22.04.2010 - Fortuna Düsseldorf

Ein Saisonfinale ohne Stimmung?


Fortuna Düsseldorf gegen den FC Hansa Rostock, es geht um den Auf- beziehungsweise Abstieg des jeweiligen Vereins. Doch werden nicht alle Fans bei dem wichtigen Spiel im Stadion sein. In einer Stellungnahme kritisieren die Ultras Düsseldorf die aktuelle Sicherheitspolitik hart.

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme der Ultras Düsseldorf zum Heimspiel gegen den FC Hansa Rostock:

Eine großartige Saison geht ihrem Ende zu. Was haben wir im ersten Jahr nach der vermeintlichen Wiedergeburt nicht alles erleben dürfen: Tollen Fußball und leidenschaftliche Auftritte auf dem Platz, ausverkaufte Hütten und Tausende von singenden Fortunen auf den Rängen. Großartige Auswärtsspiele wie in Kaiserslautern und souveräne Heimauftritte wie gegen Duisburg liegen jetzt schon hinter uns. Drei Mal noch dürfen wir unsere Mannschaft bis Sommer in einem Pflichtspiel begleiten. Der Höhepunkt sollte dann am 9. Mai folgen, wenn die Jungs auf dem Rasen gegen Rostock die letzte Chance nutzen wollten, noch irgendwie auf Rang drei zu kommen und wir ihnen – ganz gleich wie es ausgeht – für eine großartige Saison danken wollten. Alles könnte so schön sein.

Doch dann fielen wir aus allen Wolken, als wir in den vergangenen Tagen auf der Homepage von Hansa Rostock lasen, dass es eine Kartenbegrenzung am letzten Spieltag geben soll und die Tickets für den Gästeblock darüber hinaus auch noch personalisiert werden. „In den Gesprächen mit den Düsseldorfer Vereinsvertretern sowie der Düsseldorfer Polizei, die ursprünglich nur 1.200 personalisierte Tickets in den Verkauf geben wollte, einigten sich alle beteiligten Parteien letztendlich auf 2500 personalisierte Eintrittskarten“, war und ist dort zu lesen. Nun also auch wir. Nun gehört auch Fortuna Düsseldorf zur Speerspitze der Repressions-Maschine, zu denen, die Freiheiten präventiv beschränken und dem Sicherheitswahn folgen. Die, die ausschließen, die doch angeblich die „besten der Welt“ sind und „ohne die wir den Aufstieg und den ganzen Aufschwung nie geschafft“ hätten. Ohne ersichtlichen Grund, ohne vorherige Vorkommnisse und vor allem ohne Absprache. Was ist noch übrig vom elenden Geseier der mangelnden Kommunikationsbereitschaft Seitens der Fans? Von den sich abschottenden, mittlerweile unkontrollierbaren Fans? Wo war denn das Gesprächsangebot der Polizei oder des Vereins? Wo waren unsere Möglichkeiten zu intervenieren und auf Augenhöhe mitzudiskutieren? Sie fehlten. Wie so oft wurden wir nur vor vollendete Tatsachen gestellt.

Dass der ewige Ruf nach einer Verbesserung des Verhältnisses zwischen Ordnungshütern und Fans ohnehin nur ein Lippenbekenntnis für die unkritische Presse ist, merkten wir schon nach Ablauf der vergangenen Saison, als es von Seiten der Düsseldorfer Polizei niemand für nötig hielt, der Podiumsdiskussion über Gewalt beim Fußball beizuwohnen. Auch nach der Polizeiaktion an der „Kastanie“ gab es keine offene Diskussion oder wenigstens eine Entschuldigung. Nun bekamen wir den nächsten Beweis dafür, dass Polizei, Vereine und Verbände am liebsten über, aber niemals mit uns reden, damit ihre (zum Scheitern verurteilten) Konzepte ohne Nachfragen und Widerstände durchgewunken werden. Vor dem Spiel des FC St. Pauli gegen Hansa Rostock, wo es ähnliche Maßnahmen gab, wurden Fanvertreter beider Seiten wenigstens noch eingeladen. Ihnen wurde immer noch das Gefühl gegeben, über ihr eigenes Schicksal mitbestimmen zu dürfen. Dass die dort getroffenen Vereinbarungen dann im Nachhinein wieder geändert wurden, zeigte aber recht schnell, wie ernst die „Stimme des Volkes“ genommen wird, wenn es wirklich drauf ankommt. Dabei wäre es manchmal gar nicht schlecht, die zu befragen, die die Realitäten vor Ort nicht nur aus Videos und Konferenzen, sondern aus persönlichen Erfahrungen kennen. Denn dass das, was nun vereinbart wurde, an Schwachsinn kaum noch überbieten ist, erkennt jeder Mensch, der ein Mindestmaß an Stadionerfahrung sein eigen nennt. Die Frage ist doch: Was soll erreicht werden? Ein ruhiger Ablauf eines wichtigen Zweitligaspiels oder die völlige Eskalation? Wir unterstellen den Entscheidungsträgern nun einfach mal, das erste Szenario zu bevorzugen. Womit wir gleich bei der nächsten Frage sind: Was haben die Maßnahmen mit einer Deeskalation zu tun?

