12.03.2019 - FC St. Pauli

Mob mit roten Sturmhauben sorgt für Diskussion auf St. Pauli


Das Verhalten einiger Fans des FC St. Pauli am Sonntag beim Derby sorgt weiterhin für reichlich Diskussionsstoff in der dortigen Fanszene. Im Zentrum der Debatte steht eine Gruppe von St. Pauli-Fans, die in der Südkurve mit schwarzen Jacken und roten Sturmhauben auftraten und für eine regelrechte Spaltung am Millerntor sorgten.

Bisher war es im Fanlager des FC St. Pauli Konsens, dass keine geraubten Fanmaterialien und Zaunfahnen gegnerischer Fans präsentiert werden. Auch Ultrà Sankt Pauli als Hauptgruppe der Südkurve stand für diese Linie. Wenn den Ultras des FC St. Pauli in der Vergangenheit mal eine Zaunfahne „in die Hände fiel“, dann wurde diese nicht präsentiert. Zu sehr sieht man sich beim FC St. Pauli bis heute als ein etwas anderer Verein und auch als eine andere Fanszene. Das Präsentieren von geklautem Fanmaterial gilt in der linksgeprägten Fanszene als „Mackertum“ und unpassend für die eigenen Ideale.


In den vergangenen Jahren zeichnete sich jedoch auch auf St. Pauli eine Entwicklung ab, die geprägt war von Gruppen, die bei diesem Thema, aber auch beim Thema Gewalt eine andere Meinung vertraten, als viele andere Fans am Millerntor. So wurde die Gruppe New Kidz Sankt Pauli von Ultrà Sankt Pauli aufgelöst und deren Zaunfahne seitdem nicht mehr am Millerntor gesichtet (Faszination Fankurve berichtete). Doch ehemalige Mitglieder der Gruppe sollten wieder in die Südkurve und den dortigen Wertekonsens integriert werden. Andere Gruppen, wie Rotsport oder Warriorz wurden in dieser Saison mit Angriffen auf HSV-Ultras und auf das Choreografie-Malen des Derbygegners in der Hinrunde in Verbindung gebracht.


Beim Derby am Sonntag wurde deutlich, dass eine Mischung aus diesen und weiteren Leuten durchaus auch im Millerntor-Stadion in Erscheinung treten kann, ohne sich von anderen Fans etwas sagen zu lassen. So wurden im Bereich der mit den roten Sturmhauben vermummten FC St. Pauli-Fans geklaute Fanartikel und Fahnen des HSV präsentiert sowie sich zum Überfall auf die Choreografie-Vorbereitungen der HSV-Ultras in der Hinrunde (Faszination Fankurve berichtete) bekannt. Zudem wurde aus dem gleichen Pulk heraus in der zweiten Halbzeitt Pyrotechnik in Richtung Spielfeld abgefeuert, weshalb der Schiedsrichter sogar mit einem Spielabbruch drohte. Somit war am Sonntag auf St. Pauli nicht nur der Konsens gebrochen, keine geraubten Fanutensilien des Gegners zu präsentieren, sondern auch, dass mit Pyrotechnik verantwortungsvoll umgegangen wird. Beides Probleme, die in anderen deutschen Fanszenen schon häufiger vorgekommen sind, beim FC St. Pauli aber weitestgehend unbekannt waren.


So kam es am Sonntag dazu, dass vor allem von der Gegengerade, die bis dahin nicht gerade durch ihren lautstarken Derby-Support aufgefallen war, Anti-Gesänge in Richtung Südkurve und der Ultras mit einer Lautstärke gerufen wurden. Viele St. Pauli-Fans, die das Verhalten der mit roten Sturmhauben maskierten Fans kritisch sahen, bemängelten jedoch auch die „Wir sind St. Pauli und ihr nicht!“-Rufe und ähnliche Gesänge in Richtung Südkurve und Ultras.


Das Präsidium, der Aufsichtsrat und die Geschäftsführung des FC St. Pauli sahen sich im Nachgang des Derbys genötigt, Stellung zu den Vorfällen zu nehmen. „Die Vorfälle stellen eine Zäsur beim FC St. Pauli dar, spiegelt zum Beispiel das Präsentieren von Fanutensilien des Gegners in keiner Weise den Umgang wider, den wir hier in unserem Stadion in der Vergangenheit gepflegt haben. Auch die Menge an gezündeter Pyrotechnik und das Abfeuern von Leuchtkugeln auf das Spielfeld gehen weit über ein akzeptables Maß hinaus. Aufgrund der Vorfälle werden Form und Inhalt des weiteren Umgangs miteinander und Konsequenzen kritisch diskutiert. Der Verein bietet all denen, die durch die Vorkommnisse im Stadion nachweislich Schaden erlitten haben (z.B. Verunreinigung der Kleidung) oder die Partie aus Sorge vorzeitig verlassen haben, eine Schadensregulierung an“, heißt es in der Stellungnahme des Vereins. Auch der gewählte Fanclubsprecherrat des FC St. Pauli hat sich ähnlich zum Thema zu Wort gemeldet und dabei auch die Gesänge von Teilen der Gegengerade kritisiert: „Es war bisher Konsens, dass das Präsentieren von 'Beute' bei uns nichts verloren hat. Diese Kultur der Darstellung von Gewaltmonopolen sowie das Abfeuern von “Leuchtkugeln auf das Spielfeld“ ist nicht nur völlig sinnbefreit, sondern steht für uns in einem nicht zu duldendem Gegensatz zu einer Philosophie, die Diskriminierung, Unterdrückung und Gewaltverherrlichung nicht akzeptiert. Hier war die Kommunikation an alle Gruppen auch immer eindeutig. Wir verurteilen das Handeln scharf. Es gibt nicht annähernde Mehrheiten für diesen Style und keiner der offiziellen Fanclubs unterschreibt diese 'Performance'. Die Folge war ein Pauschalbrüll, dessen Hall uns noch jetzt irritiert. War es doch schon rein optisch erkennbar, dass weder die gesamte Süd, noch – und auch insbesondere – 'die Ultras' Gesamtverantwortung dafür tragen. Die Südkurve besteht nicht nur aus USP und nicht alle Personen mit einem roten Tuch um den Hals bilden eine homogene Gruppe. Auch darum muss aus den pauschalen Anfeindungen im Stadion ein Dialog mit allen Beteiligten werden.“ Beim FC St. Pauli versucht man die Vorfälle nun intern aufzuarbeiten. Wie sich die Fanszene beim Kiezclub dabei entwickeln wird, bleibt abzuwarten. (Faszination Fankurve, 12.03.2019)

Fanfotos FC St. Pauli




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