23.02.2021 - Fortuna Düsseldorf

„Lasst uns aufhören, lediglich die Symptome zu bekämpfen“


Dissidenti Ultra von Fortuna Düsseldorf hat am vergangenen Samstag eine ausführliche Stellungnahme veröffentlicht, in die Gruppe erklärt, dass man zuerst das kapitalistische System ändern müsse, bevor es einen Fußball geben könne, in dem der Profit nicht an erster Stelle steht.

„In allen Bereichen, auch im Profifußball, wird deutlich, dass es so nicht weiter gehen kann und darf. Es ist kein Geheimnis, dass uns Fußballfans immer wieder Hürden in den Weg gestellt werden, wir ständiger Repression ausgesetzt sind oder uns andere Probleme vor die Füße geworfen werden. Schon immer haben wir versucht, klar zu kommen, kritisch hinterfragt, Missstände aufgezeigt und gegen das bestehende System gekämpft. Ein bitterer, unermüdlicher Kampf nicht nur durch uns, sondern unzählige Fanszenen weltweit. Mittlerweile scheint es, als würden selbst die systemtreusten Kapitalismusliebhaber*innen merken, dass die Probleme des Fußballs auf ein und dasselbe Thema zurückzuführen sind. Plötzlich wird über eine 'gerechtere' Verteilung von Fernsehgeldern diskutiert. Transfersummen und Gehälter werden in Frage gestellt. Kann es also wirklich sein, dass den Funktionär*innen, Vorständen, Manager*innen, dem System Profifußball klar geworden ist, dass sich etwas verändern muss? Die Antwort ist leider ernüchternd und leicht vorhersehbar – Nein“, ist Dissidenti Ultra wenig überrascht von den bisher kaum zu spürenden Reformen im deutschen Profifußball seit Beginn der Corona-Pandemie.

Die Düsseldorfer Ultragruppe hat zwar Verständnis für das Engagement von aktiven Fans, die sich zum Beispiel bei „Unser Fußball“ für weitreichende Reformen im deutschen Fußball eingesetzt haben, doch die Gruppe teilt den Glauben nicht, dass sich durch solche Reformbemühungen, wie zum Beispiel auch in der Taskforce „Zukunft Profifußball“, tatsächlich positive Veränderungen herbeiführen lassen: „Wir möchten hiermit nicht das Engagement, die Arbeit und den Willen der vielen Menschen kleinreden, welche sich immer wieder an einen 'Runden Tisch' nach dem nächsten setzen, um die Dinge positiv zu verändern. Wir begrüßen die aktuelle Entwicklung und Initiativen wie z.B. 'Unser Fußball' inklusive ihrer Reformbemühungen. Uns allen sollte jedoch bewusst sein, dass zwar eine Handvoll Symptome des Kapitalismus, nicht aber die Ursachen bekämpft werden. Der Kapitalismus wird in seine Schranken gewiesen, er setzt zeitweise eine vermeintlich gerechtere Maske auf, die Wogen werden geglättet, damit Fans zukünftig wieder ins Stadion gehen, anstatt sich komplett abzuwenden und dann ist wieder alles im Lot. Mitnichten, denn die Ursachen, die grundlegende Problematik ist dadurch nicht verschwunden sondern bleibt bestehen. Auch hier möchten wir deutlich erwähnen, dass Reformbemühungen nicht falsch sind. Jede noch so kleine, positive Veränderung ist gut und wichtig, denn so können Menschen erst erkennen, dass es auch anders geht, dass Veränderung, ja vielleicht sogar ein besserer und gerechterer Fußball möglich ist. Jede Veränderung liefert die Basis einer möglichen Bereitschaft zur Kapitalismuskritik und somit auch für grundsätzlichen Wandel“, so das Statement von Dissidenti weiter.

