17.05.2021 - Dynamo Dresden

„Schwerste Auseinandersetzungen seit über 10 Jahren“


Nachdem es am gestrigen Nachmittag in Dresden zu stundenlangen Ausschreitungen zwischen Dynamo-Fans und der Polizei kam (Faszination Fankurve berichtete), haben die Schwarz-Gelbe Hilfe, das Fanprojekt Dresden und die Polizeidirektion Dresden Stellungnahmen zu den Vorfällen veröffentlicht.

Die Schwarz-Gelbe Hilfe aus dem Fanlager von Dynamo Dresden spricht von den „schwersten Auseinandersetzungen zwischen Anhängern der SG Dynamo Dresden und der Polizei seit über 10 Jahren“, das Fanprojekt Dresden ruft „alle Seiten und Akteure“ auf, „sich kritisch mit der eigenen Verantwortung für diese Situation auseinanderzusetzen“ und Polizeipräsident Jörg Kubiessa sprach von „erschreckenden Szenen rund um das Rudolf-Harbig-Stadion“.

Die Gelb-Schwarze Hilfe stellt in der eigenen Stellungnahme klar, dass es ihr nicht um Schuldzuweisungen gehe und man keine Straftaten, Angriffe auf Menschen oder Sachbeschädigungen billigen oder verharmlosen wolle. Wie es gestern zur Eskalation in Dresden kam, beschreibt die Schwarz-Gelbe Hilfe aus eigener Sicht wie folgt: „Die, für den späteren Tagesverlauf entscheidenden Szenen, spielten sich Mitte der zweiten Halbzeit ab. Die Stimmung euphorisch, Gesänge werden lautstärker als sonst angestimmt und auch eine Vielzahl von pyrotechnischen Gegenständen entzündet. Zwischen dem ehemaligen Trainingsgelände und dem Ausgang Torwirtschaft entsteht eine unübersichtliche Situation, pyrotechnische Gegenstände landen in der 'Verbotszone' vor dem Stadion. Anstatt diese, schon weit vorher außer Kontrolle geratene Gesamtsituation, erneut auszusitzen, entscheidet sich die Polizei nun zum großen Gegenangriff zu blasen. Polizeihundertschaften versuchen die vorher größtenteils friedliche Menschenmenge auseinanderzutreiben, um einigen Wenigen Herr zu werden. Es folgt die große Eskalation. Die, in den Tagen zuvor vernachlässigte Situation, explodiert. In einem, für die Einsatzkräfte unwegsamen und unübersichtlichen Gelände folgen nun Jagdszenen, das große Katz-und-Maus-Spiel beginnt. Flaschen und pyrotechnische Gegenstände fliegen. Die Polizei antwortet mit Pfefferspray, Wasserwerfereinsatz und Unmengen an Tränengas. Viele zuvor völlig friedlich-feiernde Dynamofans solidarisieren sich daraufhin gegen die Polizei. Durch die Weite des Großen Gartens erfolgt nun der Abstrom der aufgebrachten Masse Richtung Straßburger Platz und Cockerwiese. Während im Stadion sich die Bierduschen gegeben werden, folgen außerhalb mehrere Stunden Straßenschlacht. Während das mobile Fahrzeug des Dynamo-Fanshops die Aufsteiger-Shirts verkauft, räumt unmittelbar daneben der Räumpanzer die Barrikaden von der Straße. Während Pressevertreter krankenhausreif geschlagen werden, 'dokumentieren' bundesweit bekannte 'Querdenker' im Schutze der Polizei. Erst mit dem Zurückdrängen der randalierenden Masse über den Straßburger Platz kehrt nach 18 Uhr weitesgehend Ruhe ein. Das Ergebnis dieses Tages sind unzählige, teilweise schwerverletzte Menschen, ein großer Sachschaden, viele Ingewahrsahmnahmen und eine Aufstiegsfeier, die so sicherlich keiner haben wollte. In unseren Köpfen sind noch viele offene Fragen, die es zu beantworten gilt. Viele Gerüchte müssen verifiziert werden. Wir versuchen diesen Tag, auch diesmal, für die Fanszene der SG Dynamo Dresden aufzuarbeiten, sei es mit parlamentarischen oder juristischen Möglichkeiten“, so das Fazit der Fanhilfe aus Dresden.

Vom Fanprojekt Dresden heißt es hingegen: „Aktuell werten wir die Vorkommnisse vom Aufstiegsspiel der SG Dynamo Dresden rund um das Rudolf-Harbig-Stadion aus. Es hat dazu bereits am heutigen Montag ein Treffen mit den Geschäftsführern und Angestellten der SGD sowie der Stadion Dresden Projektgesellschaft stattgefunden. Wir setzen darauf, dass in den kommenden Tagen weitere Gespräche u.a. mit der Landeshauptstadt Dresden und der Polizei folgen werden. Festhalten lässt sich bereits jetzt, dass die Auseinandersetzungen rund um den Spieltag – wozu wir auch explizit Angriffe auf Journalistinnen und Journalisten zählen – noch lange nachwirken werden und absolut inakzeptabel sind. Gleichzeitig heißt es nun, dass die Fehler, die zu dieser Dynamik geführt haben, erkannt und besprochen werden müssen. Hier sind alle Seiten und Akteure gefragt, sich kritisch mit der eigenen Verantwortung für diese Situation auseinanderzusetzen. Wir als Fanprojekt Dresden e.V. haben dies für unseren Aufgabenbereich bereits begonnen. Wir wünschen allen verletzten Personen – egal ob Fan, Polizistin oder Journalist – gute Besserung!“.

