01.09.2004 - MSV Duisburg

Versprecher bleiben drin - Zu Gast bei einer Aufzeichnung von Radio Zebra


Der Treffpunkt für das Team von „Radio Zebra“ ist schlicht: Das Erdgeschoss eines funktionalen Nachkriegswohnhauses, in dem eine 90-Quadratmeter-Wohnung zu den Räumen des Medienforums Duisburg umgebaut wurde. Das Medienforum ist Anlaufstelle für eine Vielzahl von Gruppen und Initiativen, die Ihre Sendungen für den Bürgerfunk von Radio Duisburg einspielen. So auch für „Radio Zebra. Die MSV Duisburg Fanshow“, dessen Team sich an diesem Sonntagabend hier wieder versammelt.

So wie seit 1997 schon rund 300 Mal - so genau weiß das heute keiner mehr, denn die Redaktion hat mehrfach gewechselt. Heute besteht sie aus einem bunt gemischten Team, Altersspanne: 16 bis 44, „im richtigen Leben“ sind sie Industriekaufmann und Student, Schülerin und Stahlkocher.

Bis zum Beginn der heutigen Sendung ist noch Zeit. Wir immer hat sich die Crew, eine Stunde bevor der Studiogast eintrudelt, bereits versammelt. Vorbereitungszeit. Der Sendeablauf ist hastig in ein Schulheft geschrieben, nun wird über die Details gesprochen. Die O-Töne, die zuvor beim Spiel im Stadion aufgenommen wurden (dank vier Dauerakkreditierungen können sich die ‚Macher’ im Stadion bewegen) werden durchgehört. „Den können wir nicht bringen“, „Der ist gut, den machen wir direkt zu Anfang“, lauten die Einschätzungen. Schnell wird der Rhetorik der Fußballer noch ein wenig nachgeholfen und ein paar „äähs“ rausgeschnitten.

Es werden die News vorbereitet. „Sollen wir die wieder den Spieler vorlesen lassen?“ fragt Svenja Binner. „Nein, der hat wenig Zeit, heute machen wir die selber.“ Gesagt getan, ab ins schlecht beleuchtete, nur notdürftig schallisolierte Studio und losgelegt: „Alexander Bugera ist Vater geworden, Buggis Nachwuchs und Ehefrau sind wohlauf“, „Drei Zebras sind mit ihren Nationalmannschaften unterwegs und nicht im Training“, „Der Bus von Timo fährt am Freitag um 13:30 Uhr ab Hauptbahnhof. Kostenpunkt: 17 Euro“. Hinter der Glaswand sitzt Rainer und spielt zwischen jede News ein Zebra-Wiehern ein.

Studiogäste zu bekommen, ist nicht immer leicht. Wenn beispielsweise freitags gespielt wird, fällt die Aufzeichnung auf den freien Tag der Profis und manch einer scheut dann die Anfahrt. Heute hat sich Holger Wehlage – immerhin ein amtierender Double-Gewinner mit Werder Bremen – bereit erklärt.

„Wir haben auch mal einen anderen Neuzugang eingeladen, von dem aber keine Zusage bekommen“, erinnert sich Marc, „eigentlich haben wir gar nicht mehr mit dem gerechnet, aber er ist gekommen, hat sich nicht reingetraut und wir haben ihm nicht erkannt. ‚Da draußen schlendert immer so einer rum. Kennt den jemand?’“ amüsiert man sich über Anekdoten von vergangenen Aufzeichnungen. Es gab aber auch schon mal andere Zeiten: „Früher standen die Leute im Innenhof und haben wegen Autogrammen auf die Spieler gewartet“, weiß Jürgen Mickley zu berichten.

19 Uhr: Pünktlich erscheint Studiogast Holger Wehlage. Keine Autogrammjäger, aber dafür wird er auch sofort erkannt. Und zur Begrüßung spricht aus Marc nicht der Moderator, sondern der Fan: „Toll, wie ihr nach dem Ausfall von Lottner die Verantwortung verteilt habt.“ Smalltalk, noch lange bevor die Regler für das Mikro hochgeschoben werden: „In den Katakomben hört man das gar nicht, wenn vor dem Spiel unsere Namen ausgerufen werden“, beschreibt der Neuzugang seine Eindrücke vom ersten Spiel im seinem neuen Heimatstadion.

Schnell noch ein paar Einweisungen zur Sendung, doch viel muss der Gast nicht mehr wissen: „Rouven Schröder war doch letztens bei Euch und der hat eine CD von der Sendung, in der er zu Gast war, im Mannschaftsbus abgespielt.“

Jetzt wird es ernst. „Du musst das Mikro am Headset zwei Finger breit vor dem Mund haben“, lauten die letzten Instruktionen für den Studiogast. Dann geht das Rotlicht in der Mitte des Tisches an: „Willkommen bei Radio Zebra“. Die beiden Moderatoren - es wird im amerikanischen Stil, mit Doppelmoderation gearbeitet – stellen sich vor und nachdem Marc mit dem Finger auf den Gast zeigt und dieser sich mit „… und mit Holger Wehlage“ dem Hörer präsentiert, ist die erste Hürde genommen.

