Emotionaler Abschied

85 Jahre lang war der Bökelberg die Heimat von Borussia Mönchengladbach. Im kommenden Jahr wird mit dem Stadion ein Stück Fußballgeschichte abgerissen.

Lange hatte man sich auf dieses Spiel vorbereitet, auf den letzten Auftritt der Borussia am Bökelberg. Seit der Unterzeichnung der Verträge für das neue Stadion im Nordpark war allen bewusst, dass die Tage für den Bökelberg gezählt sind. Nachdem sich Pläne, dieses Stadion auszubauen, aufgrund der Anwohnersituation nicht realisieren ließen, musste ein alternativer Standort gesucht werden. Dieser wurde gefunden, und mit der Fertigstellung der neuen Spielstätte verabschiedet sich der Bökelberg für immer von der großen Fußballbühne. Der TSV 1860 München war die letzte Mannschaft, die dort gastierte.

„Bye, bye Bökelberg“ hieß es am 22. Mai 2004, aber im Grunde begann der Abschied bereits mit Beginn der Saison. In einem Countdown wurden die verbliebenen Spiele runtergezählt, es gab Abschieds-T-Shirts, Pins, Poster und Tassen zu kaufen. Die letzten Auftritte der Saison waren bereits Wochen vorher ausverkauft, da niemand beim Abschied fehlen wollte. Und am letzten Tag waren dann auch alle noch einmal da. Ehemalige Spieler, Fans, Freunde und Wegbegleiter des Vereins waren gekommen, um gemeinsam die Verabschiedung des Stadions zu feiern. Die Fans der Borussia veranstalteten aus diesem Anlass eine große Choreographie. Auf der Haupttribüne wurde mit Transparenten und mehr als 5.000 Papptafeln der Schriftzug „Unser Bökelberg – Seit 1919“ gebildet. Die Nordkurve zog ein großes Transparent mit dem Slogan „Bye, bye Bölkelberg“ auf und auf der Ostseite wurden Überziehfahnen entrollt, die Bilder von der Meisterschale, dem DFB-Pokal und dem UEFA-Pokal zeigten, um an große Erfolge der Borussia in diesem Stadion zu erinnern.

Aber es gab auch viele kleine Spruchbänder, mit denen Fans ihren persönlichen Abschied begingen. Während der zweiten Halbzeit entwickelte sich eine ausgelassene Party auf den Rängen. Das Spiel geriet dabei in den Hintergrund, die Fans feierten sich, die Borussia und das Stadion. Nach Spielende blieben die Zuschauer noch lange im Stadion, bevor es zur Fanfete am Eickener Markt ging. Und sie hielten sich sich an die Bitte, das Spielfeld nicht zu betreten, da der Bökelberg noch für den Zeitraum eines Jahres für Amateure und Jugend benötigt wird.

Ein würdiger Abschied für ein Stadion, das vor 85 Jahren mit einem Spiel zwischen Borussia und Eintracht Mönchengladbach eingeweiht wurde. Ein Jahr später erhielt es den Namen „Westdeutsches Stadion“, der später durch die Bezeichnung „Bökelberg“ abgelöst wurde. Ein Sportjournalist hat ihn in Anlehnung an den Betzenberg so getauft.

Und das Stadion schrieb Fußballgeschichte: Rund 14 Millionen Zuschauer sahen dort 628 Bundesliga-Spiele; fünf Meis-terschaften und zwei UEFA-Cup-Siege wurden dort gefeiert. Es gab unvergess-liche Momente wie den legendären Pfostenbruch, der eine Fortsetzung des Spiels gegen Werder Bremen unmöglich machte, oder aber der 7:1-Erfolg im UEFA-Pokal gegen Inter Mailand, der später annuliert wurde, weil der italienische Spieler Boninsegna von einer Büchse getroffen wurde. Und auch aus Zuschauersicht bleibt das Stadion unvergessen. Die Nähe zum Spielfeld und die steilen Ränge waren einzigartig in der Bundesliga. Aber das Stadion erfüllte von Jahr zu Jahr weniger die Anforderungen an Kapazität und Komfort. Immer wieder hätte die Borussia mehr als die 34.500 Karten verkaufen können und die Anzahl der Presse- und VIP-Plätze entsprachen längst nicht mehr den Ansprüchen. Mit dem 85 Millionen-Euro-Neubau im Nordpark eröffnen sich für den Verein völlig neue Möglichkeiten, so dass bei allem Abschiedsschmerz die Vorfreude in Mönchengladbach überwiegt.

Los geht es im neuen Stadion am 30. Juli. Zur Eröffnung findet ein Turnier mit Bayern München und dem AS Monaco statt. Bereits am Nachmittag startet eine große Fanparade vom Bökelberg zum neuen Stadion. Ziel der Veranstaltung soll es sein, den „Mythos des alten Stadions“ in die neue Heimat zu transportieren. Etwa 7,5 Kilometer beträgt die Strecke für den Umzug, an dem neben Fußgruppen auch mehrere mit Fanutensilien geschmückte Karnevalswagen teilnehmen werden. Rund 500 Fanclubs wurden hierfür angeschrieben. Nach etwa drei Stunden wird der Umzug dann am neuen Stadion ankommen. (Faszination Fankurve, 01.06.2004)

Das war der Bökelberg

Fassungsvermögen: 34.500

Sitzplätze: 8.700 (alle überdacht)