07.07.2017 - Regionalliga

Fanszenen zusammen gegen China-Pläne des DFB


Zahlreiche Fanszenen der Regionalliga Südwest Vereine haben einen gemeinsamen offenen Brief an Ronny Zimmermann, DFB-Vize & Vorsitzender der Regionalliga Südwest, veröffentlicht, in dem die DFB-Pläne zum Start der chinesischen U20-Nationalmannschaft in der Regionalliga Südwest kritisiert werden.

Die chinesische U20 soll in der kommenden Saison außerhalb der Wertung in der Regionalliga Südwest antreten und die gegnerischen Vereine sollen dafür 15.000 Euro kassieren (Faszination Fankurve berichtete). Nun haben sich die Fanszenen, bzw. Teile der Fanszenen von den Offenbacher Kickers, Waldhof Mannheim, Mainz 05 (mit der 2. Mannschaft in der Regionalliga Südwest), 1. FC Saarbrücken, SSV Ulm, TuS Koblenz, Wormatia Worms, FSV Frankfurt, Hessen Kassel und den Stuttgarter Kickers zusammengeschlossen und das Vorhaben des DFB kritisiert.


Demnach profitieren die Regionalliga Südwest Vereine mit den 15.000 Euro nicht besonders von dem Deal, gleichzeitig fragen die Fanszenen den DFB aber, was der Verband an der Vereinbarung verdiene. DFB-Generalsekretär Friedrich Curtius erklärte gegenüber dem kicker-Sportmagazin, dass der DFB nichts an Chinas U-20 verdienen würde. Die endgültige Entscheidung über die symbolische Teilnahme des chinesischen Teams an der Regionalliga falle demnach am kommenden Dienstag und eine Nicht-Teilnahme von Waldhof Mannheim würde nichts an den Plänen des DFB ändern.

Die Fanszenen, der in der Regionalliga Südwest spielenden Vereine, sehen in den Plänen ein Fortschreiten der Kommerzialisierung im deutschen Fußball. Letztlich würden von der Aktion aber nicht die Regionalligisten, sondern andere Player profitieren.

Zudem bemängeln die Fanszenen, dass der DFB mit einem der autoritärsten Staaten der Welt kooperieren würde, in dem Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt und Todesurteile massenhaft vollstreckt würden. Der offene Brief wurde damit von allen wichtigen Fanszenen der Regionalliga Südwest unterzeichnet, weshalb von der Fanbasis wohl mit weiteren Protesten gegen die DFB-Pläne zu rechnen ist. (Faszination Fankurve, 07.07.2017)

Faszination Fankurve dokumentiert den offener Brief zahlreicher Fanszenen der Regionalliga Südwest an Herrn Ronny Zimmermann, Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes:

Sehr geehrter Herr Zimmermann,

rund um die seitens der Fußball-Verbände geplante Implementierung einer chinesischen U20-Auswahl in der Regionalliga Südwest sind zahlreiche Fragen aufgekommen, welche wir stellvertretend für viele interessierte Fußballfans an Sie weitergeben möchten. Durch Ihre Funktionen als Vizepräsident des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) und des Süddeutschen Fußballverbandes sind wir zuversichtlich, dass Sie die gestellten Fragen umfassend beantworten können.

Kein finanzieller Mehrwert
Seitens der Verbände wurde hierfür eine Antrittsprämie von 15.000 Euro für jeweils zwei ausgetragene Partien je Verein im Südwesten ausgelobt. Wir Fans glauben, dass die Kosten-Nutzen-Rechnung hierbei bereits bei einer kurzfristigen Betrachtung überholt ist. So stehen der genannten Prämie, je nach Infrastruktur der Vereine, enorme Fixkosten (z.B. Miete und Reinigung der Spielstätte) und ein hoher ehrenamtlicher Einsatz gegenüber. Zusatzeinnahmen durch etwaige Eintrittsgelder dürften durch die zunehmend negative Haltung der breiten Öffentlichkeit und damit auch der zahlenden Zuschauer – sowie der damit einhergehenden Berichterstattung – ebenfalls zu keinem nennenswerten Mehrertrag, oder in Ihren Worten „guten Vermarktungsmöglichkeiten“ führen. Besagter Effekt dürfte sich durch „ungünstige“ Terminierungen – Stichwort „englische Wochen“ – verstärken.

Darüber hinaus sehen wir die Gefahr, dass die Wertigkeit der Liga durch eine zusätzliche Mannschaft, welche diese lediglich als Trainingsort für „höhere Ziele“ nutzt, deutlich beschädigt wird. Wir sind daher der Überzeugung, dass die 15.000 Euro am Ende für keinen Verein eine attraktive Entlohnung darstellen werden. Vielmehr erleidet die Liga mittel- bis langfristig in ihrer sportlichen Ernsthaftig- und Glaubwürdigkeit eine signifikante Abwertung, welche Zuschauer, Sponsoren und Spieler gleichermaßen negativ beeinflusst.

