30.10.2020 - BSG Chemie Leipzig

Derby-Vermummung: Oberlandesgericht hat Urteil gesprochen


Im Nachgang des Derbys zwischen dem 1. FC Lokomotive Leipzig und der BSG Chemie Leipzig wurde mehreren Chemie-Fans vorgeworfen, sich vermummt zu haben, während im Gästebereich Pyrotechnik gezündet wurde. Das Urteil des Oberlandesgerichts in Dresden entschied aber zugunsten der Chemie-Fans.


Die Chemie-Fans hätten am 22. November 2017 gar nicht die Absicht gehabt ihre Identität zu verschleiern. Vielmehr soll die kurzzeitige Vermummung als Schutz vor der Rauchentwicklung gedient haben. „Nun hat es sogar das Oberlandgericht in Dresden bestätigt. In einer Verfügung – das ist die nettere, quasi gesichtswahrende Variante zum Beschluss – hat das OLG der Landeshauptstadt nunmehr der Leipziger Anklagebehörde nachdrücklich erklärt, dass sie daneben liegt, wenn sie weiterhin den § 17 des Versammlungsgesetzes unkorrekt auf bestimmte Sachverhalte des Derbys 2017 anwendet. Vor allem dann, wenn sie über das Nichtvorliegen der Absicht die Identitätsfeststellung durch die Polizei zu verhindern, hinwegsieht. Damals wurden im Nachgang anhand von Video- und Fotoausschnitten mehrere Chemiefans beschuldigt, sie hätten sich während des Abbrennens von Pyrotechnik im Gästeblock vermummt und damit strafbare Handlungen begangen.
In einem freundlichen, leicht belehrenden Ton erklärt das OLG der Anklagebehörde nun: »Entgegen der Auffassung der Staatsanwaltschaft ist die ‚Tatsache der Vermummung‘ nicht allein maßgeblich für die Anwendung der Vorschrift«, so die Richterin des OLG. Eine Vermummung im strafrechtlichen Sinn, konnte schon deshalb nicht zur Geltung kommen, weil es bereits in der Norm heißt, dass sie »darauf gerichtet« sein muss »die Feststellung der Identität zu verhindern.« Im verhandelten Fall wurde eben dies nicht festgestellt: denn die »kurze Zeit der Vermummung, in Zusammenhang mit dem Abbrennen der Fahne und als szenetypisch zu erwartendes Ritual« ließ nicht ausschließen, dass sich die angeklagten Personen »vor der Rauchentwicklung« schützen wollten, so das in voriger Instanz entscheidende Gericht weiter. Hinzu kommt, dass sich die Beschuldigten nur für wenige Minuten Tuch oder Schal über die Nase zogen und auch ihren Platz nicht wechselten, sodass eine Identifizierung problemlos möglich war. Der Staatsanwaltschaft war das jedoch egal: sie vertrat die unzutreffende Rechtsauffassung, es bedürfe gar keiner Absicht die Feststellung der Identität zu verhindern. Dem hat das OLG nun einen Riegel vorgeschoben.
Wir deuten das zumindest als kleine juristische Ohrfeige. Offensichtlich ist die Staatsanwaltschaft, die gegen ein freisprechendes Urteil sogar Revision eingelegt hatte, weit übers Ziel hinaus geschossen und wurde nun durch die letzte Instanz eingefangen. Erst kürzlich hatte bereits ein Richter des Landgerichts der Staatsanwaltschaft eine einseitige Ermittlung vorgehalten und kritisiert, dass sie es versäumt habe nach »entlastenden Momenten« zu ermitteln“, blickt das Rechtshilfekollektiv, das Chemie Leipzig-Fans bei Problemen mit Polizei und Justiz unterstützt, auf den konkreten Fall zurück. (Faszination Fankurve, 30.10.2020)

Fanfotos BSG Chemie Leipzig




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