01.08.2015 - SSV Reutlingen 05

Wie Behörden eine neue Tribüne für die Ultras verhinderten


Die Szene E hatte konkrete Pläne für das Pokalspiel gegen den Karlsruher SC eine mobile Tribüne hinter einem Tor durch einen Tribünenbauer aufbauen zu lassen. Damit wollten die Reutlinger Ultras ihren eigenen Boykott verhindern, da sie ihren angestammten Block E nicht betreten dürfen.

Am 23 Juli kam es zu einem Treffen zwischen Tribünenbauer, Gebäudemanagement, Ordnungsamt, Baubehörde, Feuerwehr, Polizei, dem DFB. Doch nach Angaben der Szene E war „keine Behörde wirklich Willens eine positive Lösung zu finden“. Die Ultras setzten auf Dialog, auch mit der Polizei. Diese reagierte zum Unverständnis der Ultras mit Aufenthaltsverboten für Reutlinger und befreundete Ultras, die somit am Pokaltag ihre Wohnung teilweise nicht verlassen können.

Die Szene E kam letztlich zu dem Entschluss, die Boykottabsichten definitiv durchzuführen. Am Spieltag trifft sich die Szene E ab 17 Uhr hinter Block E und wird das Spiel außerhalb des Stadions verfolgen. (Faszination Fankurve, 01.08.2015)

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Szene E:

Stellungnahme KSC-Spiel

Hallo SSV-Fans,

zuerst müssen wir leider bestätigen, dass wir unsere Überlegungen, das Pokalspiel gegen den Karlsruher SC nicht im Stadion zu verfolgen, in die Tat umsetzen werden. Wir wollen Euch an dieser Stelle nun berichten, wie die letzten Wochen abgelaufen sind und was uns zu diesem Schritt bewogen hat.

Die Kollektivstrafe

Nachdem uns Anfang Juli mitgeteilt wurde, dass der Zutritt für Mitglieder der Szene E zu Block E während des Pokalspiels untersagt wird, haben wir sofort Verhandlungen mit dem Verein aufgenommen. Die Stadt und die Sicherheitsbehörden (Polizei, Ordnungsamt u.a.) verdeutlichten dem SSV, dass Block E bei diesem Spiel auf keinen Fall genügend abgesichert werden könne, um das Spiel friedlich über die Bühne bringen zu können.

Begründet werden die Sicherheitsbedenken im Zusammenhang mit den Vorfällen beim Spiel gegen den SSV Ulm. Das Überqueren der Tribüne von Anhängern der Szene E nach dem Platzsturm der Ulmer Fans wird nun als Argument geführt, warum der Block E nur gegen bestimmte Auflagen von uns genutzt werden darf. Diese Maßnahmen gipfeln in dem Kollektivverbot für Block E für unsere gesamte Gruppe in der ersten Runde des DFB Pokals.

In einem Presseartikel auf der Seite der Stuttgarter Nachrichten vom 20. Juli 2015 erläutert ein nicht näher benannter Polizist die Maßnahme folgendermaßen: „Aus den Erfahrungen des Spiels gegen den SSV Ulm, als Anhänger aus dem Block E geklettert sind, über die Haupttribüne rannten und in den Block der gegnerischen Fans stürmten, ziehen wir unsere Lehren. Deshalb darf die Szene E nicht in den Block E.“ Wer sich im Stadion befand weiß, dass hier Tatsachen verdreht werden und nicht die Szene E als Katalysator dieses Vorfalls agierte.

Lösungsversuch

Als wir 2003 Block E als neuen Standort ausgewählt haben, war uns klar, dass ein FanBlock auf der Haupttribüne nicht der ideale Standort für die Ewigkeit sein kann. Mangels Alternativen und der unterklassigen Ligen in denen wir spielten, gab es keine konkreten Bemühungen um eine Veränderung des Standortes. Aus diesem Grund erarbeiteten wir bereits 2008 Pläne für eine Stahlrohrtribüne hinter dem Tor vor Block II. Diese wurden zwar der damaligen Vereinsführung vorgelegt, aber verständlicherweise traten mit dem erneuten Abstieg und Insolvenz dringendere Probleme in den Vordergrund.

