20.12.2006 - SSV Reutlingen

Unmut nach Polizeieinsatz


Aufgrund des Polizeieinsatzes gegen Fans des SSV Reutlingen vor dem Spiel bei den Amateuren des VfB Stuttgart vor ein einigen Wochen hat sich die Reutlinger "Szene E" nun in einer Pressekonferenz an die Öffentlichkeit gewendet. Fans und auch Vereinsvertreter äußerten ihren Unmut über die Behandlung der Gästefans durch die Polizei. Wie zu erfahren war, hat der Polizeieinsatz rund 40 000 Euro gekostet.

Das Spiel VfB Stuttgart II gegen den SSV Reutlingen sollte aus Sicht der Fans eigentlich ein entspannter Tag werden. Zwischen der Reutlinger Szene E und dem Stuttgarter Commando Cannstatt bestehen freundschaftliche Kontakte, sodass im Vorfeld keinerlei Probleme zu befürchten waren und nach dem Spiel sogar eine gemeinsame Feier geplant war. Als die 150 mit dem Zug angereisten Reutlinger Fans am Cannstatter Bahnhof ankamen, sahen sie sich einer Hundertschaft Polizisten inklusive berittenen Beamten und Kamerawagen gegenüber. „Die Polizei kesselte die Fans ein und kündigte an, dass bei jedem Fan eine Leibesvisitation und Personalienkontrolle vorgenommen wird“ erzählt Fabian Maier von der Szene E. Abgesehen von der Tatsache, dass die Zeit bis zum Anpfiff nicht gereicht hätte, um alle 150 Personen bei den verbleibenden 40 Minuten und der noch bevorstehenden Wegstrecke bis zum Stadion zu kontrollieren, entschied sich ein Großteil der Reutlinger Fans, sich wieder auf den Heimweg zu machen, um ein Zeichen gegen den ihrer Meinung nach übertriebenen Polizeieinsatz zu setzen. „Wir entschlossen uns, gleich mit dem Zug zurückzufahren und das A-Jugend-Spiel gegen den SSV Ulm zu besuchen. Viele Polizisten begleiteten uns und standen auch beim Jugend-Spiel an der Seite. Das war einfach unbegründet, eine solche Aktion zu starten“, so Fabian Maier. Selbst beim A-Jugend-Spiel wurden die Polizei-Bewachung und das Filmen der Fans aus nächster Nähe fortgesetzt, sodass sogar der Linienrichter die Polizei mehrfach bitten musste, den nötigen Abstand zum Spielfeld einzuhalten.

Die Vereinsverantwortlichen stellten sich bei der Pressekonferenz hinter die Fans. Bereits unmittelbar nach dem Spiel meinte SSV-Trainer Peter Starzmann: „Wir haben über zwei Jahre viel Zeit in Gespräche investiert, es blieb alles friedlich. 150 bis 200 Fans sollen eingekesselt worden sein, das verstehe ich nicht, denn bisher haben sie sich toll verhalten, unterstützten uns fair und laut, einfach vorbildlich. Ich weiß nicht, ob so etwas nötig ist.“ Die Polizei sieht die Sache allerdings anders. Der Einsatz sei laut Polizei gerechtfertigt gewesen wegen des Verdachts auf pyrotechnische Gegenstände. Man fand auch bei einem mitfahrenden Reutlinger – offenbar keinem Fan – sechs Chinakracher. Laut Jörg Arnold vom SSV-Präsidium sei der Einsatz aber „total überzogen“ gewesen. „Wenn die Polizei massiv eingreift, gibt es dafür Gründe. Der Polizei lagen Erkenntnisse vor, nach denen Auseinandersetzungen geplant waren“, entgegnete Landespolizeipräsident Erwin Hetger gegenüber einer Reutlinger Tageszeitung. Beim Verein und bei den Fans stößt diese Aussage auf Unverständnis. „Es gab mal kleinere Probleme mit Leuten am Rande der Szene E, aber es kam nie zu gewalttätigen Auseinandersetzungen. Es konnte uns auch keiner sagen, woher die Erkenntnisse kamen“, meinte Peter Kappler, Sicherheitsbeauftragter des SSV, bei der Pressekonferenz. Auch Fabian Maier von der Szene E verdeutlichte anhand einer Diashow, dass Auseinandersetzungen aufgrund der Freundschaft der Fans ausgeschlossen sind. Bei der Diashow war unter anderem ein Foto eines Spruchbands der Stuttgarter zu sehen mit der Aufschrift „Unsere Freundschaft übersteht jede Repression – Niemals aufgeben Szene E“. „Wir wollten zum VfB, das sind unsere Freunde. Das ganze kann ich nicht nachvollziehen“, so Maier. Die Stuttgarter und Reutlinger Polizei, die ebenfalls zu der Pressekonferenz eingeladen waren, blieben dieser fern.

Beim letzten Heimspiel des Jahres gegen Ingolstadt protestierten die Reutlinger Fans aufgrund der Vorkommnisse in Stuttgart im Stadion. Alle Fahnen hingen verkehrt herum, und die ersten 19:05 Minuten (gemäß des Vereins-Gründungsjahres 1905) ließ die Szene E ihren Block E leer. Danach betraten die Anhänger geschlossen das Stadion und feuerten ihren Verein lautstark an. Die Aktion der Fans wurde auch von den restlichen Zuschauern im Kreuzeiche-Stadion mit Applaus quittiert. Und auch die Mannschaft zeigte mit dem Transparent „Für fairen Umgang mit den Fans“, wie gut das Verhältnis zwischen Verein, Mannschaft und Fans in Reutlingen ist. (Faszination Fankurve/Harry Leif)






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