06.04.2016 - FC Hansa Rostock

Videoaufnahmen der Polizei sind ungenau


Ein Sachverständiger des Landeskriminalamts bestätigte beim 25. Verhandlungstag im Prozess gegen einen Hansa Fan, dass Videoaufnahmen der Polizei bei Fußballspielen fast immer zu ungenau sind, um exakte Aussagen über die Farbe der Bekleidung von Tatverdächtigen zu machen. (Faszination Fankurve, 06.04.2016)

Faszination Fankurve dokumentiert die Prozessbeobachtung der Blau-Weiß-Roten Hilfe:

BWRH-Mitglied vor Gericht – Verhandlungstag 25

Hallo Hansafans,

der Mammutprozess gegen eines unserer Mitglieder geht allmählich dem Ende entgegen. Am 22. März 2016 war auf Antrag der Verteidigung ein weiterer Gutachter geladen. Der Sachverständige vom Landeskriminalamt Mecklenburg-Vorpommern ist im Bereich Videoauswertung nach Polizeieinsätzen tätig. Er erschien in Begleitung eines Kollegen, der bereits im Verlauf des Prozesses gehört wurde und zur Farbe der Jacke bzw. der Jacken, die bei den einzelnen Steinwürfen getragen wurden, keine eindeutigen Aussagen machen konnte. Er gab damals an, dass hierfür ein anderer Kollege der Experte sei. Weil die Frage der genauen Farbe der Jacken für die Ein-Täter-Theorie von Staatsanwaltschaft und Kammer ein entscheidender Faktor ist, wollte die Verteidigung über diesen Punkt Klarheit herstellen und beantragte aus diesem Grund eben jenen Experten zu laden.

Der sehr detailreiche Vortrag des Sachverständigen vermittelte jedem im Saal solide Grundkenntnisse im Bereich Videodokumentation der Polizei. Er betonte mehrfach, dass es aufgrund der Lichtverhältnisse am Einsatzort und den technischen Begrenzungen einer Aufnahme bei Polizeieinsätzen eigentlich immer so gut wie unmöglich sei, „farbverbindliche“ Aussagen über Kleidungsstücke gefilmter Personen zu tätigen. Dies sei mit der verwendeten Kameratechnik höchstens unter idealen Bedingungen im Labor möglich. Die Technik einer digitalen Videokamera, wie sie die Polizei verwende, sei auf Harmonisierung jeder Bildsequenz und eben gerade nicht auf Bild- und Farbgenauigkeit angelegt. Die Standbilder, die nach Polizeieinsätzen häufig aus Videosequenzen generiert würden, seien was Genauigkeit und Schärfe angehe keineswegs mit den Bildern einer Fotokamera vergleichbar.

Nachdem der Sachverständige seine allgemeinen Ausführungen beendet hatte, konnte die anwesende Öffentlichkeit die konkrete Bildauswertung nicht mehr verfolgen. Der regelmäßige Prozessbeobachter konnte zwar erahnen, um welche Bilder es sich bei den Ausführungen handelte; ein Monitor für das Publikum wie sonst stand an diesem Tag jedoch nicht zur Verfügung.

Am Ende konnte der Sachverständige weder bestätigen, noch eindeutig widerlegen, dass bei den Taten verschiedene Jacken getragen wurden. Er gab grundsätzlich zu bedenken, dass die Abbildungen in Videoaufnahmen „digital schön gerechnet“ werden. So müsse die im Standbild zweifarbig erscheinende Jacke in Wirklichkeit keineswegs zweifarbig sein. Darüber hinaus könne er auch über die lichtreflektierenden Eigenschaften der beiden Jackentypen mit Sicherheit keine Angaben machen. Das heißt, was auf einem Videoabbild zu erkennen ist, entspricht nicht im Detail der aufgenommenen Wirklichkeit.

Nach der etwa zweieinhalb stündigen Vernehmung wurde der Sachverständige unvereidigt entlassen. Die Argumentation der Verteidigung, dass es sich bei dem Tatverdächtigen nicht um den Angeklagten handelt und in den einzelnen abgebildeten Situationen auch nicht nur ein und dieselbe Person zu erkennen ist, wurde durch die Angaben des Sachverständigen zur Wiedergabequalität des Videomaterials gestützt. Jedenfalls kann dies nach dessen Angaben nicht ausgeschlossen werden.

Anschließend verlas der Vorsitzende Richter die Ablehnung zweier weiterer Anträge der Verteidigung. Mit einer der beiden Ablehnungsbegründungen konnte uns die Kammer nicht mehr überraschen. Die Verteidigung wollte beweisen können, dass der geschädigte Polizist nicht, wie er in der Verhandlung angab, während des Einsatzes beim Arzt gewesen sei. Dies war für die Kammer unerheblich. Da sie an Unstimmigkeiten innerhalb von Aussagen von Polizeibeamten zu keiner Zeit des bisherigen Verfahrens irgendein Interesse gezeigt hatte, konnte diese Begründung kaum überraschen. Im Laufe des Verfahrens bewies die Kammer mehrfach, dass Aussagen von Polizeibeamten weder plausibel oder schlüssig, noch widerspruchsfrei sein müssen. Sie war mehrfach bereit, sich eben jenes Mosaiksteinchen aus den teilweise gegensätzlichen Aussagen der verschiedenen Beamten herauszupicken, das ihr zur Bestätigung ihres anscheinend bereits nach wenigen Verhandlungstagen gefällten Vorurteils genügen könnte. Nicht einmal als per Videobeweis Aussagen von Polizisten eindeutig widerlegt werden konnten, war die Kammer bereit, eine ihrer Institution angemessene, professionelle Distanz zur Polizei zu wahren. Darum schien es nur folgerichtig, dass der Antrag der Verteidigung mit dieser Begründung abgelehnt wurde.

Der zweite Antrag der Verteidigung, den Polizeiwissenschaftler Prof. Dr. Thomas Feltes als Sachverständigen zu laden, wurde auf Grund „eigener Sachkunde“ der Kammer sowie der Aussage eines Hansafans, der angegeben hatte seit über 20 Jahren Spiele des F.C. Hansa zu besuchen, als unerheblich abgelehnt. Feltes sollte seine Forschungsergebnisse zum Verhältnis von Fußballfans und Polizei, gruppendynamischen Prozessen innerhalb von Fangruppen an Spieltagen sowie Korpsgeist und Einsatztaktik bei der Polizei darstellen.

Fanfotos FC Hansa Rostock




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