Wider den Fairplay-Gedanken und den sportlichen Wettkampf
Der ehrliche und faire Umgang im Sport ist immens wichtig. In zahlreichen Interviews, u.a. mit Waldhof-Urgestein Klaus Schlappner, aber auch mit dem ehemaligen Fürther Toni Winkler, wurde das Argument der Völkerverständigung genannt und den Kritikern Ihrer Pläne fehlende Toleranz vorgeworfen. Wir halten die getroffenen Aussagen für bestenfalls fahrlässig und darüber hinaus für irreführend, verschweigen Sie doch die offenkundigen finanziellen Interessen des DFB. In Ihrer Position als Vizepräsident desselben haben Sie sicherlich Kenntnis über den Umfang der finanziellen Gesamtvereinbarungen. Deshalb bitten wir Sie, diese im Sinne der Transparenz offenzulegen und darüber hinaus einen Ausblick über die Verwendung der vereinbarten Summen zu geben. Gerade den Verantwortlichen und Anhängern von Vereinen der deutschen Regionalligen sind Sie eine konkrete Antwort schuldig.

Uns stellt sich auch die Frage, inwieweit der Regionalligist FC Astoria Walldorf als unvoreingenommener Fürsprecher für Ihre Pläne geeignet ist. Die räumliche Nähe zum aktuellen Unterbringungsort der chinesischen Delegation (St. Leon-Rot) legt die Vermutungen nahe, dass der flammende Appell für die Spiele gegen die chinesische U20 mit finanziellen Vereinbarungen zu Gunsten der Walldorfer einhergehen.

Im Hinblick auf die eingangs genannte Fairness sei auch die Frage erlaubt, welcher sportliche Wert für die chinesische Mannschaft, deren Fans und Sponsoren entsteht, wenn bereits kurz nach Bekanntgabe der geplanten Implementierung mehrere Vereinsverantwortliche unterschiedlicher Regionalligisten ankündigen, den Mannschaftskader an besagten Spieltagen mit Jugendspielern und Akteuren der zweiten Mannschaften ergänzen zu wollen. Falls dann, entgegen etwaiger Ankündigungen, tatsächlich in Bestbesetzung angetreten wird, führt dies zu einer Mehrbelastung, welche sich im Abstiegs- und Aufstiegskampf als Nachteil erweisen könnte. Die mehrfach getätigte Aussage, dass sich die Vereine der Regionalliga Südwest ohnehin nach einem Testspielgegner für den jeweils spielfreien Spieltag bemühen würden, ist mit Verweis auf die vergangene Spielzeit und die damalige allgemeine Handhabung in der Liga nicht zutreffend. Die parallel stattfindenden Landespokalwettbewerbe oder schlichte Regeneration sind nach wie vor eine sportlich reizvolle Alternative.

Fehlende Transparenz
Überdies bleibt unserseits unklar, weshalb ein Projekt dieser Tragweite gegenüber der Öffentlichkeit dermaßen intransparent und mit einer solch hohen Geschwindigkeit ein- und durchgeführt werden soll. Wir als Fans wurden von der Nachricht, dass die chinesische U20-Nationalmannschaft in der kommenden Saison an der Regionalliga Südwest teilnehmen soll, förmlich überrumpelt. Es scheint uns so, als sei dahinter das Kalkül gestanden, etwaige Proteste aufgrund der kurzen Zeit zwischen Bekanntgabe und Start der neuen Saison möglichst klein halten zu können. Bitte erläutern Sie uns, warum seitens des Verbandes eine derartige Handhabung notwendig war.

Viel schwerer als die sehr kurzfristige Bekanntgabe in der Öffentlichkeit aber wiegt, dass die konkrete Ausgestaltung dieses Vorhabens den Vereinsverantwortlichen unserer Meinung nach viel zu unkonkret vorgetragen wurde. Diese ist jedoch unabdingbar, damit die Vereine auf Grundlage der ihnen vorliegenden Informationen ausreichend abwägen und eine verantwortungsvolle Entscheidung treffen können, die den vielfältigen Effekten, die daraus resultieren, auch wirklich gerecht wird. Wir fragen uns: Ist es eines professionellen Verbandes würdig via Telefon Abreden zu treffen ohne direkt im Vorfeld oder Nachgang schriftlich Zahlen und Daten zu verlautbaren? Nicht unerwähnt lassen wollen wir an dieser Stelle auch das grundsätzlich asymmetrische Machtverhältnis von Verband auf der einen und Vereinen auf der anderen Seite. Der DFB und seine regionalen Ableger agieren zunehmend intransparent und entscheiden in der öffentlichen Wahrnehmung nach Gutsherrenart. Gespräche mit mehreren Vereinsoffiziellen innerhalb der Regionalligen Deutschlands haben uns aufgezeigt, dass etwaige Kritik allein schon aus Angst vor Konsequenzen durch Ihren Verband unterbleibt. Ist diese Wahrnehmung im Sinne des DFB und seiner Verbände? Wie reagieren Sie z.B. auf die wahrgenommene fehlende Plausibilität von sportlichen, sportrechtlichen und sportgerichtlichen Entscheidungen?

