10.12.2014 - 1. FC Lokomotive Leipzig

​Heute vor 11 Jahren: Wiederbelebung von Lok Leipzig


Heute vor 11 Jahren wurde der 1. FC Lokomotive Leipzig in der Kneipe Treibhaus von einigen Fans neugegründet, nachdem der VfB Leipzig kurz zuvor Insolvenz angemeldet hatte. Dadurch sollte den Nachwuchsmannschaften vom VfB eine neue Heimat gegeben werden.

Heute spielt der von Fans neugegründete Verein in der Oberliga. Im heimischen Bruno-Plache-Stadion trifft man zumindest wieder auf die Zweitvertretungen alter Bekannter aus Jena, Aus, Cottbus, Erfurt und Chemnitz. Doch an der Tabellenspitze steht die zweite Mannschaft von RB Leipzig. Daran dachte vor elf Jahren noch niemand.

Hier mal ein Bericht von Faszination Fankurve aus dem Jahr 2004 über das erste Jahr von Lok Leipzig nach der Neugründung:

„Nie mehr 11. Liga“

16 Jahre ist es her, dass der 1. FC Lokomotive Leipzig zum letzten Mal auf internationaler Bühne spielte. 80.100 Fans zahlten zwei Ostmark Eintritt, um im Zentralstadion den SSC Neapel samt Diego Maradona im UEFA-Cup zu sehen.

Heute ist das Stadion neu gebaut, doch die Gegner in der untersten aller Ligen sind weit weniger prominent, einige Spieler dafür aber noch ein halbes Jahrzehnt älter als der geniale Argentinier. SV-1910-Leipzig-Kicker Reiner Henze hatte schon 48 Jahre auf dem Buckel, als er am ersten Spieltag der laufenden Saison gegen Lok antrat, und Abwehrspieler Maik Helmhold musste zwischen die Pfosten, weil die Gäste keinen zweiten Torhüter dabei hatten – Alltag in der 11. Liga!

Der erste Deutsche Meister von 1903 (als VfB Leipzig) und Europapokalfinalist von 1987 ist nach seiner Insolvenz inzwischen in der Liga angelangt, die der Fußball-Landesverband Sachsen „3. Kreisklasse“ nennt - in den meisten anderen Landesverbänden gibt es diese nicht einmal. Der Neuanfang und die Neugründung unter dem alten Vereinsnamen und mit den Vereinsfarben aus DDR-Zeit ist das vorerst letzte Kapitel in der bewegten Geschichte des 1893 gegründeten Traditionsvereins, der in den ersten 100 Jahren seiner Historie nur ein einziges Mal, 1969 aus der DDR-Oberliga, abgestiegen ist. Nun, nachdem es sieben Ligen auf einmal hinab ging, tingelt er über Sportplätze, die oft aus nicht viel mehr als einem Stangenviereck bestehen, und auf denen sich höchstens die nahen Verwandten der Hobbykicker versammeln.

Nicht gerade die geeignete stadionbauliche Mindestanforderung für den Boom, der um Lok entstanden ist. Zum ersten Heimspiel kamen 5.638 Zuschauer und somit mehr als die 5.500, die zum gleichen Zeitpunkt den Lokalrivale Sachsen Leipzig bei seiner Oberliga-Partie im Zentralstadion besuchten oder auch mehr als die 5.100, die den letzten Auftritt des VfB in der 1. Bundesliga im Mai 1994 gegen Bayer Leverkusen sahen.

Doch beim ersten Spiel gegen den SV 1910 herrschte Volksfeststimmung im Bruno-Plache-Stadion und auch ein Hauch von Ostalgie: Viele alte Schals wurden ausgegraben, ebenso die alten Lieder. Das Programm sowie die Spielplakate präsentieren sich im 80er-Look – es gilt „Vorwärts in die Vergangenheit“, wie das Lok-Fanzine „Tatort Stadion“ die Grundstimmung beschreibt. Dass man sich zur Feier des Tages sogar des Auftritts von Cheerleadern bediente, ließ diese noch deplatzierter wirken, als es beim „großen Fußball“ der Fall ist.

Für die Gegner sind die Spiele nicht etwa Ligaalltag, sondern ihr Karrierehöhepunkt. So wie für den 18-jährigen André Pielert, der den Ehrentreffer der Gäste ausgerechnet gegen seinen Lieblingsverein schoss und dabei das Lok-Trikot unter dem des SV 1910 trug: „Ein großer Tag für mich, und wir haben nicht so viele Tore kassiert, wie wir gedacht haben.“ Der Applaus und das anschließende „Abklatschen“ am Zaun durch die Lok-Fans waren ihm und seiner Elf sicher. Zum Abfiff hieß es 17:1, was nicht einmal die Tabellenführung bedeuten sollte, da FSV Automation Leipzig die Paunsdorf Devils mit 23:0 schlug.

Zwar würde ein Platz unter den ersten dreien der Tabelle ausreichen, doch darauf legt man es in Leipzig-Probstheida gar nicht unbedingt an, denn die Abkürzung beim Marsch durch die Spielklassen hatte man zwischenzeitlich längst ausgemacht. Schon im kommenden Sommer, sollte die Fußballabteilung mit der des Landesligisten Hausdorfer SV zusammengelegt werden – der Sprung in die 5. Klasse wäre somit geschafft gewesen.

