06.07.2020 - Wuppertaler SV

Insolvenzantrag: WSV-Fans fordern Neuanfang


Der Wuppertaler SV hat am 25. Juni 2020 einen Insolvenzantrag beim Amtsgericht gestellt. Mit der Aktiven Gegengerade Wuppertal haben nun Fans zur aktuellen Situation beim WSV Stellung genommen. Gegenüber den aktuell verantwortlichen Personen beim WSV wird sich in der Stellungnahme skeptisch geäußert.

Wenn es nach der Aktiven Gegengerade Wuppertal geht, soll der Insolvenzantrag als Chance für einen Neuanfang genutzt werden. Die Zeit für eigene Eitelkeiten und Interessen sei vorbei und der Verein dürfe sich nicht von Geldgebern abhängig machen. Deshalb fordern die aktiven Fans, dass Geldgeber beim Wuppertaler SV nicht mehr zu Entscheidungsträgern gemacht werden. Die WSV-Fans werden zudem unter dem Motto „Lieber gar nicht in der Sportschau als ausschließlich durch Negativschlagzeilen“ aufgerufen, nicht zu überzogene Ambitionen zu haben. Bundesligafußball werde es in Wuppertal nach Auffassung Aktiven Gegengerade in nächster Zeit jedenfalls nicht geben. (Faszination Fankurve, 06.07.2020)

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Aktiven Gegengerade Wuppertal:

Liebe Verantwortliche des Wuppertaler Sportvereins, liebe Mitglieder, liebe Fans,

es ist wieder soweit. Sieben Jahre nach der letzten Insolvenz, nur etwa 18 Monate nach der letzten finanziellen Schieflage und der Crowdfunding-Aktion müssen Fans, Mitglieder und am WSV interessierte Menschen um ihren Verein zittern. Wieder einmal geht es um das Ganze, geht es um die Existenz des gesamten Wuppertaler SV. Nach mittlerweile Jahrzehnten des Missmanagements, des Lebens auf zu großem Fuß, der Abhängigkeit von und Anbiederung an einzelne/n Protagonist*innen, nach wiederholtem Trikotsponsoring durch die Fans, „2020“-Konzepten und vielen leeren Versprechungen, musste vergangene Woche erneut Insolvenz angemeldet werden.

Wir bedauern den Verlust von so vielen Menschen, denen der Verein einmal vieles, wenn nicht sogar alles, bedeutet hat und die es irgendwann nicht mehr ertragen konnten, ihr Herzblut, ihre Energie, Kraft und auch Geld in diesen Verein zu stecken. Traurig stimmt uns hier ganz konkret der stetige Abteilungsschwund, unlängst durch den Weggang der Darter und Handballer fortgesetzt. Der stiefmütterliche Umgang mit verdienten Mitgliedern und florierenden Abteilungen erzeugt bei uns Frustration und Unverständnis und macht uns wütend. Ein Wuppertaler Sportverein (und so heißen wir) sollte Anlaufstelle für sportbegeisterte Bürger*innen der Stadt sein und sportartübergreifend Identifikation und Begeisterung schaffen können. Seit Jahren blutet der Verein aus und findet nicht die Kraft für einen wirklichen gemeinsamen Neuanfang. Die Gründe sind vielfältig und reichen von finanziellen Engpässen (teilweise begründet in Altlasten) über wiederholte und eklatante Managementfehler bis hin zu permanenten Unruheherden, die sowohl aus dem Verein selbst kommen als auch von außen in ihn herein getragen werden und wurden.

Wir Fans haben viel investiert und wurden wieder und wieder enttäuscht. Dabei ist viel Vertrauen verloren gegangen. Vertrauen, das den handelnden Personen in der Vergangenheit vielleicht auch zu gutmütig und naiv geschenkt wurde. Verlorenes Vertrauen, das sich auch in den sich stetig lichtenden Reihen innerhalb der Fanszene und der Mitglieder äußert. Daher müssen auch wir uns kritisch hinterfragen – blindes Vertrauen kann nicht der Weg des Wuppertaler SV für eine tragfähige Zukunft sein.

Unser gemeinsames Ziel ist es, den Wuppertaler Sportverein erfolgreich zu konsolidieren. Aus diesem Grund sehen wir uns dazu verpflichtet, die aktuellen Geschehnisse im Verein, kritisch zu begleiten und konsequenterweise auch eine gewisse Skepsis gegenüber den handelnden Personen an den Tag zu legen – insbesondere aufgrund der Erfahrungen in der Vergangenheit. Es gibt eine Vielzahl ehemaliger Gremienmitglieder und Verantwortungsträger*innen, die auch heute noch großen Einfluss auf die Geschehnisse rund um den WSV haben. Auch bei diesen muss ein Umdenken stattfinden.

