01.06.2006 - FC Carl Zeiss Jena

Auf die Talfahrt folgt der Aufschwung


Der FC Carl Zeiss Jena hat den Aufstieg geschafft. Während die 2. Liga mit Energie Cottbus und Dynamo Dresden zwei Vereine aus dem Osten verliert, kommt mit den Thüringern ein neuer hinzu. Ein Club mit Tradition, dessen Fanszene genau wie ihr Verein viele Höhen und Tiefen durchlebte.

Verein und Fans haben die letzten Jahre eine regelrechte Achterbahnfahrt durchlebt. Nach dem Abstieg aus der zweiten Liga im Jahr 1998 fand sich der dreifache DDR-Meister und Europapokalfinalist von 1981 nach einem erneuten Abstieg im Jahr 2001 in der Südstaffel der Oberliga Nordost wieder. Nach vier Oberligajahren wurde der Spieß wieder umgedreht, und den Jenaern gelang 2005 der Wiederaufstieg in die Regionalliga. Nun, bereits ein Jahr später, gelang der sofortige Durchmarsch in die Zweite Bundesliga.

Durch den jüngsten sportlichen Erfolg hat sich der Zuschauerschnitt im Ernst-Abbe-Sportfeld verdoppelt, und die positive Entwicklung schlägt sich auch bei den Auswärtsspielen nieder. „Es waren die ganzen Spiele auswärts nie weniger als 300 Leute dabei“, erzählt Matthias Stein vom Fan-Projekt Jena, der privat schon seit 1974 zum FCC geht und sich in der Fanszene so gut auskennt wie kaum ein anderer. Für Regionalligaverhältnisse ist die Auswärtsfahrerzahl durchaus beachtlich, zumal weit entfernte Spiele wie Kiel oder Münster unter der Woche stattfanden.

Ein Highlight wohl für alle Blau-Gelb-Weißen war in der abgelaufenen Saison das Thüringen-Derby in Erfurt, zu dem 4.000 Jenaer Fans mitreisten. „Es fuhren 20 Busse nach Erfurt“, berichtet Stein, der die Stimmung auf Gästeseite als „richtig gut“ empfand. Die Ultras dagegen probten in den Wochen vor dem Derby den Aufstand und mobilisierten trotz schlechtester Voraussetzungen rund 500 Zugfahrer, die einen tollen Auftritt in den Straßen zum Stadion hinlegten. Noch eine halbe Stunde nach Spielende wurde die Mannschaft nach dem 1:0-Sieg vom mitgereisten Anhang gefeiert. Choreomäßig war leider alles verboten, und so gab es zu Spielbeginn neben der Erfurter Choreo lediglich einen Hagelschauer zu begutachten, der über die unüberdachten Fanblöcke des Steigerwaldstadions hereinbrach.

Während viele aus der jüngeren Generation nur die Oberliga- und Regionalligazeit erlebt haben, haben die älteren Semester schon Gegner wie AS Rom, Valencia oder Benfica Lissabon im Ernst-Abbe-Sportfeld gesehen. „Deshalb ist das allgemeine Publikum in Jena sehr erfolgsverwöhnt“, sagt Stein. Einer der Gründe, warum die Fanszene nach dem Abstieg in die Oberliga 2001 laut Matthias Stein „fast klinisch tot“ war. In dieses Vakuum stieß die Ultragruppe Horda Azzuro, die sich im Oktober 2001 gegründet und der Fanszene Stück für Stück wieder neues Leben eingehaucht hat. „Das einzige, was die Zeiss-Fans zu dieser Zeit verband, war das Zurückdenken an bessere Zeiten, darin waren sich alle einig. Zu dieser Zeit gab es in anderen ostdeutschen Städten schon die ers-ten kleineren etablierten Gruppen. Jena ist in dieser Hinsicht also eine Art Nachzügler“, erläutert Toni Schley von der Horda Azzuro. Die Horda Azzuro mit ihrer aus dem Kürzel „HA“ abgeleiteten Nachwuchsgruppe „HArakri“ und der Mädchengruppe „SenoritHAs“ ist zurzeit zweifellos die wichtigste Fangruppe in Jena. Weitere aktive Fanclubs mit Ultraorientierung sind die „Dragons“ und „Die Herde“ aus Rudolstadt.

Aktuell wird die Jenaer Fanlandschaft vom Bestreben dominiert, die einst als Heimkurve geltende Südkurve unter der Anzeigetafel für sich zurückzugewinnen. Mit den gesteigerten Sicherheitsvorschriften der letzten Jahre seitens DFB und Polizei wurde den Gästefans dieser Teil des Stadions zugesprochen, um einen separaten Eingang zu gewährleisten.

Interessant sind die Freund- und Feindschaften der Jenaer Fans, die auch durch die Verbindungen anderer Vereine beeinflusst sind. So gehören neben den traditionell verhassten Erfurtern auch Halle und Lok Leipzig zu den Rivalen, da diese drei Vereine untereinander befreundet sind. Die Ultras von Erzgebirge Aue tragen unterdessen durch ihre Beziehungen zu den Ultras Düsseldorf nicht unbedingt dazu bei, dass die bröckelnde Freundschaft mit Jena wieder auflebt. „Bei unserem Spiel gegen Düsseldorf waren einige Auer dabei – aber auf der anderen Seite“, erklärt Matthias Stein. Die Freundschaft, die aus kleineren Hool-Beziehungen entstand, wurde und wird allerdings nur von wenigen Kutten getragen, da sie von Beginn an eher aufgesetzt erschien. Die aktive Fanszene des Vereins, angeführt von Horda Azzuro und Co., spricht sich dagegen komplett gegen jegliche Sympathien mit dem Erzgebirge aus. In der nächsten Saison spielt man in der 2. Liga wieder direkt gegeneinander. Die einzigen richtigen Freundschaften bestehen zurzeit auf Seiten der Ultras, dies aber sehr intensiv, zum FSV Frankfurt sowie auf Seiten der Hools zu Borussia Mönchengladbach. Letztere seien im Stadion eigentlich nur noch in Sachen Beteiligung am Support aktiv und pflegen darüber hinaus auch ein gutes Verhältnis zu den Ultras, so Stein.

Auch innerhalb des Vereins haben die Fans von Carl Zeiss Jena in den letzten Jahren einiges bewegt. Aus der Initiative „Fans für Jena“ ist die Fanabteilung „Supporters Club“ hervorgegangen, die sich mit über 300 Mitgliedern für die Belange der Anhänger einsetzt. „Das Motto ,Reclaim the game‘ wurde bei uns schon teilweise umgesetzt“, freut sich Stein über die für einen bisher unterklassigen Verein sehr respektable Entwicklung in Sachen Fanarbeit. Die gemeinsame Arbeit gegen Rassismus im Stadion ist auch als äußerst erfolgreich zu bewerten. So verfolgt der aktive Kern der Fans gemeinsam mit dem Fanprojekt dieses Ziel. Der Abteilungsvorsitzende der Fan-Abteilung, Hans-Heinrich Tamme, sitzt sogar im Präsidium des Vereins. Auch der Stadionsprecher und der Pressesprecher des FCC kommen aus der Fanszene. Und neulich hat sogar ein Fan den Mannschaftsarzt auf der Bank vertreten.?(Harry Leif/Faszination Fankurve, 01.06.2006)

Fanfotos FC Carl Zeiss Jena




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