01.07.2014 - Dynamo Dresden

„In Dresden hat sich sehr viel positiv verändert“


Faszination Fankurve sprach mit dem Fanprojekt Dresden über Änderungen innerhalb der Dresdener Fanszene in den letzten Jahren, nicht nur beim Thema Gewalt. Trotz Rückschlägen sieht das Fanprojekt in Elbflorenz eine positive Entwicklung innerhalb der Fanszene.

Faszination Fankurve: Oftmals wird von Außenstehenden wahrgenommen, dass der Kontakt zwischen Verein und der Fanszene immer problematischer wird bzw. zum Teil nicht mehr existent ist. Wie sehen Sie als Vermittler das allgemein und vor allem im Hinblick auf Ihren Verein?
Fanprojekt Dresden: Natürlich gibt es grundsätzlich in vielen Bereichen unterschiedliche Interessen, die sowohl der Verein als auch die Fans oder Fangruppen vertreten. In Dresden gibt es das auch, aber die SGD ist bestrebt, die Kommunikation mit der Fanszene konstruktiv und kontinuierlich aufrecht zu erhalten. Wenn Fans nicht nur bei Problemen „heranzitiert“ werden, sondern auch in ruhigeren Zeiten turnusmäßige Treffen zwischen Verein, Fans und Fanprojekt stattfinden, schafft dies natürlich auch eine verhältnismäßig vertrauensvolle Kommunikation untereinander, wie es in Dresden der Fall ist.

Faszination Fankurve: Letztes Jahr haben die Clubs der 1 bis 3. Liga Strafen in Höhe von ca. 1,7 Millionen Euro nach Fanaktionen zahlen müssen. Die Vereine reagieren unterschiedlich, immer mehr versuchen die Strafe auf die Verursacher zu übertragen. Wie stehen Sie als Fanprojekt zur Übertragung solcher Strafen und wie wirken diese auf betroffene Fans und deren Umfeld?
Fanprojekt Dresden: Bei der Übertragung von Strafzahlungen auf einzelne Fans besteht die Gefahr, dass die „Verursacher“ eine Mehrfachbestrafung erfahren, die einfach nicht zielführend ist. Sollte es beispielsweise nach dem Einsatz von Pyrotechnik zur Ermittlung einer beteiligten Person kommen, droht dieser neben einem Ordnungswidrigkeits- oder Strafverfahren auch ein Stadionverbot und eben die umgelegte Strafe. Dies versetzt natürlich auch die Vereine in eine Rolle, in der sie eine große Verantwortung auf sich nehmen und beispielsweise jugendlichen Verursachern finanzielle Forderungen stellen. Diese können sie schlichtweg nicht erfüllen. Ob die Vereine der ersten drei Ligen ihrer sozialen Verantwortung in gleichem Maße nachkommen, ist ebenso fragwürdig. Eine unterschiedliche Bestrafung – je nach Verein – ist dabei natürlich fatal, weil einfach nicht vermittelbar wäre, dass ein Fan von Verein A eine volle Verbandsstrafe übertragen bekommt, während er für die selbe Angelegenheit von Verein B „lediglich“ 100 Euro Strafe aufgebrummt bekommt.
Hinzu kommt dabei, dass diese Praxis auch aus rechtlicher Sicht äußerst fragwürdig ist. Außerdem ist es schwer nachvollziehbar, dass eine Ordnungswidrigkeit oder Straftat innerhalb des Stadions schwerwiegender ist, als wenn diese außerhalb des Stadions passiert.
Aus unserer Sicht führt diese vielfach thematisierte Umlegung nicht nur aus rechtlicher Sicht zu vielen neuen Problemen, die vermeidbar wären. Die Energie, die in die Umsetzung investiert werden müsste, könnten die Vereine auch in eine intensivere Zusammenarbeit mit den Fans stecken.

Faszination Fankurve: Immer wieder beklagen Fanprojekte eine Unterfinanzierung. Sind Sie mir den Mitteln, die Ihnen im Moment zur Verfügung stehen zufrieden? Was würden Sie konkret mit weiteren Mitteln umsetzen?
Fanprojekt Dresden: Den sozialpädagogischen Fanprojekten geht es leider nicht anders als dem Großteil jugendhilflicher Angebote in Deutschland. Man muss hier ganz eindeutig von einer strukturellen Unterfinanzierung sprechen. Wenn sich die Politik für den stets öffentlich verkündeten Weg einer ernstgemeinten Präventionsarbeit durch Fußballfanprojekte entscheidet, kann es nicht sein, dass ein Nationales Konzept Sport und Sicherheit von 1992 noch immer nicht flächendeckend umgesetzt wird. Uns helfen keine Alibi-Versprechungen in diesem anspruchsvollen Arbeitsfeld. Verglichen mit Ausgaben für einen leider oftmals übertriebenen Sicherheitsapparat rund um Fußballspiele sprechen wir von eigentlich minimalen Mittelaufwendungen für Fanprojekte. Zusätzliche Finanzen werden dringend für mehr Personal und die Durchführung von Angeboten der Freizeitgestaltung benötigt. Auch eine Fanwerkstatt ist bei uns schon lange in Planung.


