04.01.2013 - 1. FC Nürnberg

„In Zukunft Gynäkologen an den Kontrollen teilhaben“


Die Nürnberger Rot-Schwarze Hilfe kommentiert in einer Mitteilung das Thema Ganzkörperkontrollen in deutschen Stadien und thematisiert dabei die Kontrollen beim Spiel Bayern München gegen Eintracht Frankfurt und VfB Stuttgart gegen 1. FC Köln.

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung der Rot-Schwarzen Hilfe:

Ein Schuft, wer Böses dabei denkt!

Kaum war das erste Konzeptpapier der DFL für ein "sicheres Stadionerlebnis" veröffentlicht, das unter anderem die Möglichkeit von Vollkörperkontrollen beim Stadioneinlass enthielt, fand sich auch gleich ein williger Verein, der in blindem vorauseilendem Gehorsam im Zusammenwirken mit der Polizei die noch nicht einmal beschlossene, sondern lediglich vorgeschlagene Maßnahme in die Tat umsetzte. Um wen anders konnte es sich dabei handeln, als um den allzeit obrigkeitshörigen Musterschüler der Liga, den FC Bayern München. Dieser sah sich vor dem Spiel gegen Eintracht Frankfurt, dessen Fans sich in München eigentlich noch nie etwas zuschulden haben kommen lassen, dazu genötigt, den Frankfurter Anhang mit dieser Maßnahme zu überziehen.

Ein Schuft, wer Böses dabei denkt?

Allerdings verpufften die bereits im Vorfeld des Spiels großmächtig angekündigten Kontrollen wie ein Chinaböller, dem vor dem großen Knall die Zündschnur ausgeht. Lediglich ca. 40 Personen wurden in den Zelten kontrolliert. Dass es nicht mehr wurden, lag sicher auch an der lobenswerten Verweigerungshaltung des harten Kerns der Frankfurter, die angesichts der ihnen bevorstehenden, rechtlich äußerst fragwürdigen und menschenverachtenden Prozedur fast geschlossen auf den Besuch des Spiels verzichteten und dieses boykottierten.

Schön war in diesem Zusammenhang die von der Presse kolportierte Schilderung eines Vaters, der angab, mit seinem Sohn an genau demselben Eingang völlig unkontrolliert das Stadion betreten zu haben, an dem die Kontrollen durchgeführt werden sollten.

Ein Schuft, wer Böses dabei denkt?

Bayern München dementierte anschließend, dass sich in den aufgestellten Zelten Menschen hätten ausziehen müssen. Vielmehr hätten diese lediglich ihre Jacken ablegen müssen. Außerdem seien teilweise Taschen überprüft worden. Wenn dem so ist, dann haben sich diese Kontrollen nicht von den üblicherweise Spieltag für Spieltag in jedem Bundesligastadion dieses Landes ablaufenden Maßnahmen unterschieden. Warum es dann überhaupt der Aufstellung von Zelten bedurft hat, darf hinterfragt werden. Worin liegt der Sinn eines Zeltes, wenn darin nichts vorgenommen wird, was den Augen der Öffentlichkeit verborgen bleiben soll?

Stolz verkündete der Polizeibericht jedenfalls nach Abschluss der Maßnahme, dass man bei den Einlasskontrollen "20 Messer, 2 Schlagstöcke, 1 Schlagring, 1 Sturmhaube, Pfefferspray und Kokain" sichergestellt habe. Eine - vorausgesetzt sie stimmt - für die Staatsmacht erfreuliche Tatsache, was von Rainer Wendt, dem Bundesvorsitzenden der Deutschen Polizeigewerkschaft anlässlich einer Diskussionsrunde des Senders sport1 zum Thema DFL-Papier am 12.12.2012 genüsslich herausgestellt wurde: "Na gucken Sie mal, wie notwendig so etwas ist!"

Völlig überraschend wurde Wendt daraufhin von dem erfreulich kritischen Fußballkommentator Hansi Küpper mit der Tatsache konfrontiert, dass den Kontrolleuren die beschlagnahmten Messer etc. keineswegs in den Vollkontroll-Zelten in die Hände gefallen seien, sondern bei den gesamten Kontrollen der 71000 Stadionbesucher im und um das Stadion. Polizei und Verein hätten im Nachhinein keine Angaben machen können, ob die Gegenstände in den Zelten gefunden wurden oder ob da auch die Oma mit dem vergessenen Apfelmesser dabei war, wie Küpper treffend anmerkte. Ungerührt tat Wendt daraufhin das, was er am besten kann: Er spulte roboterartig die auswendig gelernten Statements ab, die er sich für diesen Tag zurechtgelegt hatte, und konterte Küppers entlarvende Attacke mit einem "Da sehen Sie wie notwendig es ist, mit qualifizierten Ordnerdiensten ...", womit er sich vollends der Lächerlichkeit auslieferte

Ein Schuft , wer Böses dabei denkt?

