereitet mir Magengeschwüre.

Faszination Fankurve: Gibt es noch weitere Dinge, die Dich stören?

Gassler: Es gibt natürlich die totale Repression in den Stadien. Es gab u.a. 250 Euro Strafe für das Werfen einer Wurstsemmel oder angedrohte Stadionverbote für Leute, die gar nicht beim Spiel waren. Seit Jahren lehnen wir deshalb jeden Kontakt zu den szenekundigen Beamten ab und treten für eine neue Form der Fanbetreuung ein. Zudem ist im Stadion der Preis für einen Stehplatz um 40% auf 14 Euro gestiegen, das Stehplatzabo kostet 200 Euro. In der Stadionzeitung hat man längst die VK-Seite gestrichen. Ganz abgesehen von den Pöbeleien von Mitgliedern des Vorstandes gegen die Fans auf der außerordentlichen Generalversammlung.

Faszination Fankurve: Viele würde den Rückzug als Untreue gegenüber dem eigenen Verein auslegen…

Gassler: Irgendwann muss man seiner Linie auch mal treu bleiben. Ich streike deshalb nicht, ich verlange auch nichts mehr, ich habe resigniert, denn einen Wacker Innsbruck wird es nie mehr geben. Choreografien finden nicht mehr statt, weil das Land Tirol auch diese nur noch für seine Vermarktung nutzt. Es gab nur ein einzelnes Spruchband: „Wacker Innsbruck – Ein anderer Fußball ist möglich.“ Viele haben das nicht verstanden, aber sie haben es hinterfragt.

Faszination Fankurve: Wie investiert ihr nun das Engagement, das ihr sonst in die Unterstützung eures Vereins gesteckt habt?

Gassler: Im Moment engagieren wir uns sehr für das Projekt „BMSI – „Bündnis für mehr Sportplätze in Innsbruck“ und haben beispielsweise 400 Leute aktiviert, um unter dem Goldenen Dachl (Innsbrucks Touristenattraktion, d. Red) Fußball zu spielen. Dann werden wir uns weiterhin für die Initiative „Football Against Racism in Europe“ (FARE) einsetzen und demnächst eine Wacker-CD herausbringen, um mit dem Erlös eine Fußballschule in Burkina Faso, der Heimat unseres Spielers Ousseni Zongo, zu unterstützen. Der Verein wollte uns nicht mit im Boot haben und jetzt zeigen wir eben, dass man mit viel Liebe und wenig Geld mehr bewegen kann, als mit viel Geld und ohne Herz.

Fanfotos FC Wacker Innsbruck




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