31.01.2012 - Kein Zwanni

„Kein Zwanni“ vs. Christian Seifert (DFL)


Die Initiative „Kein Zwanni“ hat einen offenen Brief an DFL Geschäftsführer Christian Seifert veröffentlicht, indem die Initiative Seiferts Aussagen zu den Protesten in Hamburg kritisiert. In einem Interview äußerte sich Seifert negativ über die Kampagne.

Faszination Fankurve dokumentiert den offenen Brief von „Kein Zwanni“:

Offener Brief der Initiative \"Fußball muss bezahlbar sein\"

Sehr geehrter Herr Seifert,

wir schreiben Ihnen diesen Brief im Namen der Aktion \"Fußball muss bezahlbar sein\", die sich für faire und zukunftsfähige Ticketpreise in Deutschlands Stadien einsetzt und die - wie Sie ja wissen - u.a. zum Boykott des Spieles Hamburger SV gegen Borussia Dortmund aufgerufen hat.

Es liegt es uns am Herzen, dass DFL und die Bundesliga-Vereine verstehen, dass die Initiative \"Fußball muss bezahlbar sein\" durch die Sorge um die Zukunft des Fußballs getrieben wird. Wie man am Beispiel England erkennt, führt eine überteuerte Preisstruktur letztlich zu einer Überalterung der Fans und wird so zu einer Gefahr für die Vereine und den Sport an sich. Gerade weil Fußball sehr traditionsbehaftet ist, müssen wir heute schon an zukünftige Generationen denken. In diesem Streben sollten sich Fans und Vereins- bzw. Verbandsoffizielle absolut einig sein, auch wenn es bei dem Weg dahin immer wieder auch zu Konflikten kommen kann, ja sogar kommen muss. Das Ringen um den richtigen Weg wird niemals geräuschlos vonstattengehen. Wichtig ist aber, dass diese sachlich ausgetragen werden und man einen respektvollen Umgang miteinander einhält. Wir haben uns niemals diffamierend oder herablassend über Verantwortliche des HSV geäußert und werden das auch weiterhin nicht tun. Wir erwarten das aber auch von den Verantwortlichen.

Mit einer gewissen Irritation haben wir daher Ihre Aussagen in der \"Berliner Morgenpost\" am Donnerstag, 26.01.12, (Online Version) zur Kenntnis genommen, in der Sie sich negativ über unsere Initiative äußern. Zur Klarstellung: Es ist natürlich Ihre Pflicht, sich als Chef der DFL nach außen hinter die Preispolitik Ihrer Mitglieder zu stellen. Trotzdem würden wir uns wünschen, dass Sie hier bei den vorgebrachten Argumenten und Formulierungen fair bleiben.

Als nicht sehr konstruktiv haben wir die von Ihnen überlieferte Aussage empfunden, dass \"diese Minderheit der Mehrheit nicht ihre Meinung überstülpen soll\". Hier erfasst uns eine gewisse Ratlosigkeit. Da verzichten mehrere Tausend Fans auf Karten in Hamburg und mehr als 600 Menschen nehmen Kosten und Mühen für die Reise in die Hansestadt auf sich, um friedlich gegen - eine ihrer Meinung nach - falsche Entwicklung zu protestieren, also einen höchst demokratischen Akt zu vollziehen, so dass wir uns beim besten Willen nicht erklären können, wieso Sie der Meinung sind, dass wir hier jemandem etwas \"überstülpen\". Es wurden keine Fans daran gehindert ins Stadion zu gehen, sondern im Gegenteil ein urdemokratisches Recht in Anspruch genommen, so dass wir uns über eine Begriffsdefinition des Wortes \"Überstülpen\" freuen würden. Nach unseren Erfahrungen ist das auch alles andere als eine Minderheit, die unser Anliegen teilt. Natürlich hat jeder Fußballfan Verständnis dafür, dass Profifußball Geld kostet, aber es dürfen nicht Teile der Gesellschaft vom Volkssport \"Fußball\" abgekoppelt werden. Im Sinne der Gesellschaft, aber auch im Sinne des Fußballs selbst.

Wir sind ein Netzwerk von Fans, das die Vereine als Frühwarnsystem verstehen sollten, wenn sie sich in eine Richtung begeben, die unserer Meinung nach kontraproduktiv ist. Wir sehen aber die Vereine hierbei als Partner und nicht als Gegner an. Denn schließlich sind wir Fans, weil wir den Fußball und unsere Clubs lieben. Wir haben daher natürlich ein Interesse, dass die Bundesligavereine wirtschaftlich gesund sind. Vor diesem Hintergrund empfinden wir Ihre Aussage \"Sollte es Leute geben, die lieber günstiger und dafür in zugigen Stadien mit Aschenbahn sitzen und mittelmäßige Spiele gucken - bitte sehr.\" als populistisch und wenig konstruktiv. Wir fordern ja nicht, dass die Haupttribünenkarte auf Höhe der Mittellinie 7 Euro kostet, sondern dass man genug Karten in günstigen Preiskategorien zur Verfügung stellt. Dass Sie eine große Anzahl von Fans, die bewiesen haben, dass sie kreative Proteste organisieren können, als Ewiggestrige hinzustellen versuchen, lässt durchaus den Schluss zu, dass wir mit unserer Aktion sehr viel erreicht haben.

Wir möchten hier aber auch noch auf den von uns in der Form in keiner Weise zu beanstandenden Teil Ihrer Aussage eingehen, den wir inhaltlich sogar für sehr gut und richtig halten. Die \"Morgenpost\" zitiert Sie mit den Worten \"Wir sind weit entfernt von den Verhältnissen in anderen Ligen\". Da haben Sie in der Tat Recht. Wir sind in der Bundesliga weit weg von einer Situation wie in Italien, wo Fußball sehr oft vor leeren Rängen stattfindet. Und wir sind auch zum Glück weit weg von einer Überalterung der Fanstruktur, wie sie in der englischen Premier League zu finden ist. Und wir fügen hier die Worte \"zum Glück\" an. Denn beide Zustände kann niemand ernsthaft wollen, der den Fußball liebt. Ganz Fußballeuropa, man ist fast geneigt zu sagen: die ganze Welt, schaut auf die Bundesliga. Menschen aus europäischen Nachbarländern, die in Deutschland zu Gast sind, bekommen feuchte Augen, wenn sie unsere Stadionatmosphäre genießen und auch die Offiziellen der EPL schauen immer stärker nach Deutschland, weil sie merken, dass wir etwas haben, was ihnen fehlt. Lassen Sie uns gemeinsam dafür sorgen, dass die Liga dieses besondere Moment nicht verliert.

Wir wissen natürlich, dass die Ticketpreise Sache der Vereine sind, aber wir bieten Ihnen gerne an, in einem persönlichen Gespräch noch einmal unsere Motivation zu erläutern, um mögliche Missverständnisse auszuräumen und gemeinsame Wege zu erläutern.

Mit freundlichem Gruße

\"Kein Zwanni - Fußball muss bezahlbar sein\"






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