12.09.2013 - 1. FC Nürnberg

ZIS muss Jahresbericht ändern


Das Oberverwaltungsgericht hat der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) verboten den ZIS-Jahresbericht von 2011-2012 weiterhin unverändert zu veröffentlichen. Der in einem Fall verwendete Begriff „Gewalttäter“ darf nicht mehr verwendet werden.

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung der Rot-Schwarzen Hilfe:

Erfolg für RSH: ZIS-Bericht vom Oberverwaltungsgericht gestoppt!

Oberverwaltungsgericht erlässt einstweilige Anordnung gegen ZIS-Bericht – Kippt der ZIS-Bericht jetzt ganz?

Schwere Niederlage für die Zentrale Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS). Das Oberverwaltungsgericht in Münster hat der ZIS verboten, den Jahresbericht 2011/12 unverändert weiter zu veröffentlichen. Die Behörde muss die Passage über den Angriff auf André am 19.11.2011 mit sofortiger Wirkung entfernen. Die Kritik an dem ZIS-Bericht durch das Oberverwaltungsgericht ist vernichtend. Es hat grundlegende Zweifel an dessen Rechtsmäßigkeit.

Das Landesamt für Zentrale Polizeiliche Dienste des Landes Nordrhein-Westfalen, dem die ZIS zugeordnet ist, hat zu hoch gepokert. Im Dezember 2012 hatte das Landgericht Nürnberg auf Klage von André gegen den ZIS-Bericht einen Vergleich vorgeschlagen. Den wollte die stellvertretende Leiterin der ZIS nicht eingehen und beantragte, den Rechtsstreit an das Verwaltungsgericht abzugeben. Der ZIS-Bericht sei eine Behördenäußerung und deshalb der Verwaltungsrechtsstreit gegeben. Dieser Antrag endete mit einem Fiasko für die Behörde.

Dabei sah es zunächst gar nicht gut aus. Das Verwaltungsgericht Düsseldorf meinte, der Begriff „Gewalttäter“ sei polizeirechtlich zu verstehen. Und wenn jemand in der Gewalttäterdatei eingetragen sei, dann dürfe er auch so bezeichnet werden. Was folgte war ein langwieriges Beschwerdeverfahren beim OVG.

Das OVG zerpflückte nun nicht nur den Beschluss des Verwaltungsgerichts, sondern auch die Argumentation der ZIS. Das Gericht folgte der von RSH-Anwaltsseite vorgetragenen Auffassung: Nicht nur die angemahnte Passage ist rechtswidrig, sondern es bestehen auch „erhebliche Zweifel“, „ob die Rechtsgrundlagen der Gewalttäterdateien zur Veröffentlichung darin verzeichneter Eintragungen ermächtigen.“

„Erhebliche Zweifel an einer Rechtsgrundlage“

Mit anderen Worten: Die Entscheidung des höchsten Verwaltungsgerichts des Landes Nordrhein-Westfalen stellt den ZIS-Bericht in Gänze in Frage, soweit er Zahlen der Gewalttäterdatei Sport veröffentlicht.

Hintergrund: Im Laufe des Beschwerdeverfahrens wandte Andrés RSH-Anwalt ein, dass es gar keine Ermächtigungsgrundlage für den ZIS-Bericht gäbe. Dazu fiel auch der Behörde nicht viel ein. Sie berief sich mittels ihres Anwalts auf die allgemeine polizeiliche Befugnis, „im Einzelfall (…) konkrete Gefahren abzuwehren (§ 8 PolG NRW)". Ein Jahresbericht soll der Abwehr konkret bevorstehender Gefahren dienen?

Die drei Richter am OVG, die die Entscheidung ohne mündliche Verhandlung trafen, schüttelten offenbar auch mit dem Kopf. „Es ist nicht erkennbar, dass die Bezeichnung des Opfers des Vorfalls vom 19. November 2011 als Gewalttäter der Abwehr einer konkreten Gefahr dient, indem etwa die Öffentlichkeit von ihm gewarnt werden soll“. Eine schallende Ohrfeige für die Verkehrung vom Opfer zum Gewalttäter durch die ZIS.

