27.08.2013 - FC Hansa Rostock

„Versachlichung der ganzen Debatte um Gewalt“


Im Interview mit Faszination Fankurve erklärt die Blau-Weiß-Rote Hilfe (BWRH), wie sie Fans von Hansa Rostock bei Problemen mit Polizei und Justiz hilft. Die BWRH hilft auch bei Problemen mit den Eltern und unterstützt Hansa-Fans im Gefängnis.

Faszination Fankurve: Seit wann gibt es bei euch eine Rechtshilfegruppe und wie kam es zur Gründung der Gruppe?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Einzelpersonen aus der aktiven Fanszene, die sich um diese Themen gekümmert haben, gab es schon länger. Nachdem wir Ende des letzten Jahres unsere ersten Treffen hatten, haben wir uns dann im Frühjahr diesen Jahres offiziell gegründet. Die Grundidee dabei war schon auch etwas ähnliches wie die Rot-Schwarze Hilfe aus den Angeln zu heben.

Faszination Fankurve: In welchen Fällen konntet ihr schon helfen, beziehungsweise was würdet ihr als euren größten bisherigen Erfolg bezeichnen?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Wir konnten schon in einigen Fällen helfen und etwas bewegen. Was davon unser größter Erfolg war, lässt sich aber nur schwer bewerten. Witzigerweise könnte man aber wahrscheinlich sagen, dass das nachträgliche Angehen gegen den Präventivgewahrsam eines Hansafans vor dem Spiel gegen st. pauli am 19. November 2011 und den Gewahrsam von ca. 150 Personen am Abend unserer Saisonabschlussfahrt in Düsseldorf 2010 sowie die Gerichtsurteile, die diese Maßnahmen als rechtswidrig erklärten, unsere größten bisherigen Erfolge waren. Also Fälle, die bereits vor unserer offiziellen Gründung angegangen wurden.

Faszination Fankurve: In welcher Situation konntet ihr gar keine Hilfe leisten?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Vollkommene Ratlosigkeit kam bei uns bisher eigentlich noch nicht vor. Auch wenn es oftmals einem Kampf „David gegen Goliath“ gleicht, versuchen wir immer zur Seite zu stehen und uns gegen Unrecht zu wehren. Dabei gibt es aber natürlich auch Dinge, gegen die wir nur wenig ausrichten können. Überhaupt aufzustehen und sich nicht einfach zu fügen, sehen wir dabei aber als sehr wichtig an, sodass man auch bei „Niederlagen“ kaum von verschwendeter Mühe oder Zeit reden kann.

Faszination Fankurve: Welche Hilfe bietet ihr bei Stadionverboten, Stadtverboten oder anderen Problemen mit Polizei, Justiz oder Vereinen an?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Zunächst einmal versuchen wir Aufklärungsarbeit zu leisten und damit so viele wie möglich zu erreichen. Wenn es dann einen konkreten Fall gibt, bei dem jemand Hilfe benötigt, versuchen wir beratend und tatkräftig zur Seite zu stehen. Wie diese dann genau aussieht, hängt vom jeweiligen Einzellfall ab. Generell legen wir besonderes Augenmerk auf Fälle, die Präzedenzcharakter haben und so auch möglichst vielen anderen helfen könnten, sowie Fälle, die zum Himmel nach Unrecht stinken.

Faszination Fankurve: Wie darf man sich eure Arbeit genau vorstellen? Wie viele Leute beteiligen sich an dem Projekt und welchen Background haben sie?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Wie bereits gesagt, decken wir sehr unterschiedliche Felder ab und die Hilfe hängt vom jeweiligen Fall ab. Das kann von der direkten Vermittlung an einen Anwalt vor Ort, über Gespräche mit den Eltern bei Jüngeren sein, um die erste Sorge zu nehmen, bis hin zur Prozesskostenbeihilfe. Zudem möchten wir Personen sowie deren Familien betreuen, die Gefängnisstrafen absitzen und sie nicht im Stich lassen. Präventiv klären wir mithilfe von Info-Flyern, Broschüren oder gezielten Veranstaltungen über Rechte und Pflichten auf. Auch unsere Internetseite soll dazu dienen. Mittel- bis langfristig wollen wir dahin kommen, ein Ansprechpartner zu sein, wenn Einzelpersonen, Vereine, Verbände oder Medien bestimmte Geschehnisse rund um Polizeieinsätze bei Hansa-Spielen auch mal von der „anderen Seite“ geschildert bekommen möchten, um auch so Aufklärungsarbeit zu leisten und zu einer Versachlichung der ganzen Debatte um Gewalt bei Fußballspielen beizutragen.
Unsere Gruppe setzt sich dabei aus mehreren Personen zusammen, die aus den unterschiedlichsten Facetten unserer Fanszene stammen.

Faszination Fankurve: Muss man bei euch Mitglied sein, oder steht die Hilfe allen Fans eures Vereins offen?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Wir helfen zunächst einmal jedem, der an uns herantritt. Wir verstehen uns aber vor allem als Solidargemeinschaft und legen da auch viel Wert drauf. Von daher wünschen wir uns schon auch eine Mitgliedschaft vom Gegenüber, wenn wir Hilfe leisten. Das Ganze lebt nur dann, wenn sich möglichst viele beteiligen und wir eine große, eng zusammenstehende Gemeinschaft sind.

Faszination Fankurve: Gibt es andere Ausschlusskriterien, warum ihr einem Fan die Hilfe verweigert?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Wir übernehmen grundsätzlich keine Strafzahlungen. Ansonsten prüfen wir eigentlich jeden Einzelfall.

Faszination Fankurve: Wo kann sich ein Fan eures Vereins, der Probleme mit Polizei, Justiz oder dem Verein hat melden?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Wir sind unter der E-Mail-Adresse info@hansa-fanhilfe.de erreichbar und natürlich auch persönlich während der Spieltage vor Ort. Zudem bieten wir ein Notfalltelefon an, bei dem man sich in akuter Not melden und nach Hilfe fragen kann.

Faszination Fankurve: Was ist eure Empfehlung an andere Fanszenen, in denen bisher keine Rechtsgruppen existiert?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Was man macht und was nicht bleibt jedem selbst überlassen. Aber an sich lautet unsere Empfehlung: Aktiv werden! Auch wir können es nur jedem raten, sich zu organisieren, gegen die Repressionen von Polizei, Staat oder sonst wem zu wehren und nicht zu fügen. Auch wenn es der bereits genannte Kampf „David gegen Goliath“ ist, kann man einiges bewegen. Zudem gibt es genug Beispiele, die zeigen, dass diese Arbeit wichtig ist und dass sie sich auch lohnt. Und je mehr solcher Gruppen es in Deutschland gibt, desto mehr kann auch bewegt werden.

Faszination Fankurve: Hatte sich die Verabschiedung des DFL-Sicherheitspapiers bereits auf die Repression, die auf eure Fanszene ausgeübt wird, ausgewirkt?
Blau-Weiß-Rote Hilfe: Schwer zu sagen. Generell schlagen wir uns hier eigentlich schon immer mit vielerlei Repressalien herum. Die „Gegenseite“ schläft auch nicht und kommt dabei immer wieder auf neue Ideen. Ob die letzten Ereignisse aber direkt mit der Ratifizierung des DFL-Sicherheitspapiers zusammenhängen, lässt sich nur schwer belegen. (Faszination Fankurve, 27.08.2013)

Fanfotos FC Hansa Rostock




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