13.03.2018 - PAOK Saloniki

Präsident mit Pistole & Abbruch: Versuch einer Einordnung


Das Spitzenspiel PAOK Saloniki gegen AEK Athen wurde am Sonntag abgebrochen. Auch in deutschen Medien war viel von dem Spielabbruch, dem Präsidenten mit der Pistole am Gürtel auf dem Spielfeld und dem anschließenden Abbruch der gesamten Liga zu lesen. Für uns war ein Fotograf vor Ort, der uns seine Eindrücke schilderte.

PAOK-Präsident Ivan Savvidis stürmte am Sonntag nach einer strittigen Schiedsrichter-Entscheidung mit einer Pistole am Gürtel das Spielfeld. Die Bilder davon geisterten auch durch deutsche Medien. Doch das war bei weitem nicht der einzige Skandal rund um das Spitzenspiel PAOK gegen AEK, bei dem es um die griechische Meisterschaft ging. Doch der Reihe nach. Anfangen muss man wohl beim vorherigen Heimspiel von PAOK.


Nachdem der Olympiakos-Trainer Oscar Garcia vor Anpfiff des PAOK-Heimspiels gegen Olympiakos von einer Kassenrolle, die ein PAOK-Fan geworfen hatte, getroffen wurde und sich an der Lippe verletzte, fand das Spiel PAOK gegen Olympiakos gar nicht mehr statt (Faszination Fankurve berichtete).

Zunächst wurde das Spiel 3:0 für Olympiakos gewertet und PAOK sollten drei weitere Punkte abgezogen werden. Zudem sollten die nächsten beiden PAOK-Heimspiele ohne Zuschauer stattfinden. Die PAOK-Fans waren deshalb schon vor dem Heimspiel am Sonntag gegen AEK völlig aufgebracht. PAOK war vor dem Spitzenspiel gegen Olympiakos, das nie angepfiffen wurde, Tabellenerster und hätte zum ersten Mal seit 1985 wieder griechischer Meister werden können. Diese Hoffnungen wurden durch den Olympiakos-Trainer gebremst, dem PAOK-Fans vorwarfen, das die Verletzung an der Lippe zumindest teilweise nicht von der Papierrolle stammten. Überprüfen lässt sich dies nicht.

In der Nacht von Samstag auf Sonntag wurde die Bestrafung für PAOK aber doch noch gelockert. So sollten dem Verein keine drei Punkte mehr abgezogen werden und die Zuschauerausschlüsse wurden ebenfalls zurückgenommen. Plötzlich war PAOK vor dem Heimspiel gegen AEK wieder Tabellenzweiter und hätte mit einem Sieg wieder die Tabellenführung übernehmen können, obwohl das letzte Heimspiel weiterhin für Olympiakos gewertet wurde.

In Thessaloniki machte die Entscheidung die Runde und tausende PAOK-Fans wollten sich nun mit Tickets für das wenige Stunden später stattfindende Spitzenspiel gegen AEK eindecken. Doch PAOK verkaufte in der Nacht keine Tickets mehr und kündigte an, Eintrittskarten für das wichtige Spiel ab 08:30 Uhr am nächsten Morgen zu verkaufen. Am Morgen des Spieltags bildeten sich lange Schlangen an den Kassenhäuschen. Das Spiel war schnell ausverkauft. Gästefans aus Athen waren, wie in Griechenland bei brisanten Spielen üblich, nicht zugelassen. So konnten PAOK-Fans auch in den eigentlichen Gästeblock.


Die aktive Fanszene von PAOK traf sich vor dem Spiel in der Innenstadt. Etwa 600 bis 700 PAOK-Fans wollten in einem Fanmarsch von der Innenstadt aus in Richtung Toumba-Stadion ziehen. Vor dem Marsch fuhren eine Reihe PAOK-Fans auf Motorrollen, die immer wieder die geplante Route vorfuhren, um nach Fans der Stadtrivalen von Aris oder Iraklis Ausschau zu halten. Zudem sorgten die PAOK-Fans auf den Rollern dafür, dass Passanten den Fanmarsch nicht mit ihrem Smartphone filmten. Als der PAOK-Mob in Höhe der Halle von Aris Saloniki auf einen Haufen Polizisten traf, die den Weg zu der Halle absperrte, in der Aris seine Basketball-Heimspiele austrägt, kam es zu teils heftigen Auseinandersetzungen zwischen PAOK-Fans und der Polizei. Die PAOK-Fans gingen dabei mit vorbereiteten Molotowcocktails und Brandsätzen gegen die Polizisten vor, die mit Tränengas antworteten. Mindestens ein Auto soll dabei in Flammen aufgegangen sein. Zu Festnahmen soll es nicht gekommen sein, weshalb es alle beteiligten PAOK-Fans auch ins Stadion geschafft haben dürften.