Diese Idee von 2008 ließen wir nun, in der Hoffnung eine zufriedenstellende Lösung für alle Parteien zu finden, wieder aufleben. Sowohl die Sicherheitsbedürfnisse von Stadt und Polizei, als auch die der Fans wären aus unserer Sicht mit einer Stahlrohrtribüne in Block II vereinbar gewesen. Auf Basis der alten Idee und des alten Traumes einer Hintertortribüne, traten wir mit einem Gerüstbau-Unternehmen in Kontakt, welches bereits langjährige Erfahrungen mit der Errichtung von mobilen Tribünen hat. Zeitnah wurde uns ein Angebot für das KSC-Spiel vorgelegt, das allen Sicherheitsstandards der Versammlungsstättenverordnung entsprach. Die konkreten Pläne sahen eine erhöhte Tribüne für circa 1000 Fans auf der Wiese vor Block II vor. Durch erhöhte Zäune und installierte Ballfangnetzen wäre aus unserer Sicht eine ausreichende Absicherung zum Spielfeld gewährleistet gewesen. Zudem versuchten wir auf möglichst viele Sicherheitsbedenken der Behörden einzugehen und dafür entsprechende Lösungsmöglichkeiten aufzuzeigen. Natürlich ist uns klar, dass eine solche zusätzliche Tribüne erhebliche Zusatzkosten für den Verein bedeuten. Umso erfreulicher war es für uns, dass sich der Verein ernsthaft mit dieser Option auseinander setzte, sie für finanziell realisierbar hielt und uns seine Unterstützung anbot. Daraufhin organisierte der Verein am Donnerstag den 23. Juli 2015 ein Treffen mit allen involvierten Parteien, um die noch bestehenden Bedenken aus dem Weg zu räumen. Anwesend waren Vertreter vom Verein, Tribünenbau-Unternehmen, Gebäudemanagement, Ordnungsamt, Baubehörde, Feuerwehr, Polizei, dem DFB und unserer Gruppe. Die Tatsache, dass wir uns bereit erklärten uns mit allen Parteien an einen Tisch zu setzen, macht deutlich, wie ernsthaft wir an einer produktiven und für alle akzeptablen Lösung interessiert waren. Das Gespräch fand zwar in einer respektvollen Atmosphäre statt, jedoch konnte trotz vieler Bemühungen keine Lösung gefunden werden und das vorliegende Angebot des Tribünenbauers wurde abgelehnt.

Gegenüber jedem konstruktiven Verbesserungsvorschlag des Tribünenbauers wurden neue Bedenken seitens der Behörden ins Feld geführt. Wir verstehen zwar, dass dieses vermeintliche Risikospiel von erhöhten Sicherheitsmaßnahmen begleitet werden muss und eine Entscheidung über eine neue Tribüne nicht ad hoc gefällt werden kann, allerdings war es für uns enttäuschend mit anzuhören, wie eine Behörde der nächsten die Verantwortung zuschob. Rückblickend kommen wir zu dem Schluss, dass keine Behörde wirklich Willens war eine positive Lösung zu finden. Stattdessen wurde uns Block II als einzig machbare Alternative schön geredet.

Konfrontation statt Diskurs

Ihren Höhepunkt erreichte diese enttäuschende Geschichte nun mit den verhängten Aufenthaltsverboten für einige Mitglieder der Szene E für das gesamte Reutlinger Stadtgebiet am Tag des DFB-Pokalspiels. Diese gelten von Samstag 12 Uhr bis Sonntag 6 Uhr und machen es den Betroffenen de facto unmöglich ihre Häuser zu verlassen.

Besonders dreist empfinden wir die Tatsache, dass einige unserer Verhandlungsführer nun mit diesen Verboten konfrontiert werden.

Darüber hinaus wurde, neben Karlsruhern, auch zahlreichen Freunden aus Stuttgart und Sankt Gallen dieses Verbot zugestellt. Letzteren wurde sogar die Ausreise aus der Schweiz in alle angrenzenden Ländern für fünf Tage untersagt. Dieser Schritt der Polizei und der Stadt Reutlingen zeigt uns, dass offensichtlich nie ernsthaft zur Debatte stand uns auf Augenhöhe zu begegnen.

Lang haben wir mit der Vereinsführung diskutiert, in wie weit es für uns überhaupt Sinn macht, mit den Sicherheitsbehörden zu verhandeln. Am Ende müssen wir feststellen, dass unser Misstrauen berechtigt war.

Momentan überwiegen bei uns Frustration und Enttäuschung über die Entscheidungen der Sicherheitsbehörden, die uns nicht ermöglichen diesem Saisonhighlight den würdigen Rahmen zu verschaffen. Offensichtlich entschied man sich den Weg der Konfrontation statt des Diskurses einzuschlagen. Da zum jetzigen Zeitpunkt nicht klar ist, wo und ob die aktive Fanszene in der neuen Saison ihre Heimat finden wird, blicken wir in eine ungewisse Zukunft.

Treffpunkt 17 Uhr an der Kreuzeiche

Wir werden uns zum Pokalspiel um 17 Uhr an unseren Ständen hinter Block E treffen und dort das Spiel verbringen. Jedem SSV-Fan sollte klar geworden sein, unter welcher Beobachtung dieses Spiel stehen wird. Wir müssen davon ausgehen, dass die Polizei an diesem Tag eine sehr niedrige Toleranzgrenze hat und jegliche Vorkommnisse für ihre Zwecke nutzen wird.

Wir fordern deshalb von allen Personen, die sich uns anschließen wollen, ein dementsprechend besonnenes Verhalten an diesem Tag.

Wir hoffen mit dieser Stellungnahme den Kritikern und den vielen enttäuschten SSV-Fans unsere Position in diesem sehr komplexen Thema verdeutlicht zu haben.

Wir danken Aufsichtsratsmitglied Karsten Amann für sein großes Engagement in dieser Sache.

Ebenfalls danken wir der Mannschaft, die von sich aus das Gespräch mit uns gesucht und ihr Verständnis für unsere Haltung ausgedrückt hat. Selbstverständlich drücken wir die Daumen und hoffen auf eine sportliche Sensation.

SZENE E Reutlingen 2005 am 1. August 2015

Fanfotos SSV Reutlingen 05




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