Die Polizeidirektion Dresden zog ihr Fazit bereits am Sonntagabend. Zum Ursprung der Eskalation heißt es von der Dresdner Polizei: „Gegen 15:30 Uhr bewarfen Gewaltbereite unvermittelt Polizeibeamte und deren Fahrzeuge an der Lennéstraße mit Pyrotechnik. Dabei versuchten die Angreifer auch die Polizeiabsperrung in Richtung Stadion zu durchbrechen. Wenig später wurden die Polizisten im Großen Garten wiederholt und massiv mit Pyrotechnik sowie Flaschen beworfen und gezielt attackiert. Die Beamten mussten von der Mehrzweckpistole Gebrauch machen um Reizstoffe einzusetzen. Auch Wasserwerfer wurden zum Einsatz gebracht. Später stellten sich zahlreiche Gewaltbereite den Polizeibeamten auf der Lennéstraße entgegen und bewarfen diese erneut mit Pyrotechnik, Flaschen und Steinen. Auch knapp zwei Stunden nach dem Ende der Fußballbegegnung dauerten die Angriffe auf Polizeibeamte auf der Lennéstraße an. Gegen 18:00 Uhr entspannte sich die Situation rund um das Rudolf-Harbig-Station. Aktuell hat die Polizei 17 Ermittlungsverfahren unter anderem wegen schweren Landfriedensbruch, Körperverletzung, Sachbeschädigung und den Verstoß gegen das Sprengstoffgesetz eingeleitet. Im Zusammenhang mit dem Einsatz sind bislang 30 Personen ins polizeiliche Gewahrsam genommen worden. Im Verlauf des Einsatzes sind Medienvertreter attackiert worden. So wurde ein Kamerateam auf der Hauptallee weggestoßen. Ein Medienschutzteam der Dresdner Polizei griff sofort ein. Später konnte ein Tatverdächtiger bekannt gemacht werden. Gegen den 38-jährigen Deutschen wird wegen Körperverletzung ermittelt. Weiterhin ist ein 17-Jähriger auf der Lennéstraße von Unbekannten geschlagen und getreten worden. Der junge Mann war dort mit einem Fotoapparat unterwegs und dokumentierte die Situation. Auch er war möglicherweise journalistisch tätig. Die Polizei bittet möglich andere betroffene Journalisten, sich zu melden und Anzeige zu erstatten. Während des Einsatzes sind mindestens ein Dutzend Polizeifahrzeuge beschädigt worden. An den Fahrzeugen wurden unter anderem die Reifen zerstochen und die Spiegel abgetreten. Abschließende Schadensangaben stehen aus.“


Der Leiter der Polizeidirektion Dresden, Polizeipräsident Jörg Kubiessa (56) stellte am Abend fest: „Die erschreckenden Szenen rund um das Rudolf-Harbig-Stadion haben gezeigt, dass die Deeskalationsstrategie der Polizei nur dann funktioniert, wenn beide Seiten das auch wollen. Wir haben bis 15:30 Uhr ganz klar auf Kommunikation gesetzt. Als dann aber mindestens 500 Gewaltbereite unsere Polizeibeamten im Großen Garten unvermittelt und massiv mit Pyrotechnik, Flaschen sowie Steinen angriffen, fand diese Strategie zwangsläufig ihr Ende. Es ist bedauerlich, dass der sportliche Erfolg der SG Dynamo Dresden von diesen bestürzenden Bildern überschattet wird.“ (Faszination Fankurve, 17.05.2021)

Update: Unter der Überschrift „Wir verurteilen diese Gewalt auf das Schärfste“ hat sich auch die Dynamo Dresden zu den Vorfällen am Sonntag zu Wort gemeldet und erklärt, dass man nach dem Spiel gegen Türkgücü direkt mit der Aufarbeitung der Vorfälle begonnen habe. „Nach der heutigen ersten internen Analyse werden wir im nächsten Schritt mit unseren Netzwerkpartnern für Ordnung und Sicherheit die Aufarbeitung der Vorkommnisse unmittelbar fortsetzen. Dabei geht es auch um die Kommunikation sowie Verhältnismäßigkeit der Gefahrenabwehr vor und während des Spieltags, um zu verstehen, wie aus der zunächst friedlichen Ansammlung von Dynamo-Fans erst eine kollektive Enthemmung und im weiteren Verlauf extreme Eskalation entstehen konnte. Fest steht schon jetzt: Es wurden Fehler gemacht – und zwar auf allen Seiten. Ansonsten wäre es nicht zu einer derart gewalttätigen Auseinandersetzung gekommen“, erklären die Geschäftsführer von Dynamo Dresden einen Tag nach den Vorfällen.

Fanfotos Dynamo Dresden




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