Es folgen drei Themenblöcke von je rund fünf Minuten Länge – deutlich länger als im (professionellen) Radio üblich, denn dort ist nach drei Minuten oft mit den Wortbeiträgen Schluss. Alles was darüber hinaus geht, so lehrt die Medienforschung, ermüdet die Konzentration des Hörers. Es geht um die Analyse des Spiels gegen Saarbrücken, um Holger Wehlage privat, seine ersten Eindrücke von der Stadt („Ich war schon im Zoo“), seine Stellung in der Mannschaft („Andere Neuzugänge die keinen Titel geholt haben, werden aber hier hochgejubelt – das wundert mich etwas“), und das anstehende Spiel. Normalerweise wird an dieser Stelle immer ein Fan des kommenden Gegners in die Sendung geschaltet - ein wenig verbaler Schlagabtausch wirkt belebend – aber ein Fan der Bremer Zweitvertretung war nicht „aufzutreiben“.

Doch wer gedacht hat, das kickende Personal spult hier ausschließlich die Phrasen aus dem Fußballer-Interview-Grundwortschatz ab, irrt. Für manchen Profi ist der Abend bei „Radio Zebra“ kein Pflichttermin, denn das Ambiente und die Moderation schaffen die Atmosphäre einer lockeren Plauderstunde. Manche Gäste kommen noch etwas verhalten rein, „aber am Ende wollen manche gar nicht mehr gehen“, meint Marc Jablonski, „die lassen hier dann zum Teil Sprüche los, die man sonst nie hört“, so der Moderator, „‚ich hätte auch zu Unterhaching gehen können, aber was will ich denn bei einem Bob-Club‘ hat mal einer gesagt.“

Als die Mikros schon ausgeschaltet sind folgt der letzte Akt: Die einzelnen Wortbeiträge werden zusammen- und die Musik dazwischen geschnitten. Heute ist Rainer mit der Auswahl dran und hat sich hierfür die „Ballermann Hits 2004“ zugelegt. „We are the Champs“, singen Right Said Fred stadiontauglich und zielgruppenadäquat.

Einige Versprecher bleiben allerdings in der Sendung, werden nicht geschnitten oder neu gesprochen. „Die Leute sollen ruhig merken, dass wir keine Profis sind. Das lassen wir drin.“ Svenja: „Immerhin versuche ich, nicht mit Ruhrpott-Akzent zu reden. Aber wenn der doch mal durchschlägt, dann ist das auch nicht so schlimm.“

Man setzt auf den Charme des Hobbyjournalismus, und dieser ist immer dienstags zwischen 21.04 und 21.52 Uhr zu hören, dann geht Radio Zebra auf Sendung.

Fanradio in Deutschland

Dass der größte Club der Stadt, wie in Duisburg im Mittelpunkt einer von Fans produzierten Sendung steht, ist andernorts keinesfalls die Regel, denn Projekte wie beispielsweise „UltraSchall 104,8“ von den Fans des Karlsruher SC, oder „FanOmania“ von den Fans von Eintracht Frankfurt, bei Fans von LR Ahlen ist ähnliches in Planung, sind eher die Ausnahme.

Die Mitglieder der Phönix Sons, welche Radio UltraSchall 104,8 betreiben, senden nur eine Stunde pro Monat – bisher in gut 20 Aufzeichnungen. Dafür sind ihre Themen, mehr als die anderer, auf ultra-spezifische Punkte ausgerichtet und lauten beispielsweise: „Gründung der Harlekins Berlin“ oder „Wir holen unser Logo zurück.

Radio FanOmania ist hingegen eher mit dem Duisburger Pendant zu vergleichen. Auch sie existieren seit 1997, auch sie produzieren wöchentlich. Dass die Themen dabei eine größere Bandbreite haben, versteht sich von alleine. Auch Kirsten Münschow, die Medaillengewinnerin im Hammerwerfen von Sydney war schon zu Gast – auch sie trägt das Trikot der Eintracht.

Was aus dem Ahlener Projekt wird, ist indessen unklar. Die Moderatoren in spe hatten sich schon bei Radio Zebra zum „Praktikum“ angemeldet, doch bisher fand der Anschauungsunterricht noch nicht statt.

Egal welche Fans dahinter stecken und was sie mit der Sendung bezwecken, die Liste dessen, was sich durch den Äther geschickt wird, ist lang: Portraits, Quiz, Pressespiegel, Promitipp, Diskussion. All das steht auch im Konzepten und Sendeplänen, auch wenn es selten in das zeitliche Limit einer Aufzeichnung passt.

Ein gemeinsames Ziel haben jedoch alle Projekte: ideelle Werbung für den Verein oder die eigene Gruppe betreiben, eine Identität mit dem Verein- sowie Nähe und Transparenz zwischen Fans und Spielern schaffen und letztendlich das Bild der Fans in der Öffentlichkeit verbessern. Nicht zu vergessen: ein gewisser Selbstzweck, denn Radio machen bringt Spaß! (Faszination Fankurve, 01.09.2004)

Fanfotos MSV Duisburg




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