24.04.2016 - Preußen Münster / 1. FC Magdeburg

​FCM-Fans kritisieren Polizeibericht


Die Fanhilfe Magdeburg hat eine Auswertung des Auswärtsspiels in Münster veröffentlicht und kritisiert darin den Pressebericht der Polizei Münster. Einen Sturm des Gästeblocks habe es demnach nie gegeben. Auch sei es nicht zu Auseinandersetzungen mit Heimfans gekommen.

Bei dem Spiel waren den Gästefans sämtliche Zaunfahnen und andere Fanutensilien verboten. Trotzdem gelangten Zaunfahnen in den Gästeblock. Auch im Heimbereich wurde das Zaunfahnenverbot umgangen. Im Heimbereich war die Fiffi-Gerritzen-Kurve wegen einer Pyroshow beim Heimspiel gegen Cottbus gesperrt. Die Gruppo Resistente zog deshalb ans andere Ende der Ostkurve. Die Deviants zündeten im Sektor M kurz vor Abpfiff grün-weißen Rauch und außerhalb des Preußen-Stadions wurde eine Feuerwerk abgefeuert.

Vor dem Spiel wurden zahlreiche Autos mit Gästefans von der Polizei kontrolliert. Pyrotechnik wurde dabei nicht gefunden, jedoch Gegenstände, die von der Polizei als Passivbewaffnung eingestuft wurden. (Faszination Fankurve, 24.04.2016)


Faszination Fankurve dokumentiert die Auswertung der Fanhilfe Magdeburg:

Auswertung SC Preußen Münster – 1. FC Magdeburg

„Ist das noch Fußball oder kann das weg?“, fragte am vergangenen Wochenende ein FCM-naher Blog zum Dynamo-Dresden-Spiel und erfuhr mit dem dazugehörigen Artikel so viel Aufmerksamkeit, dass man es gar bis zu einer Veröffentlichung beim mdr brachte. Diese natürlich rein rhetorisch gemeinte Frage könnten wir an dieser Stelle bezüglich des Spiels des 1. FCM in Münster gleich in doppelter, leicht abgewandelter Form erneut stellen, nämlich: „Ist das noch Polizeitaktik oder kann das weg?“ sowie „Ist das noch Pressearbeit oder kann das weg?“

Es gäbe am Rande einige Dinge, die es wert wären intensiver aufgearbeitet zu werden. Aber allein die Schlagzahl an Kuriositäten, Meldungen, Berichten, zweifelhaften Maßnahmen oder ebenso zweifelhaften Presseberichten, die die Magdeburger Fanszene spätestens seit dem Bekanntwerden eines kompletten Materialverbotes für das Münsterspiel am Donnerstagabend erreichten, verhindern eine lückenlose und umfassende Aufarbeitung aller Dinge. So müssen wir an dieser Stelle bezüglich der Auswertung die Relevanz von Ereignissen gewichten und uns auf die dringlichsten Dinge konzentrieren. Wir werden deshalb an dieser Stelle nicht darüber debattieren, welchen Sinn ein Materialverbot haben soll und ob eine solche Maßnahme tatsächlich deeskalierend wirkt, also die Situation vor Ort entspannend beeinflusst. Wir werden ebenso wenig thematisieren können, warum unser 1. FCM zwar in löblicher Weise dieses Materialverbotes öffentlich kritisiert, jedoch nicht dazu in der Lage ist zur entscheidenden Sicherheitsberatung in Münster seinen Sicherheits- und/oder Fanbeauftragten zu entsenden. Wir werden noch nicht einmal darüber reden, mit welch eiskalter Logik lokale Sicherheitsbeauftragte, die örtliche Polizei und Magdeburger sogenannte szenekundige Beamte die Verantwortung für diese Entscheidung auf die jeweils Anderen schieben um so eine Eigenverantwortung von sich weisen zu können. Schuld sind nach dieser Logik stets eben diese Anderen, als intervenierender Verein oder Fan steht man solch Geschacher in der Regel machtlos gegenüber. Worüber aber zu reden sein wird, ist a) eine in weiten Teilen zumindest in Bezug auf die Gästefans schlichtweg gelogene Pressemittelung der Münsteraner Polizei und b) die abermals kritik- und anstandslose Übernahme dieser durch verschiedene Presseorgane. Dies jedoch nicht weil wir diese Pressemitteilung für wichtiger halten als die Geschehnisse vor Ort, sondern vielmehr weil die Darstellung dieser Geschehnisse einer Aufarbeitung bedarf, die verdeutlicht, wie sehr insbesondere die Polizei in Münster und mit ihr der gastgebende Verein ein strukturelles Problem im Umgang mit Fußballanhängern haben. Aus diesem Grund werden wir abschließend weiterhin kurz thematisieren, was aus unserer Sicht zu tun wäre, um solche Szenen zukünftig vermeiden zu helfen.