Gewalttäterdatei berechtigt nicht zur Bezeichnung als „Gewalttäter“

Auch dürften in der Gewalttäter-Datei eingetragene Personen nicht einfach als „Gewalttäter“ bezeichnet werden, so das OVG. Dazu müsse die Person mindestens mit einem besonderen Merkmal („gewalttätig“) registriert sein. Ein solcher Eintrag sei im Streitfall aber nicht vorhanden. In der Datei wären auch Personen eingetragen, die nie eine Straftat begangen hätten, so das OVG, wie der konkrete Fall zeige.

Auch diese Stelle ist fanpolitisch hoch brisant. Denn das OVG äußerst sich auch zu den „sogenannten“ (Wortwahl des Gerichts!) Gewalttäterdateien.

Das Gericht äußert Zweifel, ob der allgemeine Begriff des Gewalttäters, wie ihn die Öffentlichkeit verstehe, von den Gewalttäterdateien „umdefiniert“ werde. Zumal in der Datei auch Fans der Kategorie „A“ (friedlicher Fan) eingetragen seien. Wer beispielsweise einen Diebstahl begangen habe und deshalb in der Datei eingetragen sei, sei deshalb noch lange kein „Gewalttäter“, so das Gericht. Denn ein Diebstahl könne nicht als Gewalttat bezeichnet werden.

Ein deutliches Zeichen des OVG: Der Staat kann nicht einfach selbst definieren, wer ein Gewalttäter ist, nur weil er ihn in eine Datei einträgt.

Die RSH und auch die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte haben wiederholt die stigmatisierende Begrifflichkeit der Gewalttäter-Datei gerügt.

Andrés Persönlichkeitsrechte verletzt

Insbesondere darf die Behörde in der Datei eingetragene Personen nicht in individualisierbarer Weise als Gewalttäter bezeichnen, wenn sich keine Gewalttat nachweisen lässt. Dies habe die Behörde jedoch getan, auch wenn sie Andrés Namen nicht genannt habe.

Anlass des Eilantrags war die Berichterstattung über den Angriff auf André am Kölner Hauptbahnhof. Das OVG untersagte nun der Behörde mit sofortiger Wirkung:

(…) im Zusammenhang mit der Darstellung eines Vorfalls im Hauptbahnhof Köln vom 19. November 2011 im Jahresbericht Fußball für die Saison 2011/12 der Zentralen Informationsstelle Sporteinsätze (ZIS) unter Nr. 5.8. zweiter Absatz (veröffentlicht unter http://www.polizei-nrw.de/media/Dokumente/11 -12_Jahresbericht.pdf) zu behaupten, zu verbreiten bzw. in elektronischen Medien unverändert abrufbar bereit zu halten:

Dort war es aus nicht näher bekannten Gründen zu einer körperlichen Auseinandersetzung / einer "Rangelei" (...) gekommen, in deren Folge ein Nürnberger Gewalttäter von mehreren unbekannten Personen in das Gleisbett gestoßen worden war.

Diese Passage stelle eine erhebliche Persönlichkeitsrechtsverletzung gegenüber André dar. Die Behörde sei verpflichtet, wahrheitsgemäß und zurückhaltend zu berichten. Die Darstellung suggeriere in ihrem Bericht, dass André selbst verantwortlich sein könne für den Vorfall. Dafür gebe es keine Anhaltspunkte. Ebenso wenig dafür, dass mehrere Personen ihn gestoßen hätten. Er dürfe insbesondere nicht als „Gewalttäter“ bezeichnet werden.

Der Beschluss des OVG ist nicht anfechtbar. Er bleibt wirksam, solange in der Hauptsache nicht anders entschieden wird.

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