19.09.2015 - 1. FC Köln / Borussia Mönchengladbach

„Wollt ihr das?“: Eindrücke vom heutigen Derby


Beim heutigen rheinischen Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach lief einiges anders, als bei den vorherigen Aufeinandertreffen beider Vereine. Heute waren in Müngersdorf nur jeweils eine Hand voll Fangesänge in Heim- und Gästekurve zu vernehmen.

Über fast das gesamte Spiel herrschte eine Art Geisterstimmung in Müngersdorf. Statt Fangesängen standen zahlreiche Spruchbänder im Fokus, die sich gegen personalisierte Tickets und die Reduzierung des Gästekontingents aussprachen. Im Ober- und Unterrang des Gästeblock fanden sich insgesamt circa 700 Fans der Fohlenelf ein. 1.700 Tickets hatte Borussia Mönchengladbach im Vorverkauf abgesetzt, 1.800 Gästetickets gingen zurück nach Köln. Insgesamt erhielten die Fans vom Niederrhein nach einer Entscheidung des 1. FC Köln nur sieben Prozent aller Tickets. Normalerweise stehen den Gästen zehn Prozent zu. Zudem war eine Auflage des DFB, dass die Gästetickets nur personalisiert vergeben werden dürfen. Dagegen protestierte die Gladbacher-Fanszene und blieb dem Derby fast geschlossen fern. Vor Ort in Müngersdorf wurde der auf der Gästekarte vermerkte Name mit dem eigenen Ausweis abgeglichen. Alleine circa 1.000 Fans kauften ein Ticket, ließen es aber verfallen und verbrachten den Tag lieber in Mönchengladbach am Fanhaus und später am Alter Markt in Mönchengladbach beim Alternativprogramm der Mönchengladbacher Fanszene. Vor dem Gästeblock wurde großflächig der Spruch "Wollt ihr das? Gegen Kollektivstrafen - Für eine freie Fankultur" angebracht.

Die Südkurve verzichtete, wie angekündigt, auf den organisierten Support der eigenen Mannschaft. Es gab keine Vorsänger, Trommeln, Fahnen, Doppelhalter oder Zaunfahnen in der Südkurve zu sehen. Stattdessen prangte ein großes schwarzes Banner mit der Aufschrift „Gegen DFB-Strafen! Für den Erhalt der Fankultur“.

Zum Einlauf zeigten die Fans auf der Südkurve den Spruch „DFB/DFL: Ihr macht unsere Fankultur kaputt!!“. Dazu wurde aufgelistet, wodurch die Fankultur gefährdet wird: „Zaunfahnenverbote, Kollektivstrafen, Materialverbote, Montagsspiele, Kontrollen, Pyroverbot, Voucher, Nacktkontrollen, Meldeauflagen, Stadionverbote, fanfeindliche Anstoßzeiten, vorgegebene Anreise, Bannmeilen, alkoholfreies- bzw. Light-Bier“.

Die Coloniacs warnten anschließend mit folgendem Spruch: „Wenn das letzte Tickets personalisiert, die letzte Fackel erloschen ist, die letzte Fahne geweht hat, der letzte Gesang verklungen ist, der letzte Gästefans ausgesperrt wurde, dann wird der Fußball nur noch Plastik und Kommerz sein.“ Vor dem Halbzeitpfiff zeigten die Navajos ein Spruchband in Richtung des Präsidenten des 1. FC Köln. „Spinner & Co.: FC-Mitgliedervotum respektieren! Hände weg vom Gästekontingent!“, war darauf zu lesen. Das Spruchband spielte auf eine Entscheidung der Mitglieder des 1. FC Köln im Dezember 2012 an. Die Mitglieder sprachen sich auf der Jahreshauptversammlung mit absoluter Mehrheit gegen die Verabschiedung eines neuen DFL-Sicherheitspapiers aus, u.a. weil die Mitglieder die Personalisierung von Tickets und die Reduzierung von Gästekontingenten ablehnten. Der 1. FC Köln enthielt sich deshalb bei der DFL-Abstimmung am 12. Dezember 2012. Nun setzte der 1. FC Köln jedoch ein reduziertes Gästekontingent für Mönchengladbach Fans um. Die Kölner Südkurve protestierte dagegen, wie bereits 2012 angekündigt.

In der Halbzeit spielte die Südkurve Köln auf Sportchef Jörg Schmadtke und sein in Köln legendäres „Ruhig, ganz ruhig“ Video an. „Schmadtke: Ruhig... Ganz ruhig“ antworteten die Fans nun und kritisierten damit seine Aussagen in einer Kölner Boulevardzeitung, in der er den Ultras vorwarf, sie würden die eigene Mannschaft im Stich lassen.


Ende der zweiten Halbzeit zeigte die Südkurve, dass sich die Bild-Zeitung auf der Tribüne nicht allzu großer Beliebtheit erfreut. Im Block S4 präsentierten verschiedene Fangruppen auf Spruchbändern, dass Flüchtlinge dort willkommen seien, das Boulevardblatt hingegen nicht. Dort war u.a. „Wir helfen gerne, aber ohne die Bild. Refugees Welcome. Bild verpiss dich“ zu lesen. Die Sprüche wurden im Rahmen der #BILDnotwelcome Kampagne gezeigt. Im Bereich der Wilden Horde wurde man noch deutlicher. „Eure BILDer will keiner sehen! Refugees bei uns auf's Sofa, eure Redakteure in unseren Keller. Für immer!“. Auch das Fan-Projekt des 1. FC Köln, das vor dem Spiel dazu aufrief, im Derby Vollgas zu geben, solidarisierte sich auf einer Fahne mit Flüchtlingen. Beide Mannschaften liefen, trotz Fanprotesten, mit dem „Wir helfen“ Logo der Bild-Zeitung auf. Die Mannschaft des 1. FC Köln verweigerte der Südkurve nach dem Derbysieg die übliche Feierei zwischen Team und Fans. Man schloss sich quasi dem Stimmungsverzicht der Fans an und verzichtete auf die Feierei.

Das Spiel im Müngersdorfer Stadion sahen insgesamt 47.800 Zuschauer, 2.200 Plätze blieben somit frei. Der 1. FC Köln gewann ein langweiliges Spiel mit 1:0 und sicherte sich den ersten Derbysieg seit 2008. Alle Bilder dieses hoffentlich einmaligen Derbys gibt es oben in der Galerie, denn eine Wiederholung des heutigen Derbys wünscht sich wohl niemand. (Faszination Fankurve, 19.09.2015)








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