Den Fortuna-Ultras geht es nicht darum, den eigenen Verein dafür zu kritisieren, dass man bei hohen Spielergehältern, Ticketpreisen oder einem ausufernden Fanartikel-Angebot mitmacht. Auch Fortuna Düsseldorf sei in einem System gefangen, in dem es darum gehe immer höhere Profite zu erzielen, um mit anderen Clubs mithalten zu können und entsprechende Spieler zu verpflichten. Auch auf Verbands- und Liga-Ebene wird vieles dem Profitgedanken untergeordnet, so zum Beispiel bei der Zerstückelung des Spieltags, um noch mehr Fernsehgelder generieren zu können. Deshalb wollen die Fortuna-Ultras nicht primär die Clubs, Verbände, Spieler und Funktionäre, die ihre Rollen im modernen Profifußball haben, kritisierten, sondern das Gesellschafts- und Wirtschaftssystem, in dem der Profifußball organisiert wird, ins Zentrum der Kritik rücken.

Doch auch aktive Fans und Ultras seien selbst Teil des Systems und damit des Problems, weshalb sich Dissidenti selbst von der eigenen Kritik nicht freisprechen möchte: „Wir sind Teil des Systems und halten es am Leben, egal ob wir das wollen oder nicht. Wir sind die Menschen die Emotionen ins Stadion tragen. Wir sind voller Leidenschaft, schreien uns die Seele aus dem Leib. Wir reisen hunderte Kilometer und ganz egal wie viele Niederlagen wir einstecken müssen, wir würden es immer wieder tun. Wir verbringen unzählige Stunden kniend auf dem Boden, um Fahnen zu malen und Choreos vorzubereiten. All das machen wir aus Liebe zu unserem Verein und nicht wegen des Profits. Doch unsere Arbeitskraft produziert, der Profifußball verwertet. Wir sind nämlich die Menschen, die das 'Stadionerlebnis' zu dem machen was es ist. Es sind unsere Stimmen, die Sky bei Geisterspielen verwertet, wenn du Stadiongesänge per Knopfdruck bestellst. Mit uns wird an jedem verdammten Spieltag Profit generiert und trotzdem heißt es am Ende des Tages, wir seien nur unverbesserliche Chaot*innen, sogenannte Fußballfans. Die Vereine dieser Welt müssten uns allen den roten Teppich ausrollen, denn ohne uns wären sie, wäre der Fußball nichts. Bei all der berechtigten Wut und Frustration möchten wir euch jedoch sagen, dass auch wir das kapitalistische System für uns nutzen. Wir alle leben im Hier und Jetzt und leider finanzieren sich Fahnen, Choreos und Co. nicht von alleine. Auch wir vermarkten uns, produzieren Waren, für die ihr Geld zahlt, überlegen was euch gefallen könnte. Wir möchten nicht den Anschein erwecken, besser als andere zu sein oder alles perfekt zu machen. Auch für uns ist es lediglich der Versuch in diesem beschissenen System irgendwie klar zu kommen, während wir gleichzeitig versuchen, Dinge positiv zu verändern, um unserer Vorstellung eines besseren Lebens Stück für Stück näher zu kommen. Wir haben keinen geheimen Plan zur Lösung im Gepäck. Doch was wir ganz sicher wissen ist, dass ein Fußball so wie wir ihn uns wünschen im bestehendem nicht existieren kann. Wir müssen den Kapitalismus überwinden und das schaffen wir nur durch eine gemeinschaftlich entwickelte Lösung und die gemeinsame Umsetzung. Lasst uns anfangen zu diskutieren. Lasst uns aufhören, lediglich die Symptome zu bekämpfen. Lasst uns gemeinsam den Kapitalismus überwinden. Organisiert euch und bildet Banden oder Bündnisse. Unterstützt die Menschen vor Ort in ihren Arbeitskämpfen, Startet Solidaritätsaktionen für Streikbündnisse, schließt euch den feministischen Kämpfen in eurer Stadt an, verbündet euch und lasst uns gemeinsam dieses dreckige System zu Fall bringen. Fight The Game – Not The Players! Für eine bessere Welt und einen Fußball der uns allen gehört!“, macht Dissidenti im eigenen Statement deutlich, dass man sich einen Systemwandel wünscht, statt einer Bekämpfung der Symptome. Hier geht es zur gesamten Stellungnahme auf der Webseite von Dissidenti Ultra. (Faszination Fankurve, 23.02.2021)

Fanfotos Fortuna Düsseldorf




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