12.10.2011 - FC St. Pauli

Ultrà Sankt Pauli für antirassistische Arbeit ausgezeichnet


Die Ultras des FC St. Pauli haben den Hans-Frankenthal-Preis der Stiftung Auschwitz-Komitee erhalten und wurden dabei von der Stiftung insbesondere für die Arbeit im Alerta Netzwerk gelobt.

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung des Komitees, sowie deren Gutachten über USP:

Der Hans-Frankenthal-Preis

Entsprechend der Stiftungssatzung vergibt die Stiftung Auschwitz-Komitee einmal im Jahr einen Förderpreis - den Hans-Frankenthal-Preis.

Vorgeschlagen werden oder sich bewerben können Gruppen, Initiativen und Institutionen, die im Sinne des Auschwitz-Komitees Aufklärungs- und Bildungsarbeit gegen das Vergessen und gegen nationalsozialistische und neofaschistische Bestrebungen leisten.

Durch den Preis soll entweder ein bereits durchgeführtes Projekt gewürdigt werden und den InitiatorInnen die Möglichkeit gegeben werden, weitere Projekte dieser Art durchzuführen bzw. das gewürdigte Projekt zu wiederholen, oder es soll ein geplantes Projekt durch die Vergabe des Förderpreises ermöglicht werden.

Die Preisträger_innen für den Hans-Frankenthal-Preis 2011:

Heideruh e.V., Wolfram P. Kastner und Ultrà St. Pauli erhalten zu gleichen Teilen den Preis.

Gutachten zur Bewerbung der Gruppe Ultrà Sankt Pauli mit ihrem

Projekt der Arbeit im „Alerta-Netzwerk“ zum Hans Frankenthal Preis 2011

1)Die Gruppe Ultrà Sankt Pauli (USP)

Die Gruppe ist eine Fanorganisation im Umfeld des Fußball Club Sankt Pauli von 1910 e.V.. Gegründet im Jahr 2002 war das vorrangige Ziel eine kontinuierliche Unterstützung der Mannschaft des FC St. Pauli. Durch politisierte Mitglieder auf der einen und der Notwendigkeit Position bei neofaschistischen Großveranstaltungen und Demonstrationen zu beziehen auf der anderen Seite, entwickelte sich USP bald zu einer Antifaschistischen / Antirassistischen Fangruppierung. Neben interner politischer und historischer Bildungsarbeit (regelmäßige Besuche der KZ-Gedenkstätte Neuengamme und Gesprächsrunden mit Überlebenden nationalsozialistischer Verfolgung) entstand die Idee eines Antirassistischen Fußballturniers. Hierbei ist es USP gelungen, neben Fußballteams aus antirassistischen und antifaschistischen Gruppierungen aus verschiedenen Städten Europas auch Teams aus Flüchtlingsunterkünften und Lagern für Asylbewerber_innen „auf den Platz“ zu bringen. Durch die jährliche Ausrichtung dieses Turniers, alle zwei Jahre durch USP, ist es gelungen die staatlich gewollte Isolierung von Flüchtlingen und Asylsuchenden wenn nicht zu durchbrechen so doch zumindest kontinuierlich zu stören und die Teilnehmer_innen und Besucher_innen für den Umgang der Bundesrepublik Deutschland mit Menschen auf der Flucht und der Suche nach Asyl zu sensibilisieren. USP ist beständig darum bemüht, die Fans des FC St. Pauli zu politisieren bzw. an politische Traditionen der St. Pauli Fanszene anzuknüpfen. So hat USP unter anderem im und um das Stadion über Neonaziaufmärsche informiert und zur Teilnahme an den antifaschistischen Gegenaktionen aufgerufen, diese wurden zum Teil von USP in erheblichem Maße mitorganisiert. Die Gruppe ist federführend an Aufbau und Weiterentwicklung des Alerta-Netzwerks beteiligt und übernimmt dort einen Großteil der organisatorischen Arbeit.

