08.12.2016 - BSG Chemie Leipzig

„Ein Freibrief für Straftaten durch Polizisten“


Vor dem Landgericht Leipzig wurde ein Polizist der Leipziger Beweissicherungs- und

Festnahmeeinheit (BFE) gestern zweitinstanzlich vom Vorwurf der Körperverletzung im Amt freigesprochen. Das Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig kritisiert das Urteil.

In der ersten Instanz war der Polizist vor dem Amtsgericht Leipzig wegen des Vorfalls beim Auswärtsspiel von Chemie Leipzig in Zwenkau noch zu einer Geldstrafe in Höhe von 5.850 Euro verurteilt (Faszination Fankurve berichtete). (Faszination Fankurve, 08.12.2016)

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung des Rechtshilfekollektv Chemie Leipzig e.V.:

Ein Freibrief für Straftaten durch Polizisten

Am gestrigen Nachmittag wurde der Beamte der Leipziger Beweissicherungs- und

Festnahmeeinheit Swen G. vom Landgericht in Leipzig von der Körperverletzung im Amt

freigesprochen. Das Gericht folgte in allen wesentlichen Teilen der Verteidigung, welche die Körperverletzung als »taktische Maßnahme« interpretierte. Zuvor hatte ein Ausbilder der

Landespolizei den Zugriff, der auf Video dokumentiert ist, im Rahmen seiner Zeugenaussage als lehrbuchreif legitimiert. Das Gericht selbst urteilte über die Verletzungen des Opfers mit der weltfremden Aussage, dass diese »üblicherweise passieren, wenn man sich auf dem Boden wälzt«.

Erstinstanzlich wurde der Polizist im Februar diesen Jahres vom Leipziger Amtsgericht zu

einer Geldstrafe von 5850 Euro verurteilt. Bundesweit sorgte das Video um die Geschehnisse sowohl bei Fußballfans, Faninstitutionen und polizeikritische NGOs für Empörung.Insbesondere für die Fanszene der BSG Chemie und den Verein selbst hatte die Verhandlung mehr als symbolische Bedeutung. Im September 2013 geriet ein Einsatz der BFE im Rahmen eines Fußballspiels vollkommen aus dem Ruder. Mehrere Fans und Offizielle wurden durch die Beamten, insbesondere durch den Einsatz von Pfefferspray und Schläge verletzt.

Für Fabian Grundmann, Sprecher des »Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig« ist das Urteil einigermaßen bitter: »Es grenzt an Hohn, was hier heute passiert ist. So etwas wie

polizeiliches Fehlverhalten scheint es in Leipzig nicht zu geben. Welche Beweise benötigen

Gerichte und Staatsanwaltschaften eigentlich noch, um Straftaten von Beamten zu ahnden?«

Dramatisch ist das Urteil in jedem Fall. Zum widerholten Mal hebt ein sächsisches

Landgericht eine Verurteilung von Polizisten auf der Basis von fragwürdigen Ausbilder- und

Gutachteraussagen auf. Zum wiederholten Male werden die eigentlichen Opfer für ihre

Verletzungen selbst verantwortlich gemacht. Zum wiederholten Male machen Gerichte

Fußballfans zu BürgerInnen, deren Grundrechte weniger Wert sind als beispielsweise die von

Polizisten.

Fabian Grundmann zur politischen Dimension des Urteils:

»Das Gericht hätte heute die Chance gehabt, einen augenscheinlichen Fehler eines Polizisten

zu bestrafen. Die Beweislage hierfür war außergewöhnlich gut. Stattdessen spricht sie einen Beamten, der selbst polizei-intern kritisierten Leipziger BFE frei und erteilt anstelle eines Denkzettels einen Freibrief für weitere brutale Einsätze gegen Fußballfans.«

Das Rechtshilfekollektiv bittet alle Chemie-Fans um Spenden, da die Nebenklage ihre Kosten

laut Urteil selbst tragen muss.

Fanfotos BSG Chemie Leipzig




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