Denn was nun passiert und teilweise schon passiert ist, geht in genau die andere Richtung. Zunächst einmal werden durch das ganze Gerede von Gewalt, Beschränkung und Problemfans eine Drohkulisse aufgebaut und ein Klima der Angst geschaffen, die das angeblich so große Gewaltpotential dieses Spiels absolut in den Vordergrund rücken lassen. Das Ergebnis: Zahlreiche Fans, vor allem solche mit Kindern an der Hand, werden dem Spiel fernbleiben, was abgesehen von Einnahmeverlusten für unseren Verein auch kein schöner Abschluss für diese großartige Saison sein kann. Andere, nennen wir sie mal „Freunde der Eskalation“, werden dadurch aber erst angezogen.

Dazu werden Fans von Hansa Rostock, die das vielleicht wichtigste Spiel der Saison live im Stadion erleben wollen, nun völlig zu Recht versuchen, sich über andere Kanäle Karten für das Spiel zu besorgen und dadurch zwischen den Düsseldorfern sitzen oder stehen, was sicher nicht im Sinne der Ordnungshüter sein kann. Die Fantrennung, die ohne die Maßnahmen wunderbar funktioniert hätte, ist nun nicht mehr möglich. Wer nur wenige Minuten im Rostocker Fanforum im Internet verbringt, kann erahnen, wie viele Gäste am 9. Mai im Heimbereich unterwegs sein werden. Bei einem Spiel mit dieser sportlichen (!) Brisanz, kaum auszudenken. Kommt es dann zu (durch die Beschränkung und die fehlende Fantrennung verursachten) Ausschreitungen, wird es unnötige Stadionverbote hageln und sowohl die Fans sowie Vereine als auch die Polizei stehen vor einem Haufen Probleme. Auch eine geordnete An- und Abreise ist kaum noch zu organisieren, da jetzt zahlreiche Rostocker in denselben Bahnen wie die Düsseldorfer sitzen werden, um ebenfalls über die Heimeingänge zu ihren Plätzen zu kommen. Die Frage ist: Wem nützt diese Eskalation? Wer hätte etwas davon?

Und wie will man mit einer beschränkten Kartenpolitik eigentlich Ausschreitungen am Abend in der Altstadt verhindern? Sollte das nicht die Hauptsorge der Polizei sein, wenn – entweder euphorische oder verbitterte – Massen durch die ohnehin schon nicht allzu friedliche Kneipenlandschaft ziehen? Dazu gibt es keine Lösungsansätze. Stattdessen hat man sich durch diesen unüberlegten Schnellschuss neue Probleme im Stadionumfeld geschaffen, die sonst nicht aufgetreten werden. Sicher, einige Rostocker werden sich davon abhalten lassen, nach Düsseldorf zu kommen. Aber wer die Geschicke von Hansa schon etwas länger verfolgt und das Spiel unbedingt sehen will, der schafft das auch in einem Stadion mit 50.000 hässlichen Sitzen; auch wenn nur 40.000 Karten verkauft werden. Denkt denn wirklich jemand, 5000 Rostocker im abgesicherten Gästeblock wären schwieriger zu kontrollieren als 2500 im Gästeblock und mindestens 1000 weitere verteilt im ganzen Stadion? Wofür gibt es dann die ganzen Kontrollen und Kameras, Zivilpolizisten und Ordner, Sicherheitszonen und hypermodernen Arenen? Wie kommt man auf diese völlig realitätsfremde Idee?