Wir fordern, aus den Fehlern der Vergangenheit zu lernen und die Insolvenz als Neuanfang zu begreifen. Dazu gehören saubere Schnitte, wo es möglich und sinnvoll ist. Die Handlungsmaxime muss sein, den WSV bestmöglich aus der Krise zu führen und alle Aktionen am Wohl des Vereins auszurichten. Insbesondere als Verantwortungsträger*in ist es nun an der Zeit, eigene Eitelkeiten und Interessen hinten anzustellen. Der Verein darf nicht abhängig von Geldgebenden werden. Geld an sich darf keine Machtlegitimation darstellen, dies zeigt nicht nur die ligaübergreifende Betrachtung der deutschen Fußballlandschaft (HSV, 1860 München, KFC Uerdingen, um nur einige zu nennen), sondern auch ein kurzer Blick in die eigene Vergangenheit. Nur eine saubere Trennung der verschiedenen Vereinsorgane kann hier zum Ziel führen –das bedeutet auch eine Zukunft ohne Doppelfunktionen und Geldgebende in Entscheidungspositionen.

Wir Fans fordern, Ruhe in den Verein zu bringen, Sponsor*innen transparent und aufrichtig mit ins Boot zu nehmen, mit Mitgliedern und Fans offen umzugehen und diese im Rahmen von Mitgliederinformationen und Befragungen demokratisch zu beteiligen. Wir erwarten von den in die Gremien gewählten Personen ein verantwortungsvolles und ein ausschließlich am Wohle des Wuppertaler SV ausgerichtetes Verhalten und entsprechende Offenheit für Wege, die langfristig das Überleben des Vereins sichern und es ermöglichen, eine breite und solide Basis für einen sympathischen und solide geführten Verein zu schaffen.

So bitter es ist, so etwas aussprechen zu müssen: Vielleicht sollte man einmal einen Blick nach Oberhausen wagen. Dort wird seit Jahren solide und ruhige Arbeit geleistet, es gibt keinen großen alleinigen Geldgebenden, der Vorstand kann keine großen Beiträge in den Verein stecken, trotzdem wird nächstes Jahr mit einem Etat von 2,6 Mio € geplant. Auch Oberhausen hat die großen Bundesligastädte in der Nachbarschaft, auch Oberhausen ist sicherlich wirtschaftlich nicht bessergestellt als Wuppertal. Warum es dort klappt? Dort arbeiten alle für den Verein, nicht einzelne Personen stehen im Vordergrund.

So und nicht anders kann es in einem Verein unserer Größenordnung und mit unserem Umfeld funktionieren. Wir wollen und brauchen einen Verein, mit dem wir Fans uns identifizieren können, auf den wir stolz sind und den wir gerne und mit Herzblut unterstützen. Nur so kann es gelingen, die Außenwirkung zu verbessern, indem man den WSV wieder positiv in der Stadt verankert, seiner eigenen sozialen Verantwortung gerecht wird und sich an seinen Mitgliedern, Aktiven und auch an seinen Fans ausrichtet.

Wir brauchen ein mehrheitsfähiges Konzept, das im Sinne der Vereinsideologie von einer breiten Fan- und Mitgliederbasis mitgetragen wird. Luftschlösser und Aktionismus müssen vermieden werden – zu oft haben sie den Verein in missliche Lagen gebracht. Zukünftige Schritte müssen besonnen und im stetigen Diskurs mit Fans und Mitgliedern geplant und sukzessive umgesetzt werden (dazu würde beispielsweise auch eine Ausgliederung nur mit konkretem, transparentem Konzept und breiter Mitgliederakzeptanz und -beteiligung gehören).

Zuletzt müssen auch wir Fans mit unseren Erwartungen und Ambitionen kritisch ins Gericht gehen. Der WSV ist kein Bundesligist und wird es auch in naher Zukunft, womöglich sogar nie mehr, sein. Eine Zukunft hat er nur mit integren und nur dem Verein verpflichteten Menschen, mit einem Gefühl der Verbundenheit mit der Stadt und der Region, mit einem sozialen Engagement für Menschen unserer Stadt, mit einem Gemeinschaftsgefühl der Fans, Mitglieder und Sympathisant*innen, welches auch trägt, wenn es nicht gut läuft. Wir brauchen neben dem Enthusiasmus für den Verein vor allem realistische Erwartungen und Visionen und die (Leidens)Bereitschaft, auch schwierige Zeiten auszuhalten und mit dem Verein durch mögliche kommende Täler zu gehen. Der Profifußball – das hat die Vergangenheit und Gegenwart gezeigt – kann momentan nicht der Maßstab sein. Lieber gar nicht in der Sportschau als ausschließlich durch Negativschlagzeilen. Ein Neuanfang darf nicht durch überzogene Ambitionen auch von uns Fans von vornherein zum Scheitern verurteilt sein.

Long story short:

Lieber in den Spiegel gucken können als in der Sportschau zu sehen sein.

Lieber langsam wachsen als schnell zu Grunde gehen.

Lieber langweilig als Chaos Club.

Lieber diskutieren als gehorchen.

Lieber eine Sache richtig machen, als viele fehlerhaft.

Lieber eine breite Basis als eine einsame Spitze.

Lasst uns gemeinsam unseren WSV retten, es ist wahrscheinlich die letzte Chance.“

Aktive Gegengerade Wuppertal

Fanfotos Wuppertaler SV




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