Der Traum von der Fusion

Sind Fusionen im Allgemeinen ein rotes Tuch für Fußballfans, so wäre diese sogar von den Fans begrüßt worden: „Wir können nicht fünf Jahre warten“, sagt Thomas Franke (27), „bis dahin hat der von der Stadt geförderte Verein Sachsen so einen Vorsprung, dass Lok den nicht mehr aufholen kann. Hessen Kassel hat ja ‚nur‘ in der 8. Liga wieder angefangen, aber wenn wir jahrelang nur zweistellig gewinnen, wird das irgendwann keinen mehr interessieren.“ Bei einem Aufstieg von Hausdorf, so hatte man sich ausgerechnet, hätte dann sogar schon in der nächsten Saison ein Derby gegen den FC Sachsen anstehen können. Allein die Hausdorfer Mitgliedschaft stimmte dem Plan nicht zu. 57 der 103 Anwesenden wollten die Lok nicht im Boot haben. „Wir haben noch zwei Varianten in der Hinterhand“, verkündet Club-Chef Steffen Kubald (42). Man darf gespannt sein, wer den nächsten Antrag von Lok erhält.

Bis auf weiteres geht es also nur noch um die Höhe der Siege und der Weg führt nach wie vor über die Dörfer. So wie über Seehausen, einem Ort am nördlichen Stadtrand, direkt hinter der Neuen Messe, mit neun Straßen und immerhin 50 Parkplätzen vor dem örtlichen Sportplatz, der nicht einmal eine Stange um das Spielfeld hat. 1.950 Fans kamen mit dem Shuttle-Bus oder zu Fuß, sahen den 8:1 Sieg der „Loksche“ und deckten somit den kompletten Saisonetat der Seehausener Fußballabteilung gleich im ersten Spiel. Ähnliches wird sich in der laufenden Saison noch einige Male wiederholen. Lok-Vorsitzender Steffen Kubald, der, wenn er nicht den 400.000-Euro-Etat seines Clubs verwaltet, abends als Koch in einem Restaurant arbeitet, resümiert schon einmal diese historische Saison: „Kein Auswärtsspiel ist weiter als 25 Kilometer entfernt und alle Gegner haben immerhin einen Rasenplatz.“

Inzwischen ist die Tabellenführung, vorsichtig ausgedrückt, gefestigt, und damit es nicht langweilig wird, setzen die Lok-Verantwortlichen eine PR-Idee nach der anderen um und ihre Altstars ein. So wie den 62-jährigen Henning Frenzel, der einst 420 Ligaspiele für Lok und 58 Länderspiele für die DDR bestritt. Beim 20:0 gegen Paunsdorf steuerte er den Kopfballtreffer aus einem Meter Entfernung zum 16:0 bei und ließ sich vom Publikum seine kompletten 28 Spielminuten feiern.

3. Kreisklasse schlägt WM

Gegen Eintracht Großdeuben 2 wurde die Bolzplatz-Tour schließlich mit einem Spiel im WM-Schauplatz Zentralstadion unterbrochen. Eine Veranstaltung, die, gemessen an der Liga, viel Superlative und noch mehr Kuriositäten mit sich brachte: Noch nie gab es in einer solchen Liga so viele Zuschauer, noch nie solche Sicherheitsvorkehrungen – alle 72 Kameras überwachten die Ränge – und schon gar nicht den Hinweis, auf öffentliche Verkehrsmittel umzusteigen. In Großdeuben selbst brach ebenfalls das Fußballfieber aus. Plötzlich wurde sogar im eigenen Vereinsheim nach Karten angefragt und die beiden verdienstvollsten Spieler der 1. Mannschaft mussten nicht in der 1. Kreisklasse ran – sie ersparten sich so die 0:3-Niederlage vor 12 Zuschauern gegen Eiche Wachau –, sondern wurden an diesem Wochenende mit einem Einsatz in der Zweitvertretung belohnt.

Am Ende waren es 12.421 Zuschauer und die 3. Kreisklasse hatte der zeitgleich nebenan in der Arena Leipzig stattfindenden Weltmeisterschaft der Lateinamerikanischen Tänzer den Rang als das herausragende Event der Stadt abgelaufen. Der ehemalige Bundesligaspieler Heiko Scholz erzielte als Gastspieler das erste von acht Toren für die Elf, die Trainer Rainer Lisiewisz gern als „Thekenteam deluxe“ bezeichnet, in dem manch einer sogar dafür bezahlen würde, um für Lok spielen zu können.

Dabei ist es, bei aller Begeisterung, nicht einmal ein Jahr her, dass der Verein „von der Picke auf“ durch Anmeldung beim Notar, Finanzamt, Stadtsportbund und Landesverband auf die Beine gestellt wurde. Von den zehn Gründungsmitgliedern mussten damals drei ein Amt im Vorstand und sieben eines im Aufsichtsrat auf sich nehmen – einfache Mitglieder gab es keine. Heute sind es wieder rund 800 und der Verein hat sich vieles von dem zurückerobert, was ihn früher ausmachte. Allein die Ligazugehörigkeit entspricht dem noch nicht annähernd – noch nicht!

Fanfotos 1. FC Lokomotive Leipzig




Weitere News:
21.09.2021: Fusion in Leipzig geplant
08.06.2021: Video zum Sachsenpokalsieg
27.04.2021: Sachbeschädigungen am Fanshop von Lok Leipzig
12.07.2020: „Der Traum ist aus....?!“-Statement von Blue Side Lok
30.06.2020: „Wir raten von einer Reise nach Bielefeld ab“

Alle 49 News anzeigen