01.02.2019 - 1. FC Heidenheim

Kritik an Polizeieinsatz nach Heidenheim-Heimspiel


Am Mittwoch kam es im Nachgang des Heimspiels vom 1. FC Heidenheim gegen Holstein Kiel zu einer umstrittenen Polizeikontrolle. Davon beeinträchtigt waren laut Vereinsangaben etwa 2.000 Fans auf der Osttribüne. Die Polizei nahm die Personalien von 28 Heidenheim-Fans auf. Kritik kommt vom Fanprojekt und vom Verein.

Die großangelegte Kontrolle fand ohne Wissen des 1. FC Heidenheims statt. Die Polizei, die wegen kleineren Vorfällen beim Fußball, wie Pyrotechnik-Vergehen oder Beleidigungen, extra eine Ermittlungsgruppe eingerichtet hat, begründete ihr Vorgehen wie folgt: „Mit einer gezielten Kontrolle mutmaßlicher Gewalttäter hat die Polizei am Rande eines Fußballspiels in Heidenheim am Mittwoch reagiert. Sie will auf diese Weise die Täter von fast 100 Straftaten feststellen. Nach dem Fußballspiel des 1. FC Heidenheim 1846 gegen den KSV Holstein Kiel am Mittwoch kontrollierte die Polizei gezielt die Mitglieder einer Gruppe aus dem Umfeld des Heidenheimer Fußballclubs. Mitglieder dieser Gruppe sollen nach Erkenntnissen der Polizei für eine Vielzahl von Straftaten rund um mehrere Spiele des 1. FC Heidenheim verantwortlich sein. Im Mai wurde im Fritz-Walter-Stadion in Kaiserslautern Pyrotechnik abgebrannt. Bei einem Marsch von etwa 200 Personen Ende November durch Heidenheim wurden aus der Menge heraus Polizeibeamte beleidigt. Zwei Tage später wurde in Voith-Arena in Heidenheim bei einem Fußballspiel ebenfalls Pyrotechnik gezündet. Dazu vermummten sich die Täter. Anfang Dezember waren Mitglieder der Gruppe mutmaßlich in Ausschreitungen am Rande eines Fußballspiels in Sandhausen verwickelt. Aktuell laufen deshalb intensive Ermittlungen der Polizei, um insgesamt rund 80 der Täter noch zu identifizieren. Dazu hat die Polizei eigens eine Ermittlungsgruppe gebildet. Um eine zügige Aufklärung der Taten zu ermöglichen hat die Polizei jetzt zahlreiche Videos ausgewertet, auf denen die mutmaßlichen Täter zu sehen sind. Nach dem Fußballspiel am Mittwoch kontrollierten die Polizisten gezielt Personen aus der Gruppe, die eine Ähnlichkeit mit den Personen auf den Bildern haben, die die Polizei ausgewertet hat. Bei 28 Personen wurden deshalb die Personalien festgestellt. Ein Vertreter der Stadt erteilte ihnen anschließend einen Platzverweis. Dem kamen sie nach. Jetzt werden die gewonnenen Erkenntnisse in die Ermittlungsverfahren eingebracht. Dann soll sich zeigen, ob sich der Verdacht gegen die Kontrollierten erhärtet. Bis ein Ergebnis vorliegt, wird allerdings noch einige Zeit vergehen.“