Da wir uns im Folgenden auf die Meldung der Polizei Münster zum Gastspiel des 1. FC Magdeburg beziehen, möchten wir diese an dieser Stelle im Originalwortlaut wiedergeben:

„Durch den polizeilichen Einsatz von Pfefferspray konnten am Freitagabend (22.04.) Durchbrüche von Anhängern beider Vereine unterbunden werden.

In der Mitte der ersten Halbzeit versuchten etwa 300, teilweise vermummte, Magdeburger die Einlasskontrollen durch einen Sturm zu umgehen. Gleichzeitig bedrängten Personen aus dem Gästeblock die Ordner, um den unkontrollierten Zustrom zu ermöglichen. Die Chaoten griffen die zur Unterstützung der Ordner eingesetzten Polizeibeamten an und bewarfen sie mit vollen Bierbechern.

Nach dem Spiel attackierten etwa 200 Sympathisanten von Preußen Münster Polizisten an der Absperrung zu den Gästeparkplätzen. Hier mussten die Beamten neben Pfefferspray auch Schlagstock und Diensthunde einsetzen, um ein unkontrolliertes Aufeinandertreffen der
Gruppierungen zu unterbinden.

"Nur durch das starke Polizeiaufgebot konnten Auseinandersetzungen zwischen den Anhängern beider Vereine und ein Kassensturm unterbunden werden", erläuterte der Einsatzleiter Polizeidirektor Martin Mönnighoff. "Das notwendige Einschreiten der Beamten zeigt erneut, dass Unbelehrbare den Fußball immer wieder für ihre kriminellen Zwecke missbrauchen."

Vor dem Spiel versuchten vier Magdeburger einen Fan-Schal auf der Hammer Straße zu rauben. Polizisten nahmen die Täter fest. Einer von ihnen hatte eine Sturmhaube und einen Zahnschutz dabei.

Bei Fahrzeugkontrollen von anreisenden Magdeburgern fanden Polizisten Quarzhandschuhe, Sturmhauben und weitere Passivbewaffnung. Die Beamten nahmen diesen 21 Personen die Eintrittskarten ab, erteilten ihnen Platzverweise und schickten sie direkt auf die Heimreise.

Kurz vor Spielende brannten Münsteraner Ultras sechs Rauchtöpfe im Block ab. Zeitgleich zündeten Unbekannte in Stadionnähe Feuerwerksraketen.

Nach dem Spiel raubte ein Münsteraner einem Magdeburger einen Fan-Schal. Bei dem Gerangel stürzte der Geschädigte in seine Bierflasche, verletzte sich an der Hand und wurde durch Rettungskräfte in ein Krankenhaus gebracht.

Insgesamt fertigten die Einsatzkräfte 28 Anzeigen wegen Raub, Widerstand, Beleidigung, Bedrohung und sonstiger Verstöße.“

Eine solche Darstellung seitens der Polizei suggeriert dem nicht beteiligten Leser durch eine Vielzahl von Schlagworten (Vermummte, Kassensturm, Pfefferspray, Quarzhandschuhe, Schlagstockeinsatz, Chaoten und einige mehr) nicht nur, dass es vermutlich zu chaotischen Szenen am Rande des Spiels gekommen sein muss. Sie versucht zusätzlich das massive polizeiliche Vorgehen vor Ort zu legitimieren, was ihr dank unkritischer Übernahme und damit Weiterverbreitung dieser Meldung durch Presseorgane leider einmal mehr zu gelingen scheint. Jedoch ordnet die Polizei Münster ihr Verhalten nicht nur nicht in gegebene Kontexte ein. Sie verbreitet zumindest in Bezug auf die Gästefans, die durch die Polizei bereits im Vorfeld des Spiels eine Stigmatisierung als potentielle Gewalttäter erfahren durften, zudem auch Unwahrheiten.

