26.01.2016 - FC Bayern München

​„Die Südkurve München ist sensibilisiert“


Faszination Fankurve sprach mit dem ersten schwul-lesbischen Fanclub des FC Bayern München, der in diesem Jahr sein zehntes Jubiläum feiert. Queerpass Bayern erklärt die Nähe des Fanclubs zu den Ultras und wie homophobe Beleidigungen fast vollständig aus der Südkurve München verschwunden sind.

Faszination Fankurve: Vor knapp zehn Jahren habt ihr den Fanclub „Queerpass Bayern“ gegründet. Wie kam es zu der Gründung?
Queerpass Bayern: Wir hatten uns im Juli 2005 auf einer schwulen Dateing Plattform (damals Gayromeo inzwischen Planetromeo) als Interessengemeinschaft als FC Bayern-Fans zusammen geschlossen, haben virtuell über die Spiele, Spieler-Einkäufe des Verein oder zum Beispiel neue Trikots gefachsimpelt und natürlich auch teilweise über den ein oder anderen Spieler geschwärmt. Doch schon bald wurde uns auch klar, wie ätzend wir es finden, wenn Spieler und Fans der Gastmannschaften oder Schiedsrichter als Schwuchtel oder schwule Sau beschimpft oder der missglückte Pass als schwul bezeichnet wurde. Woraufhin wir beschlossen, uns aus der virtuellen Welt ins Real-Life zu begeben und beim FCB einen Fanclubantrag stellten, der nach Erledigung der Formalien, als erster schwul / lesbischer Fanclub ins Fanclubregister eingetragen wurde.


Faszination Fankurve: Wie hat sich der Fanclub seitdem entwickelt?
Queerpass Bayern: Mit der Gründung des Fanclubs hatte sich einiges geändert, saßen wir früher immer verstreut in der Arena, je nach dem wo man halt eine Karte ergatterte, konnten wir jetzt am Fanclubprogramm des Vereins teilnehmen und hatten so auch öfter die Möglichkeit, statt einzeln verstreut nun zusammen die Spiele zu verfolgen. Durch unser Coming Out hatten wir zudem die Möglichkeit Frauen in unsere Gruppe aufzunehmen, was vorher nicht ging, da Romeo keine Frauen auf ihrem Portal zulässt. Somit stieg die Mitgliederzahl stetig an, so dass wir nach fünf Jahren bei 72 Mitgliedern waren, die sich zu Stammtischen, Gruppenabenden, Biergartenbesuchen etc. trafen. Um auch in der Queeren Community präsent zu sein und auch dort zu zeigen, dass es auch Schwule und Lesben gibt, die Bock auf Fußball haben, haben wir dann einmal jeden Monat im SUB einen ehrenamtlichen Thekendienst übernommen, der sich inzwischen zu einem wahren „Must Be“ entwickelt hat, zu dem auch ganz selbstverständlich Hetero-Freunde aus der Kurve vorbei schauen, um das eine oder andere Kaltgetränk zu sozial verträglichen Preisen zu genießen. Die Teilnahme als Gruppe am Münchner Christopher Street Day (CSD) war die logische Konsequenz, mit einhergehender Öffentlichkeitsarbeit in sämtlichen Medien. Themenabende, Podiumsdiskussionen, Vorträge, Interviews für Print, Radio und TV folgten und erreichten dann zum Zeitpunkt des Hitzlsperger Outing Ausmaße, wo ich mir ernsthaft die Frage gestellt habe, ob ich nächstes Jahr bei RTL im Dschungel an Lagerfeuer sitze und Reis und Bohnen essen muss. Glücklicherweise ließ der Hype nach gut zwei Wochen wieder nach und ich konnte wieder ein relativ normales Fußballfanleben führen. Natürlich gab es auch bei uns die eine oder andere interne Unstimmigkeit und Zickerei in der Gruppe, sei es jetzt wegen unsere Beteiligung bei der Kampagne zur Legalisierung von Pyrotechnik, oder ob es nicht vielleicht doch geiler wäre ein reiner schwuler Fanclub zu sein, also ohne Lesben, Bi, Heteros, Trans etc. Wer sowas forderte hatte einfach den Sinn und Zweck von Queerpass Bayern nicht verstanden. Dies führte dazu, dass sich daraufhin ein kleines Grüppchen von uns abspaltete, was aber wiederum den Zusammenhalt in unserer Gruppe stärkte und motivierte. Inzwischen sind wir bei einer Mitgliederzahl von 84 Mitgliedern.


Faszination Fankurve: Im Jahr 2016 steht euer zehnter Geburtstag an. Was ist geplant?
Queerpass Bayern: Nun als erstes wird der oben beschriebene Thekendienst vom Freitag auf den Samstagabend verlegt, dann ist eine 10 Jahresfeier zum Saisonende in Planung und neben dem Münchner CSD haben wir uns gedacht, schenken wir uns selbst eine Gruppenreise nach Gran Canaria, um dort zur Maspaloma WinterPride als Gruppe an der Parade teilzunehmen. Flüge sind schon gebucht. Ansonsten wird uns sicher noch die ein oder andere Aktion einfallen - vielleicht ein neuer Schwenker, Doppelhalter, mal sehen.

Faszination Fankurve: In Gelsenkirchen kam es zuletzt wieder zum Treffen der QueerFootballFanclubs (QFF). Seid ihr Mitglied bei QFF oder tauscht ihr euch anderweitig mit anderen schwul-lesbischen Fanclubs aus?
Queerpass Bayern: Selbstverständlich sind wir Mitglied beim QFF Dachverband. Im Januar 2012 waren wir die Ausrichter des zweimal jährlich statt findenden QFF Treffen.