Auf die Frage des Fananwalts Ralf Peisl, ob etwa auch noch daran gedacht sei, in Zukunft Gynäkologen an den Kontrollen teilhaben zu lassen, um auch auch noch wirklich jede Körperstelle als potentielles Versteck zu durchsuchen, antwortete der an diesem Abend schon vernichtend geschlagene Herr Wendt schließlich gar nicht mehr.


Die am 12.12.2012 verabschiedete Fassung des DFL-Papiers enthielt die vielgescholtenen Vollkörperkontrollen schließlich nicht mehr, was aber nicht heißt, dass nicht praktiziert werden kann, was nicht ausdrücklich erwähnt wird.

Das dachten sich wohl auch baden-württembergische Beamte, die kürzlich die Businsassen eines Kölner 0815-Fanclubs auf den Verdacht des unerlaubten Sprengstoffbesitzes hin in entwürdigender Art und Weise - ganz ohne Zelte, sondern in der Stadionwache - hochnotpeinlichen Ganzkörperkontrollen unterzogen. Gefunden wurden angeblich vier pyrotechnische Gegenstände, "zwei Marke Eigenbau, zwei aus osteuropäischer Produktion." Darüber, ob auch nur einer der Gegenstände durch die Nacktkontrollen zutage gefördert wurde oder ob diese auch ohne ein solches Procedere hätten gefunden werden können, schweigt sich die Polizei - wen wundert's? - aus. Es heißt schlicht: "Zwei wurden bei Personen gefunden, zwei im Bus", der von den Beamten so gründlich durchsucht wurde, dass die Habseligkeiten der Fans im Nachhinein wild verstreut herumlagen und sogar Sitzpolster beschädigt wurden. Der zum Einsatz gebrachte Drogenspürhund schlug zwar an, gefunden wurde aber nichts.

Ein Schuft, wer Böses dabei denkt?

Völlig ad absurdum geführt wird die Münchener Aktion, wenn man sie der Tatsache gegenüberstellt, wonach an beiden Nürnberger Gerichten (Fürther Straße und Flaschenhofstraße) bei den seit längerer Zeit flughafenmäßig organisierten Einlasskontrollen regelmäßig sicherheitsgefährdende Gegenstände wie Pfeffersprays, Schlagringe, Messer oder gar Pistolen sichergestellt werden - und dies jeweils in einer Anzahl im höheren dreistelligen Bereich pro Jahr. Man wagt kaum zu denken, welcher Gefahr man früher, als die Intensivkontrollen in den Gerichtsgebäuden noch nicht Standard waren, als harmloser Besucher ausgesetzt war?

Vor allem aber zeigt dieser Vergleich, dass ein Stadion nicht als unsicherer anzusehen ist als ein Gerichtsgebäude und jeder andere Ort. Schließlich müssen die in den Gerichtsgebäuden sichergestellten Waffen ja auch irgendwie dorthin transportiert worden sein - möglicherweise sogar mit öffentlichen Verkehrsmitteln. Und wenn schon Gerichtsbesucher, die wissen müssten, dass sie kontrolliert werden, solche Mengen an Waffen dabei haben, möchte man lieber nicht wissen, was der normale Nutzer des ÖPNV mit sich führt. Wo bleibt hier die Forderung nach Vollkörperkontrollen vor Fahrtantritt im Sinne eines "sicheren U-Bahn-Erlebnisses"?

Vollkörperkontrollen für Stadionbesucher erweisen sich somit als ungeeignet und völlig unverhältnismäßig. Sie stellen die Besucher unter einen unbegründeten Generalverdacht und führen keineswegs zu einer noch größeren Sicherheit, als sie ohnehin schon besteht. Oder geht es gar nicht um Sicherheit, sondern um gezielte Schikane gegenüber ganzen Fangruppen, die aus andern Gründen am „Stadionerlebnis“ nicht mehr teilhaben sollen?

Ein Schuft, wer Böses dabei denkt?

Fanfotos 1. FC Nürnberg




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