Moralische Verantwortung?
Außerdem wollen wir zu bedenken geben, dass der Ausbau der Kooperationen mit dem chinesischen Fußball auch weit über den Fußballkontext hinaus einige Fragen aufwirft. Die Volksrepublik China gilt nach wie vor als einer der autoritärsten Staaten weltweit, in dem Meinungs- und Pressefreiheit eingeschränkt, Todesurteile massenhaft vollstreckt (Amnesty International schätzt, dass in China mehr Menschen hingerichtet werden, als in allen anderen Staaten weltweit zusammen), Menschen gefoltert, sowie zahlreiche Kritiker in Gefangenschaft genommen werden. Die Frage muss erlaubt sein, warum ausgerechnet mit einem solch menschenverachtenden Regime die Kooperation der Fußballverbände gestärkt werden soll? Überwiegen hier finanzielle Interessen gänzlich der Moral? Die Weltmeisterschaften in Südafrika und Brasilien sind prominente und traurige Beispiele dafür, dass eine soziale Verantwortung der Verbände gegenüber der jeweiligen Bevölkerung und deren Umwelt in der Vergangenheit nicht gegeben war. Die nächste WM im autoritären Russland belegt, dass seitens der Verantwortlichen keine Lehren für die Zukunft gezogen werden. Für die Weltmeisterschaften 2022 in Katar sterben fast wöchentlich moderne „Arbeitssklaven“ auf den Baustellen der Stadien. Das alles ist bekannt. Aber muss der DFB wirklich diesem schaurigen Schauspiel ein weiteres negatives Kapitel hinzufügen, indem er die sportliche Kooperation mit dem chinesischen Fußball intensiviert?

Vorantreiben einer ausufernden Kommerzialisierung
Nicht zuletzt betrachten wir das Einkaufen einer sportlich nicht qualifizierten Mannschaft in die Regionalliga Südwest nicht als ein Ereignis, das man losgelöst von der allgemeinen Entwicklung des Fußballs sehen kann. Vielmehr ist es ein weiterer Schritt in einem fortschreitenden Prozess, in dessen Verlauf immer mehr Bestandteile des Fußballs rein nach ökonomischen Gesichtspunkten betrachtet werden. Die vielzitierte „Kommerzialisierung“ schreitet weiter voran. Die Interessen der Fans, welche ihre Mannschaften Woche für Woche in den Stadien anfeuern, spielen dabei nur noch eine untergeordnete, zunehmend sogar gar keine Rolle mehr. Doch wir, die Fans, lassen uns nicht weiter übergehen! Wir schweigen nicht zu den Entwicklungen des Fußballs. Wir artikulieren unsere Wahrnehmung und fordern ein Umdenken ein. Allerspätestens dieser Schritt, eine Mannschaft zu reinen Werbezwecken in unsere Liga zu implementieren, geht endgültig zu weit. Er widerspricht dem Grundgedanken des sportlichen Wettbewerbs und dient einzig den Interessen derjenigen, die perspektivisch davon profitieren könnten, wenn der deutsche Fußball den asiatischen Markt erschlossen hat. Die Profiteure werden nicht die Offenbacher Kickers, der 1. FC Saarbrücken, Waldhof Mannheim oder andere Traditionsvereine in der Regionalliga sein. Es werden ganz Andere am Ende den Profit abschöpfen. Deshalb werden wir es auch nicht akzeptieren, dass unsere Vereine hierfür als „Vorboten“ herhalten müssen und unter einer weiteren Abwertung der Regionalliga Südwest leiden sollen. Vielmehr ist es an der Zeit, das unfaire und unsportliche Nadelöhr der Aufstiegsrelegation endlich abzuschaffen und den Meistern der Regionalligen ihren verdienten Aufstieg zuzugestehen. Sich hinter vergeblichen „Reformversuchen“ der Vergangenheit zu verschanzen, wie Sie es in einem Interview mit der Rhein-Neckar-Zeitung vom 28.06.2017 getan haben, wirkt spätestens durch die von Ihnen geplante und konsequent vorangetriebene Einfügung einer sportlich nicht qualifizierten Mannschaft in Hauruck-Manier unglaubwürdig. Herr Zimmermann, stoppen Sie den weiteren Ausverkauf des Fußballs und werden Sie Ihrer Verantwortung gegenüber Vereinen, Spielern und Fans gerecht!

Sportliche Grüße
Abteilung Herzblut – Hessen Kassel
Aktive Fans Kickers Offenbach
Block 30 - Hessen Kassel
Block 385 - FSV Frankfurt
Fanszene Stuttgarter Kickers
Inferno Koblenz
Nebulosa-Impero Ulm
PRO Waldhof e.V.
Supporters Mainz e.V.
Supporters Ulm 1999
Supporters Worms 1997
Virage Est Saarbrücken






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