Faszination Fankurve: Was hat sich in den vergangenen zehn Jahren beim Thema Homophobie in der Münchner Südkurve getan?
Queerpass Bayern: Die Südkurve München ist sensibilisiert und Rufe, wie wir sie früher wie oben beschrieben nahezu bei fast jeden Spiel irgendwo im Stadion hören mussten, sind in der Südkurve nur selten zu hören und auch dann sind es nicht wir, die missionarisch mit erhobenem Zeigefinger auf die Leute zu gehen, sondern andere Leute aus der Kurve, die sagen: „Sowas wollen wir hier nicht hören!“. Abgesehen davon gibt es ja wahrlich genügend andere Schimpfwörter, dass es nun wirklich nicht mehr die Schwuchtel oder schwule Sau sein muss.

Faszination Fankurve: Bei Heim- und Auswärtsspielen sieht man euren Doppelhalter häufig in der Nähe der Ultràgruppen. Fühlt der ihr euch der Ultràbewegung verbunden?
Queerpass Bayern: Klares Ja! Wir waren damals, als wir uns von unseren diversen Sitzplätzen in den Stehplatzbereich der Südkurve wagten, skeptisch und verunsichert über dies und jenes, was man so undifferenziert über Ultras in den Medien vorgesetzt bekam und wurden schnell eines Besseren belehrt und stellten fest, dass Fußball im Stehen wesentlich intensiver ist, als irgendwo mit Klatschpappe ausgestattet im Stadion sitzen zu müssen. Zudem gibt es viele Schnittmengen bei Themen wie Antirassismus, Sexismus, Homophobie und anderen gruppenbezogenen Diskriminierungen, aber eben auch andere Fanbelange, wie Ticketpreise, Anstoßzeiten und natürlich auch staatliche Repressionen, denen Homosexuelle auch im Jahr 2016 noch ausgesetzt sind.

Faszination Fankurve: Wo ist euer Standort bei Heimspielen und wie ist das Verhältnis zu den anderen Fangruppen in der Südkurve?
Queerpass Bayern: Wir stehen seit wir in die Südkurve gehen immer im Mittelblock 112/113 unten am ersten Wellenbrecher. Das Verhältnis ist, meiner Meinung nach, ein positives, das durch gegenseitigen Respekt und die gemeinsame Liebe zum Verein geprägt ist.


Faszination Fankurve: Durch das Engagement der Schickeria ist die Lebensgeschichte von FC Bayern München Präsident Kurt Landauer mittlerweile fast allen Fans bekannt. Weniger Augenmerk wurde auf Landauers Vorgänger Angelo Knorr gelegt. Ihr habt einen Vortrag zu Knorr erarbeitet. Könnt ihr uns dazu was erzählen?
Queerpass Bayern: Das Kurt Landauer endlich in der Vereinsgeschichte sein würdigen Platz gefunden hat wurde auch langsam Zeit. Was aber einfach auch daran liegt, dass für viele die Geschichte des FCB erst mit den goldenen 70er Jahren beginnt. Da kann man schon mal die erste deutsche Meisterschaft 1932 vergessen. Ähnlich ist es halt leider auch bei Angelo Knorr, der drei Mal Präsident des FCB war und seiner Zeit seine Ämter beim Verein niederlegen musste, „nur“ weil er schwul war.
Wir sind mit Anton Löffelmeier in Kontakt, der zu dem Thema ausführlich recherchiert hat und werden diesbezüglich noch in diesem Jahr einen Vortragsabend abhalten, um dort ausführlicher dieses Kapitel des FC Bayern zu beleuchten.
Nur so viel, Landauer musste damals nach der Machtergreifung der Nazis sein Leben retten, in dem er seine Ämter niederlegte und nach seiner Inhaftierung ins Exil in die Schweiz flüchtete. Knorr legte seine Ämter nieder und ging nach seiner Haftentlassung nach Italien. Heute wäre es sicher kein Hinderungsgrund mehr ein FCB Präsident mit jüdischen Glauben zu sein, bei einem offen schwul lebendem Präsidenten, bin ich mir da nicht so sicher.


Faszination Fankurve: Jedes Jahr geht ihr als Gruppe beim Christopher Street Day in München mit. Was macht diese Veranstaltung in euren Augen so besonders?
Queerpass Bayern: Der Münchner CSD ist nach wie vor eine politische Veranstaltung, deren politischer Charakter auch unbedingt erhalten bleiben sollte, ohne jetzt als Spaßbremse abgestempelt zu werden. Gerade die Mixtur der Vielfalt aus Normalos und Freakshow, Jungen und Alten sowie nahezu aller politischer Ausrichtung, macht den Münchner CSD für mich zu etwas besonderen.


Faszination Fankurve: Der Stimmungskern der Südkurve München hat sich zu Saisonbeginn 2014/2015 deutlich vergrößert. Wie hat sich die Stimmung seit dem nach eurer Einschätzung her entwickelt?
Queerpass Bayern: Durch den Umbau des Unterrang der Südkurve zur reinen Stehplatzkurve sind zum einen die Kapazitäten erhöht worden und es gibt jetzt drei Vorgängerpodeste, um nun auch die Stimmung in die Breite zu ziehen - möglichst von Eckfahne zu Eckfahne. Die Trennzäune zwischen den Blöcken wurden abgesenkt, dadurch hat sich die Stimmung deutlich verbessert, gleich wohl hier schon noch Luft nach oben besteht. (Faszination Fankurve, 26.01.2016)

Fanfotos FC Bayern München




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