19.02.2018 - FC Bayern/Besiktas

Was aktive FC Bayern & Besiktas-Fans über Aldi-Aktion denken


Bevor es morgen in München zum Champions League Achtelfinale zwischen dem FC Bayern und Besiktas aus Istanbul kommt, hat der Club Nr. 12 ein Interview mit zwei Vertretern der Besiktas-Fanszene veröffentlicht, in dem es u.a. um die Aldi-Tüten-Choreografie vor 20 Jahren und den morgigen Ausschluss der Gästefans geht.

Der Club Nr. 12 nimmt das erneute Aufeinandertreffen mit Besiktas zum Anlass, um das Verhältnis beider Fanlager, das durch die Aldi-Tüten-Aktion im Jahr 1997 belastet wurde, zu verbessern. Die Vereinigung der aktiven Fans des FC Bayern, die auch für die Durchführung von Choreografien zuständig ist, erklärt auch, wie es zu der Aktion aus dem Jahr 1997, als FC Bayern-Fans beim Spiel gegen Besiktas hunderte Aldi-Tüten in die Höhe hielten, kam: „Tatsächlich war die 'Tüten-Choreo' eine recht spontane Aktion von einer Handvoll Jugendlichen, die danach ziemlich erschrocken darüber waren, was sie damit für einen Skandal ausgelöst hatten. Die Jungs waren einfach am Nachmittag vor dem Spiel in eine Aldi-Filiale gefahren und haben dort für 50 DM einen großen Karton Tüten gekauft.“


Von einem Vertreter der Besiktas-Fanszene wird die Aktion von damals kritisiert, weil sie sich nicht nur über türkische Deutsche mit geringem Einkommen, sondern auch über Deutsche mit geringem Einkommen lustig machte: „Die in Deutschland lebenden Türken und arme Menschen hat diese Aktion traurig gemacht. Armut ist nichts, wofür man sich schämen sollte. Aldi ist oder war symbolisch der Einkaufsort vieler Deutschen, Türken sowie Bürger anderer Nationalitäten, die über geringfügige Mittel verfügen. In ihrer Armut sind jedoch alle Menschen gleich. Dass die Aktion unmittelbar nach der Auslosung des Achtelfinales nochmals thematisiert worden ist, betrachten wir als unnötig, da die Beşiktaş-Fans nicht nachtragend sind. Ganz im Gegenteil, unsere Toleranz haben wir bis heute bewahrt“, so Besiktas-Fan Ayhan gegenüber dem Club Nr. 12. Besiktas-Fan Mehmet stellt zu der Tüten-Choreo klar: „Allerdings kann man beim besten Willen nicht behaupten, dass die Aktion witzig oder belustigend ist. Es geht einfach nicht, sich über Menschen mit geringerem Einkommen lustig zu machen. Hier hat man die in Deutschland lebenden Türken im Vergleich zu deutschen Einwohnern 'klassifiziert' und als arme Sozialschicht bezeichnet.“ Die Besiktas-Fans sehen es positiv, dass die Fanszene des FC Bayern sich auch heute noch kritisch mit der damaligen Aktion auseinandersetzt.

Neben der Aldi-Tüten-Akion geht es in dem Interview aber auch um andere Themen, wie den europäischen Fankongress vor fünf Jahren in Istanbul, bei dem sich FC Bayern und Besiktas-Fans kennenlernten. Zudem bedanken sich die Besiktas-Fans für Solidaritätsspruchbänder während der Gezi-Park-Proteste, wie sie auch in der Südkurve München zu sehen waren.

Das Eintreten für eine Fankurve frei von Diskriminierung eint viele aktive FC Bayern und Besiktas-Fans. Mehmet erklärt in dem Interview, was für ihn çArşı, wie die aktive Fanszene von Besiktas genannt wird, bedeutet: „Für mich ist çArşı folgendes: Man steht nicht auf der Seite des Stärkeren, sondern auf der Seite dessen, der Recht hat. Man hält gegen den Druck der Mehrheit stand und ist die verteidigende Kraft der Minderheit, deren Gerechtigkeitssinn sehr stark ausgeprägt ist. In allen Belangen ist man sehr mutig und geht gegen Ungerechtigkeit vor. çArşı besteht aus allen Religionen, aus jeder Nationalität – eine Gemeinschaft, bei der es nicht wichtig ist, woher man stammt. Das ist çArşı.“ Religionen, Sprachen, Herkunft spielen demnach keine Rolle innerhalb der Besiktas-Fanszene. Ayhan erklärt dazu: „Das beste Beispiel dafür ist, dass wir in einem Land, dass Armenier diskriminiert, einen Armenier zu unserem Capo (Vorsänger) ernannt haben. Das ist eine starke Botschaft an alle. Das 'armenische Problem' hat im Inönü-Stadion erstmals eine Lösung gefunden. Hoffentlich finden unsere Nachfahren in beiden Ländern einen Weg, diesen Grundstein aufzunehmen und endlich zusammen zu finden.“

Morgen bleibt der Gästeblock in München für die Besiktas-Fans, wie schon bei den anderen europäischen Auswärtsspielen in dieser Saison geschlossen, weil Besiktas aus Angst vor einem Ausschluss aus dem internationalen Wettbewerb keine Tickets haben will. Auch darüber hat der Club Nr. 12 mit den aktiven Besiktas-Fans gesprochen. Aus der Fanszene des FC Bayern kam, wie schon so häufig, Kritik an Gästefanausschlüssen, von denen man selbst auch schon betroffen war. In dem Interview geht es auch darum, wie die Besiktas-Fans bisher mit dem Gästefanverbot umgegangen sind und wie es zu den Vorfällen in Lyon kam, die letztlich zu dieser Situation führten. (Faszination Fankurve, 19.02.2018)

Hier gibt es das gesamte Interview.






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