Faszination Fankurve: Die Mehrheit der Strafen hat mit dem Einsatz von Pyrotechnik zu tun. Seit Jahren ist der Einsatz von Pyro das zentrale Thema, ohne dass sich etwas bewegt. Lässt sich überhaupt eine Lösung finden?
Fanprojekt Dresden: Das kommt darauf an, was als Lösung angesehen wird. Man wird nicht erwarten können, dass Regelbrüche von Fußballfans niemals stattfinden. Diese romantische Vorstellung ist zwar ganz nett, aber unrealistisch. Regelverletzungen finden überall statt, wo Menschen zugange sind, insofern ist da die Erwartungshaltung an die Fanszenen schon außerordentlich hoch. Wichtig ist aber, ein Maß zu finden, was für alle Seiten akzeptabel ist. Dies funktioniert nur mit Gesprächen auf Augenhöhe.

Faszination Fankurve: Was waren die relevanten Fanthemen in Ihrem Verein/Fanszene in der vergangenen Saison?
Fanprojekt Dresden: Die Themen innerhalb der Fanszene sind vielschichtig. Wir kommunizieren diese aber nicht öffentlich, immerhin haben wir eine mündige Fanszene, die ihre Themen nach Bedarf eigenständig nach außen trägt. Geprägt war die vergangene Saison natürlich sehr von der sportlichen Situation der ersten Mannschaft.

Faszination Fankurve: Die Ultràgruppen in Deutschland sind längst aus den Kinderschuhen gewachsen. Teilweise verfügen die Gruppen über eigene Räumlichkeiten, greifen teilweise immer weniger auf Angebote der Fanprojekte zurück. Wie steht es zu Ihrem Kontakt zu den Ultras im Moment und inwiefern haben Sie als Fanprojekt noch Einfluss auf die Ultras bei Ihrem Verein?
Fanprojekt Dresden: Die Ultràszene hat sich in den vergangenen Jahren an vielen Standorten verändert und weiterentwickelt, auch in Dresden. Der Begriff des „Einflusses“ ist aus unserer Sicht unglücklich, weil dies suggeriert, dass wir den Auftrag hätten, Gruppen und Menschen zu verändern. Dabei ist dies gar nicht das primäre Ziel unserer Arbeit, vielmehr geht es darum, ein vertrauensvoller Ansprechpartner zu sein. Ein positiver Nebeneffekt einer guten Beziehung ist natürlich, dass man Werte vermitteln kann. Wir unterstützen gerade jugendliche und heranwachsende Fans im Prozess des Erwachsenwerdens. Dies funktioniert aber in vielen Situationen unter den Bedingungen des Fans oder der Gruppe selber. Aus unserer Sicht ist Akzeptanz eine zentrale Haltung unserer Arbeit, ohne die es nicht funktioniert. So etwas können beispielsweise Sicherheitsträger nicht leisten. Ein erhobener Zeigefinger ist auf jeden Fall keine gute Basis für eine belastbare Beziehung zueinander. Diese braucht es aber, um gerade am Spieltag offen miteinander sprechen zu können – sonst wird man nicht ernst genommen. Insofern ist die Fragestellung aus unserer Sicht nicht ganz glücklich, aber im Zuge der Entwicklung innerhalb der Fanszene sicherlich angebracht.
Unser Kontakt zu den Ultràs ist auf jeden Fall gut. Es gibt z.B. gemeinsame Graffiti-Workshops und Fahnenmal-Wettbewerbe in unserem Fanhaus. Aber auch außerhalb der ultràorientierten Fans gibt es eine Zielgruppe für die Fanprojekte, mit denen wir arbeiten. Daher ist es im Rahmen von selbstbewusster Sozialarbeit auch wichtig, sich nicht abhängig zu machen, ganz egal ob das andere Institutionen, Behörden oder Fangruppen betrifft.

Faszination Fankurve: In zahlreichen Fanszenen gab es in den vergangenen Jahren Übergriffe rechtsgerichteter Fans auf linksgerichtete Fans innerhalb der gleichen Fanszene. Gab es solche Vorfälle bei Ihnen auch und wie haben Sie interveniert oder versuchen Sie schon vorab präventiv aktiv zu werden?
Fanprojekt Dresden: Es gibt in einer so großen Szene wie in Dresden genauso wie an anderen Standorten unterschiedliche Standpunkte, die auch zu Konflikten und Auseinandersetzungen führen können. Dennoch thematisieren wir konkrete Beispiele nicht in der Öffentlichkeit, dafür ist das Arbeitsfeld zu sensibel. Grundsätzlich sind wir als Fanprojekt in der Vermittlerrolle.

Faszination Fankurve: Das Thema Gewalt wird in den Medien häufig thematisiert. Wie würden Sie die aktuelle Lage in der Fanszene einschätzen? Kommt es häufig zu Auseinandersetzungen, Hausbesuchen, Raub von gegnerischen Fanutensilien etc.?
Fanprojekt Dresden: Medien springen gerade bei der SGD schnell und gern auf das Thema Gewalt an oder setzen u.a. den Gebrauch von Pyrotechnik mit Gewalt gleich. Das ist natürlich nicht zielführend und undifferenziert.
Aus unserer Sicht hat sich in den vergangenen Jahren in Dresden sehr viel positiv verändert. Natürlich gibt es immer wieder Rückschläge und Momente, in denen körperliche Gewalt im weitestens Sinne auftritt. Dennoch sollte die Gesamtentwicklung – gerade in Dresden – nicht aus den Augen verloren werden. Mittlerweile ist hier auch eine Kultur der konstruktiven Auseinandersetzung entstanden, die es möglich macht, dass Regelverletzungen thematisiert werden können – unter den Fans, aber auch im Verein. Die Schwierigkeit besteht häufig darin, diese vereinzelten „Ausschläge“ im Gesamtkontext einzuordnen. (Faszination Fankurve, 01.07.2014)

Fanfotos Dynamo Dresden




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