Das Fanprojekt Heidenheim sieht das Vorgehen der Polizei hingegen kritisch und hat eine Stellungnahme zu der Kontrollaktion verfasst. Die Sozialpädagogen stellen vor allem die Frage nach der Verhältnismäßigkeit des Einsatzes, bei dem 200 Polizisten im Einsatz gewesens sein sollen: „Zum gestrigen Polizeigroßeinsatz der über 2000 Menschen betraf, die das Stadion nach dem Spiel verlassen haben, können wir nur sagen, dass dies aus unserer Sicht in keinem Verhältnis zu den angeblichen Vergehen Einzelner steht. Die komplette Ost- und Südtribüne wurde mit zahlreichen Polizeifahrzeugen und weit über 100 Polizisten, Pferden und Polizeihunden komplett abgesperrt. Selbst Flucht-Tore wurden auf Anweisung der Polizei verschlossen. Über die Zahl von knapp 100 Straftaten waren wir erst mal sehr irritiert und können sie uns nur damit erklären, dass bei einer Pyroaktion im Stadion den jeweils umliegenden 40-50 Personen die Unterstützung der Tat vorgeworfen wird. Die Zahl von 80 Personen die man noch von den Vorfällen in Sandhausen ermitteln muss, ist äußerst abenteuerlich, da wir selber vor Ort waren und bestenfalls von einer niedrigen zweistelligen Anzahl Beteiligter sprechen können. Gewalttäter, die auch vor Angriffen auf die Polizei nicht zurückschrecken, sind uns überhaupt keine bekannt. Als Sozialarbeiter mit den Fußballfans hier in Heidenheim müssen wir uns in diesem Fall vor unsere Fanszene stellen und dem gezeichneten Bild von gewaltbereiten Fußballfans, die vor nichts zurückschrecken, entgegenwirken. Dieses Bild wird immer wieder gerne von Medien aller Art aufgegriffen und ausgemalt, wobei die Zahlen und Fakten etwas Anderes aussagen. Vorverurteilungen, Vorurteile und Unwissen befeuern die Thematik und bewirken das Gegenteil eines friedlichen Fußballspiels. Wir können uns glücklich schätzen, dass die junge Fanszene in Heidenheim im Grundsatz friedlich und kreativ ist. Vergehen die von Einzelnen ausgehen dürfen unserer Meinung nach nicht die Rechtfertigung für ein Vorgehen dieser Art sein. Aus pädagogischer Sicht führt das zu einer Radikalisierung weiterer Fans die sich ungerecht behandelt fühlen. Durch das massive Auftreten vermummter Polizisten in großer Zahl waren auch ganz „normale“ Fans, Jugendliche und Familien betroffen, die dafür auch wenig Verständnis zeigten. Die bedrohliche Kulisse könnte gegebenenfalls auch traumatisierend auf die Beteiligten wirken. Wir sind sehr froh, dass alle betroffenen Besucher sehr besonnen und ruhig reagiert haben und die kontrollierten Fans widerstandslos kooperierten. Wenn man den entstandenen Schaden der angeblichen Straftaten, den 28 kontrollierten Personen und einen Großeinsatz von über 200 Polizisten gegenüberstellt, ist für uns kein Verhältnis erkennbar“, heißt es darin.

Auch der 1. FC Heidenheim hat sich zu den Vorfällen zu Wort gemeldet und zeigt wenig Verständnis für das Vorgehen der Polizei: „Für den FCH steht, wie für die Polizei, der reibungslose und sichere Stadionbesuch aller Zuschauer der Voith-Arena Woche für Woche an oberster Stelle. Gewalt und gefährliches Handeln hat der FCH in der Voith-Arena noch nie geduldet und wird dies auch in Zukunft nicht tun. Die Basis für einen reibungslosen Spieltag ist die regelmäßig stattfindende intensive Vorbereitung mit allen wichtigen Sicherheitsträgern und Netzwerkpartnern, zu welchen die Polizei ganz besonders zählt. Umso überraschter ist der FCH von der Vorgehensweise der Polizei am gestrigen Abend gewesen. Das Fehlverhalten von Einzelnen bei Spielen in der Vergangenheit rechtfertigt aus Sicht des 1. FC Heidenheim 1846, bei allem Verständnis für den Ermittlungsdruck der Behörden, nicht solch ein massives Auftreten gegenüber rund 2.000 Menschen, darunter auch Kinder und Jugendliche. Der FCH bedauert die dadurch entstandenen Unannehmlichkeiten der betroffenen Stadionbesucher und nimmt die zahlreichen Beschwerden von Zuschauern zum Anlass, die Gespräche mit der Polizei und der aktiven Fanszene in vermittelnder Rolle fortzusetzen. Gemeinsames Ziel sollte dabei sein, die im Raum stehenden Vorkommnisse gewissenhaft aufzuklären, damit die Polizei ihre Ermittlungsarbeit abschließen kann. Hierbei muss aus Sicht des FCH jedoch die Verhältnismäßigkeit gewahrt bleiben und es darf keine Vorverurteilung stattfinden. Gleichzeitig bedankt sich der 1. FC Heidenheim 1846 an dieser Stelle für das besonnene Verhalten der von der Personenkontrolle betroffenen Stadionbesucher, insbesondere der unter besonderen Verdacht der Polizei geratenen aktiven Fanszene. Der FCH steht zu all seinen Fans, die Gewalt und gefährliches Handeln im Stadion ebenso wenig dulden und zählt hierzu auch die aktive Fanszene!“ (Faszination Fankurve, 01.02.2019)






Weitere News:
26.10.2020: „Ultras können auch Umweltbewusst!“
07.07.2020: Tumulte am Mannschaftbus von Werder in Heidenheim
29.12.2019: Podcast zu 15 Jahren Fanszene Heidenheim
27.12.2019: Ultras bedankten sich zu Weihnachten bei Pflegekräften
04.09.2019: Heidenheim-Fans fahren in Blau nach Karlsruhe

Alle 39 News anzeigen