2) Das Projekt „Alerta-Netzwerk“

Im Jahr 2007 wurde im Rahmen des Antirassistischen Fußballturniers (Antira) das Alerta- Netzwerk gegründet. Das Netzwerk ist ein Zusammenschluss Antifaschistischer Fangruppierungen, inzwischen sind 15 Fangruppen aus verschiedenen Ländern Europas und Israel in diesem Netzwerk vereint. Vor dem Hintergrund rassistischer, antisemitischer und sexistischer Äußerungen und Stimmungsmache in vielen nationalen und internationalen Fankurven wuchs die Erkenntnis, dass hier politische Intervention notwendig ist. Im Umfeld vieler Fußballvereine organisieren sich Menschen mit neofaschistischer, rassistischer und anders menschenverachtenden Überzeugungen um zu Hetzen aber auch um rassistisch oder sexistisch motivierte Überfälle und körperliche Gewalt gegen vermeintlich Linke, Migrant_innen, Homosexuelle oder Fangruppen anderer Vereine aus zu üben. Auch nutzen neonazistische Organisationen gezielt Fangruppen zur Verbreitung ihrer Überzeugung und zur Gewinnung neuer Mitglieder. Dies spielt sich nicht im Verborgenen ab sondern wird häufig durch Sprechchöre und Transparente offen und aggressiv in den Stadien und deren Umfeld propagiert. Hierzu leisten die Mitgliedsgruppen des Netzwerks eine ausführliche Dokumentationsarbeit. Diese beinhaltet unter anderem zahlreiche Fotos von Transparenten und Spruchbändern mit offen rassistischen, sexistischen und neofaschistischen Anfeindungen und Verhetzungen. Das Alerta-Netzwerk schafft einen Austausch zwischen antifaschistischen und antirassistischen Fangruppen, lädt gegenseitig zu selbstorganisierten Treffen mit politischem Bildungsprogramm und zur Verabredung gemeinsamer politischer Aktionen ein. Hierbei sind neben dem jährlichen „Antira-Fußballturniers“ vor allem die Action-Days zu erwähnen. Alle im Netzwerk vertretenen Gruppen verabreden sich zu bestimmten Tagen, meist zwei bis drei Mal im Jahr, in den jeweiligen Stadien mit öffentlichkeitswirksamen Aktionen auf Themen aufmerksam zu machen und sich zu positionieren. An diesen Tagen wird in den bis zu fünfzehn Stadien während des Spiels mit Sprechchören, großen Transparenten, Fankurvenbildern (über den Kopf gehaltene Pappen die in der Masse ein riesiges Spruchband oder Bild darstellen) oder einstudierten Performences auf die rassistische europäische Flüchtlingspolitik aufmerksam gemacht, gegen Frauenfeindlichkeit und Homophobie protestiert oder zu antifaschistischen Aktionen mobilisiert. Ein weiterer Schwerpunkt der Arbeit des Netzwerks ist die Unterstützung von Fans, die sich in ihren Städten und im Umfeld „ihrer“ Fußballvereine einer großen Anzahl Rechter gegenübersehen und dem entgegenwirken wollen. So leistet das Netzwerk zur Zeit vor allem in Osteuropa Hilfe beim Aufbau Antirassistischer Fangruppen. Um sowohl die Vernetzungsarbeit, als auch die Öffentlichkeitsarbeit zu vereinfachen und wirksamer zu gestalten und darüber hinaus einen einfachen Zugang für neue Interessierte zu den einzelnen Mitgliedsgruppen zu schaffen, plant USP eine Homepage des Alerta-Netzwerks zu erstellen. Das Preisgeld aus dem Hans Frankenthal Preis würde neben der Bezuschussung von Fahrtund Materialkosten für die Vernetzungs- und Unterstützungsarbeit und die Action-Days vor allem zur Schaffung eben dieser Internetpräsenz des Netzwerks verwendet. Aber auch Abseits des Geldpreises wäre die Auszeichnung mit dem Hans Frankenthal Preis für das Alerta- Netzwerk im allgemeinen und USP im speziellen von großer Bedeutung da sich im Umfeld vieler Fußballvereine und Stadien die Überzeugung hält, das die Mitglieder des Netzwerks Auseinandersetzungen erst provozieren – nach dem Motto „Solange die Neonazis hier

unwidersprochen agieren konnten war es ruhiger“.

3) Nachhaltigkeit

Seit fast zehn Jahren engagieren sich USP, aber auch andere Gruppen des Netzwerks in „ihren“ Stadien antifaschistisch und antirassistisch, Das Netzwerk selber hat mit fast fünfjähriger Arbeit Kontinuität bewiesen. Gerade im Umfeld von Fußballspielen sind viele, vor allem jüngere Menschen anzutreffen, die durch herkömmliche antifaschistische Öffentlichkeitsarbeit nicht erreicht werden. Durch die Schaffung einer Internetpräsenz wäre der Zugang Interessierter zu den Mitgliedsgruppen erleichtert und den Fortbestand gesichert. Hilfestellungen und Unterstützung für antifaschistische Fußballfans außerhalb des jeweiligen regionalen Bereichs der bestehenden Gruppen würde hierdurch ermöglicht. Mit der Vergabe des Hans Frankenthal Preis an USP für ihre Arbeit im Alerta-Netzwerk würde eine Gruppe unterstützt werden von der zu erwarten ist, dass auch in Zukunft Antifaschismus, Antirassismus und Antisexismus einen festen Platz im Fußballstadion hat.

4) Inhaltliche Kriterien

Mit der kontinuierlichen und sichtbaren Anwesenheit als Antifaschistische/Antirassistische Fangruppe in den Fußballstadien wirken die Mitgliedsgruppen des Alerta-Netzwerks als Multiplikatoren antifaschistischer Bildungsarbeit in einer für diese ansonsten schwer zu erreichende Zielgruppe. Gleichzeitig agieren sie als Antifaschist_innen in dem ansonsten eher theoretisch betrachtetem Feld „Rechte Propaganda und Gewalt im Fußballstadion.“

Fanfotos FC St. Pauli




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