Im Stadion sorgten die PAOK-Fans anschließend, wie so oft, für ohrenbetäubenden Lärm und eine lautstarke Unterstützung ihrer Mannschaft. Das Spitzenspiel blieb lange torlos, bis PAOK in der 90. Spielminute nach einem Eckball ein Tor erzielte. Der Schiedsrichter gab den Treffer zunächst, revidierte diese Entscheidung aber kurze Zeit später. Auf dem Rasen spielten sich anschließend tumultartige Szenen ab, an denen Spieler und Vereinsoffizieller beider Vereine beteiligt waren. Nicht beteiligt waren der Trainer und der Co-Trainer der Gäste aus Athen, da diese zuvor schon auf die Tribüne geschickt wurden. Wie zahlreiche Kameras belegten, lief der schwerreiche PAOK-Besitzer Ivan Savvidis auf das Spielfeld. Auch seine Leibwächter konnten ihn nicht aufhalten. Er soll den Schiedsrichter verbal bedroht und die PAOK-Spieler aufgerufen haben, das Spiel nicht zu beenden, falls das Tor nicht gelten würde. Savvidis trug während seines Ausflugs auf das Spielfeld eine Pistole an seinem Gürtel bei sich, wie zahlreiche Fotos belegen.

Das Chaos auf dem Feld dauerte mehrere Minuten. Die AEK-Spieler verließen daraufhin das Spielfeld und gaben an, sich bedroht zu fühlen. Von PAOK-Seite wurde versucht zu verhindern, dass die Gästemannschaft das Spielfeld verlässt.

Im Stadion gab es währenddessen keinerlei Informationen für die Fans, wie es nun weitergehen soll. Von einem Spielabbruch wurde nichts berichtet. Über eine Stunde, nach der strittigen Abseitsentscheidung verließen die PAOK-Fans nach und nach das Stadion, weil die Hoffnung schwand, dass das Spiel nochmal angepfiffen wird. Etwa zwei Stunden nach der strittigen Situation soll der Schiedsrichter laut griechischen Medienberichten in die Kabinen beider Teams gegangen sein und entschieden haben, das Spiel fortzusetzen und das Tor für PAOK doch zu geben. Daraufhin sollen die AEK-Spieler sich geweigert haben, das Spiel zu Ende zu spielen.


Die Folgen des Spielabbruchs waren, dass der stellvertretende Kultur- und Sportminister Georgios Vassiliadis für die Regierung von Ministerpräsident Alexis Tsipras erklärte, dass die griechische Liga auf unbestimmte Zeit ausgesetzt wird und vorerst nicht mehr gespielt wird. Erst wenn sich alle Vereine auf gemeinsame Regeln festgelegt hätten, wie es mit dem griechischen Fußball weiter gehen soll, könne die Liga fortgesetzt werden. Nach den Vorfällen der letzten Wochen scheint eine Einigung zwischen den mächtigen Vereinsbesitzern von PAOK, AEK und Olympiakos, die zu den reichsten Personen in Griechenland zählen, kaum möglich.

PAOK-Präsident Ivan Savvidis wird seit gestern von der Staatsanwaltschaft per Haftbefehl gesucht. Via Vereinshomepage von PAOK entschuldigte er sich bereits für das Betreten des Spielfeldes, erklärte jedoch, dass er niemanden bedrohen, sondern lediglich die Situation beruhigen wollte. Unverständnis äußerte Savvidis jedoch über den Schiedsrichter, der seine Entscheidung mehrfach revidierte und über die aktuelle Situation, in der sich der griechische Fußball befindet.


Ob das Tor am Sonntag in der 90. Minute nun abseits war oder nicht, ist dabei eigentlich eher nebensächlich. Problematisch ist, dass in Griechenland ein System vorhanden ist, in dem kaum noch jemand an die vorhandenen Instanzen im Fußball glaubt.

Die PAOK-Fans denken, dass am Ende sowieso Olympiakos Meister wird (Olympiakos wurde seit 1998, außer in den Jahren 2004 und 2010, in jeder Saison Meister). In dieser Saison lief es hingegen gut für PAOK, doch dann kamen die Heimspiele gegen Olympiakos und AEK, die abgesagt und abgebrochen wurden. Das Spitzenspiel PAOK gegen Olympiakos wurde abgesagt, weil der Olympiakos-Trainer eine Wunde an der Lippe hat und das PAOK gegen AEK-Spiel bekam dadurch noch mehr Brisanz. Hinzu kam am Sonntag ein Schiedsrichter, der das Tor zuerst gibt, dann doch nicht und zwei Stunden später erneut seine Entscheidung revidiert haben soll. Von einem Clubbesitzer, der als einer der einflussreichsten Männer in Griechenland gilt und mit einer Pistole bewaffnet auf das Spielfeld rennt, braucht man da gar nicht mehr zu reden, um zu dem Schluss zu kommen, dass dem griechischen Fußball eine Pause vielleicht sogar ganz gut tun könnte. Die Fans, die vor dem Spiel mit vorbereiteten Molotowcocktails auf Polizisten warfen, haben in Griechenland noch nicht mal für einen Skandal gesorgt. Zu sehr scheint man sich dort schon an solche Bilder gewöhnt zu haben. Das Gästefans bei diesen Entwicklungen in Griechenland weiterhin verboten bleiben, scheint da nur die logische Konsequenz zu sein. (Faszination Fankurve, 13.03.2018)

Fanfotos PAOK Saloniki




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