17.09.2014 - Hansa Rostock

"Wie begeht man eine Tat, wenn man gar nicht da ist?"


Ein Fan von Hansa Rostock war wegen Beleidigung eines Polizisten angeklagt, obwohl er sich zum genannten Tatzeitpunkt schon auf dem Rückweg nach Rostock begeben haben soll. Letztlich wurde das Verfahren gegen ihn eingestellt, seine Anwaltskosten muss er trotzdem zahlen.

Faszination Fankurve dokumentiert die Mitteilung der Blau Weiss Roten Hilfe:

Wie begeht man eine Straftat, wenn man gar nicht da ist?

Hansafans genießen deutschlandweit einen gewissen Ruf. Doch absolut Unmögliches trauen ihnen die Wenigsten zu. Wir können nun allen Zweiflern bestätigen: Hansafans können nicht nur auf einem Bein von Rostock nach Wolgast springen und schaffen 50 einarmige Klimmzüge, sondern können auch – mittlerweile amtlich beglaubigt – an zwei Orten gleichzeitig sein.

Wie einige 100 andere Hansafans auch, nahm ein BWRH-Mitglied am 30.03.2013 den Weg zum Auswärtsspiel nach Osnabrück mit dem Regionalzug auf sich. Wie wir damals bereits berichteten, kam diese Reisegruppe, weil sie sich im Vorfeld nicht ordungsgemäß bei der Polizei angemeldet hatte, an diesem Tag nicht am Spielort an (http://blau-weiss-rote-hilfe.de/ostern-auf-dem-bahnhof/). Weil der betroffene Hansafan am selben Abend um 20 Uhr in Rostock arbeiten musste, entschied er sich frühzeitig, als klar war, dass die gesamte Gruppe es nicht mehr zum Spiel schaffen würde, allein nach Rostock zurück zu fahren.

Knapp fünf Monate später fand er einen Strafbefehl vom Amtsgericht Gifhorn in seinem Briefkasten. Die Staatsanwaltschaft Hildesheim beschuldigte ihn am 30.03.2013 gegen 16:10 Uhr in der Gemarkung Meinersen zwei Polizeibeamte mit den Worten “Wichser, blöde Affen, Bullenschweine, Zivilbullen und Scheißbullen” (Zitat aus dem Strafbefehl) beschimpft zu haben. Dafür sollte er eine Geldstrafe von 40 Tagenssätzen á 25 Euro also insgesamt 1000 Euro zahlen.

Das BWRH-Mitglied wandte sich an einen unserer Anwälte. Dieser legte Widerspruch gegen den Strafbefehl ein und beantragte Akteneinsicht. Wie sich herausstellte, beschränkte sich das gegen den Hansafan hervorgebrachte Material auf die Aussagen der zwei Beamten. Kein weiterer Zeuge hatte ihn gesehen; weder Polizei-, noch Überwachungskameras auf dem Hauptbahnhof Hannover oder in den Zügen auf der Rückreise, haben ihn nach 14 Uhr aufgezeichnet. Was äußerst erstaunlich war, denn die gesamte Gruppe wurde dazu gezwungen, geschlossen die Rückreise anzutreten. Also hätte er bei dieser Materialfülle und der Gruppengröße dort mit nicht geringer Wahrscheinlichkeit erkennbar sein müssen. Jedenfalls war das vor 14 Uhr durchaus häufiger der Fall. Doch wer nicht vor Ort ist, kann nicht aufgezeichnet werden. Er befand sich nämlich zur angeblichen Tatzeit längst auf der Rückreise nach Rostock. Nach der erkennungsdienstlichen Behandlung, der er sich, wie alle anderen Hansafans auch, vor Ort unterziehen musste, bat er einen Beamten nach Rostock zurückfahren zu dürfen. Ihm wurde von Seiten der Polizei ein Platzverweis für den Hauptbahnhof ausgesprochen und er konnte gehen.
Seine Chefin besorgte ihm eine Mitfahrgelegenheit von Hannover nach Hamburg, wo er ca. 17.30 Uhr den IC nach Rostock nahm, um dann kurz nach 20 Uhr auf seiner Arbeitsstelle zu sein. Seine Arbeitgeberin und einige Kollegen waren bereit als Zeugen auszusagen. Doch es half nichts, er konnte nicht handfest beweisen, dass er zur angeblichen Tatzeit nicht mehr am angeblichen Tatort war. Das Zugticket hatte er längst weggeschmissen und den Kontakt zu seiner Mitfahrgelegenheit konnte er ebenfalls nicht mehr herstellen. Es empfiehlt sich also, auch wenn man nichts getan hat, alles zu archivieren, was möglich ist, um für den Fall, dass sich jemand vor einem halben Jahr beleidigt gefühlt hat, das Gegenteil beweisen zu können.

Schlussendlich wurde das Verfahren trotzdem nach § 153 Abs. 2 eingestellt und der Strafbefehl zurückgenommen. Das Gericht machte unmissverständlich klar: Sollte es zu einem Prozess kommen, könnte es sein, dass sich die Chefin des Beschuldigten der uneidlichen Falschaussage strafbar macht, sollte sie bestätigen, dass ihr Angestellter um 20 Uhr in Rostock war. Schließlich würde sie damit den Polizeibeamten widersprechen. Aus diesem Grund ließ das BWRH-Mitglied, nach Absprache mit seinem Anwalt, die Sache damit auf sich beruhen. Trotz der Einstellung des Verfahrens, ist es in solchen Fällen leider so, dass der zu unrecht Beschuldigte auf den Anwaltskosten sitzen bleibt. Da es sich nach unserer Ansicht um einen eklatanten Irrtum seitens der Behörden handelte, war sich die Blau-Weiß-Rote Hilfe schnell einig, die Anwaltskosten von über 400 Euro in voller Höhe zu übernehmen. Denn nach unserem Selbstverständnis, haben insbesondere solche Fälle, in denen es schlicht unmöglich ist die Tat begangen zu haben, da nicht mal Hansafans an zwei Orten gleichzeitig sein können, volle Solidarität verdient.






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