Wahr ist: die Polizei stellte vor dem Spiel Personalien bei Gästefans fest und zog dabei vereinzelt (!) Gegenstände ein, die aus ihrer Sicht den Tatbestand der Passivbewaffnung erfüllen. Dies ist jedoch nicht dem zielgerichteten Eingreifen seitens der Polizei gedankt, sondern massiver und langwieriger Kontrolle einer Vielzahl von Fahrzeugen mit Gästefans auf den Autobahnrastplätzen rund um Münster, den Zufahrtstraßen zum Stadion sowie auf dem Gästeparkplatz selbst. An dieser Stelle darf schon die Frage nach der Verhältnismäßigkeit gestellt werden, insbesondere wenn bei diesen massiven Kontrollen zudem keine pyrotechnischen Artikel sichergestellt werden konnten, welche aus Sicht der Polizei diesen Einsatz erst notwendig werden ließen.

Wahr ist ebenfalls, dass vier Magdeburger Anhänger wegen einem angeblichen Raubversuch (ob dieser auch stattfand, wird durch die Justizbehörden festzustellen sein) während des Spiels in Gewahrsam genommen worden sind.

Wahr ist weiterhin, dass es vereinzelte Becherwürfe auf Polizisten im Gästeblock gegeben hat, als eine größere Gruppe Fans das Stadion betrat und die Polizei dabei in Vollausrüstung mitten durch die Gästeanhängerschaft zog.

Unwahr ist jedoch, dass 300 Gästefans versuchten den Einlass durch einen Sturm zu umgehen. Unwahr wäre es im Übrigen auch, wenn die Polizei anstelle von 300 Fans an dieser Stelle von 30 oder drei Fans sprechen würde. Eine solche Situation gab es schlichtweg zu keinem Zeitpunkt am Gästeeingang, der Einlass lief vielmehr zu jeder Zeit geordnet und gesittet ab. Dies werden mit Sicherheit auch die vor Ort eingesetzten Ordner bestätigen können oder die polizeilichen Videoaufnahmen, die aus verschiedenen Kameras durchgehend angefertigt wurden. Wahrheitsgemäß wiedergegeben hätte es vielmehr heißen müssen, dass eine größere Gruppe an Fans aufgrund der Vielzahl an polizeilichen Kontrollen auf dem Gästeparkplatz auf Betroffene dieser Maßnahmen wartete und deshalb erst mit Beendigung dieser - nach Anpfiff des Spiels - das Stadion betrat. Ebenso hätte man berichten können, dass sich eine Vielzahl an Fans, die sich bereits im Stadion befanden, mit den von Polizeimaßnahmen betroffenen Fans solidarisierte und den eigentlichen Gästeblock verließ, um im Zwischenraum zwischen Eingang und Gästeblock auf die vor dem Stadion stehenden Anhänger zu warten.

Die Zusammenhänge sind also zusammengefasst wie folgt: erst eine massive Polizeipräsenz kombiniert mit einer Vielzahl von Personenkontrollen führte überhaupt dazu, dass ein nicht unerheblicher Teil der Gästefans erst kurz vor oder gar nach dem Anpfiff den Weg in Richtung Gästeeingang bestreiten durften. Das solidarische Warten anderer Fans vor dem Eingang auf die von Maßnahmen betroffenen Fans reicht der Polizei aus, um einen Sturm des Einlasses zu vermuten. Obwohl dieser zu keinem Zeitpunkt stattfand, vermeldet die Polizei Münster diesen dennoch.