Doch fernab aller logischer Kritik an diesem Meisterwerk der Polizeitaktik, ist unsere Kritik viel grundsätzlicher. Wo sind wir angekommen, wenn die Polizei nun nach Gutdünken entscheidet, zu welchem Spiel, wie viele Zuschauer aus welcher Stadt anreisen dürfen? Hier wird ein Präzedenzfall geschaffen. Die Schwelle ist übertreten, ab jetzt ist diese Maßnahme immer wieder möglich. Aber nach welchen Kriterien wird in Zukunft entschieden, was wichtig und brisant ist und wo es Beschränkungen geben „muss“? Gibt es das in Zukunft bei jedem Derby, Pokal- oder Relegationsspiel? Bei jedem wichtigen Kick gegen Saisonende? Selbst der DFB, der ähnliche Maßnahmen in diesen Tagen auch gern als Strafe verhängt, ist entschieden dagegen, guckt dem ganzen Treiben aber nur stillschweigend zu. Dabei verkauft er sich (vor allem vor britischen Medien) gern als fanfreundlich und volksnah. Als der einzige Verband mit einer großen Liga, der angeblich die Preise niedrig hält und alle willkommen heißt. Der gern von der Bundesliga als Exportschlager spricht. Warum schreit er dann jetzt nicht laut auf? Denn nun geht es nicht mehr um Konsequenzen für Ausschreitungen oder anderen Verfehlungen in der Vergangenheit, hier geht es um reine präventive Repression. Nichts muss vorgefallen sein zwischen den Klubs oder Fanszenen. Und natürlich ist noch lange nichts am Spieltag passiert, was extreme Maßnahmen rechtfertigen würde. Es ist schlimm genug, dass die ZIS mittlerweile die Anstoßzeiten diktiert, jetzt übernimmt die Exekutive weitere legislative Vollmachten und bestimmt über den Ablauf des Spiels. Weil irgendjemand das für richtig hält, der keine Ahnung von der Materie zu haben scheint?

Werden Gästefans bald komplett verboten?

Und welche Rolle spielt eigentlich unser Verein? Kommt zwar zum Sicherheitstreffen, aber nicht auf Idee, Fanvertreter zu einem Gespräch mitzunehmen, in dem es um Fans geht, obwohl auch er sich gern als fanfreundlich verkauft? Dann hört er sich den Vorschlag an und stimmt einfach zu? Er protestiert nicht? Und falls doch und das kein Erfolg gehabt haben sollte, sucht er nicht die Öffentlichkeit, um den Druck auf die Polizei zu erhöhen? Um seinen Fans die Chance zu geben, die Mannschaft würdig in die Sommerpause zu verabschieden oder im alles entscheidenden Spiel noch mal in Richtung Relegation zu schreien? Oder um die Rostocker so behandeln zu können, wie er es auch von anderen Vereinen gegenüber seinen Anhängern erwartet? Er lässt sich also bei seiner eigenen Veranstaltung, bei der er Hausrecht hat, in seiner Freiheit beschneiden und riskiert die Sicherheit seiner Fans? Er denkt nicht mal an den Einnahmeverlust und die schlechte Presse, die eine solche Maßnahme mit sich bringen? Und dann schließt er auch nicht den Onlineshop, sondern unterstützt die Vermischung der Fangruppen auch noch? Hut ab!

Deshalb steht für uns fest, dass wir dieses Spiel nicht als Gruppe besuchen werden. Wir werden den Block 42 fünf Minuten später betreten, es gibt keine Fahnen, keinen organisierten Support. Das geht natürlich nicht gegen die Mannschaft, die bereits informiert wurde. Und wir wollen auch niemandem diktieren, uns zu folgen oder uns gar anmaßen, dem Rest des Stadions das Singen zu verbieten. Wir wollen einfach ein Zeichen setzen und freuen uns über jegliche Solidarität. Denn dieses Thema geht uns alle an. Heute ist es Rostock, bald sind es vielleicht wir, wenn wir ein entscheidendes Auswärtsspiel haben oder es (endlich) mal wieder gegen die widerlichen Kölner geht. So weit darf es nicht kommen.

Ultras Düsseldorf 2000 boykottieren.

Fanfotos Fortuna Düsseldorf




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