Das weitere Spielgeschehen lief daraufhin im Rahmen der noch gegebenen Möglichkeiten stimmungsvoll ab, wofür auch der im Gegensatz zum Polizeieinsatz zu jedem Zeitpunkt deeskalierende Einsatz der Vereinsordner des Gastgebers und auch des 1. FCM maßgeblich mitverantwortlich ist. Auch nach dem Spiel gab es seitens der Anhänger des 1. FCM keinerlei Versuche Auseinandersetzungen mit den Heimfans zu initiieren, sondern einen durchweg gesitteten und friedlichen Abmarsch von den Gästeparkplätzen. Ohne zu wissen, welche polizeilichen Maßnahmen im Bereich des Heimbereichs erfolgten, ist es deshalb wichtig festzuhalten, dass anders als in der Polizeimeldung suggeriert, es zu keinem Zeitpunkt irgendwelche Konfrontationen zwischen Anhänger von Preußen Münster und des 1. FCM kam und aus diesem Grund auch kein Pfeffersprayeinsatz und dergleichen gegen Anhänger des 1. FCM notwendig war oder überhaupt stattgefunden hat!

Im Nachgang musste die Fanhilfe Magdeburg dann leider abermals zur Kenntnis nehmen, wie unreflektiert solche Darstellungen auch von eigentlich seriösen Medien teils wortwörtlich übernommen werden. Auch wir wissen, unter welchem Kosten- und Informationsdruck Medien heutzutage stehen und wie schnell man dazu verleitet werden kann, von vermeintlich seriösen Quellen Meldungen unhinterfragt zu übernehmen. Allein: auch diese Zwänge können keine Entschuldigung dafür sein, Mindeststandards journalistischer Arbeit nicht zu erfüllen. Grundsätze wie exakte Recherche, Prüfung des Wahrheitsgehaltes von Meldungen, insbesondere wenn man selbst keinen Journalisten vor Ort hatte, und der Sichtbarmachung unbestätigter Meldungen sichern die eigene Glaubwürdigkeit, die nunmehr einmal mehr Schaden genommen haben dürfte.

Die Fanhilfe Magdeburg vertritt nach Auswertung aller Ereignisse in Münster, aufgrund des eigenem Erlebten sowie durch die Einschätzungen von Fans anderer Vereine, die bereits in Münster gastierten, die Ansicht, dass die Polizei vor Ort über den notwendigen Rahmen zur Absicherung von Drittligafußball hinaus einen Kleinkrieg gegen Fußballfans führt - unabhängig davon, ob es sich um Heim- oder Gästefans handelt. Zu dieser Erkenntnis tragen eine ungenügende Informationskette im Vorfeld des Spiels, ein massives und aus Sicht der Fanhilfe Magdeburg keiner irgendwie gearteten Relation entsprechendes Polizeiaufgebot inklusiver massiver Kontrollen von Gästefans ebenso bei wie eine durchgehend fehlerhafte Darstellung der Ereignisse im Nachgang des Spiels, welche wir in der Vielzahl der Fehler als bewusste Desinformation der Öffentlichkeit werten.

Aus diesem Grunde empfehlen wir nicht nur den Verantwortlichen des 1. FC Magdeburg, sondern aller Gästeteams in Münster, sich zukünftig durch konsequente Teilnahme an Sicherheitsberatungen und Dokumentation dieser (!) und durch konsequentes Einsetzen für fanrelevante Dinge den eigenen Anhängern einen Weg zu einem normalen Fußballerlebnis zu ermöglichen. Fanvertretungen und Fanprojekte zukünftiger Gäste in Münster sollten ihre Rechte durch den Einsatz von Fananwälten sowie der Dokumentation und Veröffentlichung verfänglicher Situationen absichern. Presseorganen empfehlen wir die Prüfung von Polizeimeldungen im Fußballzusammenhang im Allgemeinen und im Fall der Polizei Münster im Speziellen. Dem SC Preußen Münster wünschen wir, dass sich der Druck seitens Polizei irgendwann in dem Maße legt, dass man offensichtliche Probleme im eigenen Anhang dann auch konstruktiv und nachhaltig und vor allem ohne Druck von außen angehen kann. Unter den gegebenen Umständen halten wir dies jedoch für nahezu unmöglich.

Fanhilfe Magdeburg e.V. am 24.04.2016






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