07.11.2014 - FC Bayern München

Schickeria & Anwälte melden sich zu Wort


Nachdem wir gestern über Solidarität aus Nürnberg für die Schickeria berichteten, meldet sich heute die Schickeria selbst zu den Vorfällen beim Derby im April 2013 zu Wort. Außerdem gibt es eine Stellungnahme vom Anwalt eines beschuldigten Schickeria-Mitglieds sowie eine Mitteilung der AG Fananwälte.


Die Schickeria beteuert in ihrer Mitteilung, dass es keinen sogenannten Zangenangriff auf die Nürnberger Ultras gab. Vielmehr habe die Polizei die Club-Ultras auf eine Route geführt, die überlicherweise von Bayern-Fans genutzt wird, aber nicht von anreisenden Gästefans. Die Schickeria widerspricht der Polizei in aller Deutlichkeit und sagt, dass es keine „kriegsähnlichen Zustände“ gab. Die Vorfälle seien wegen spontaner Kurzschluss-Reaktionen entstanden. Ein rechtsstaatliches Gericht müsste dies in den Augen der Ultras auch so sehen.


Der Rechtsanwalt des beschuldigten Schickeria Mitglieds erhebt Vorwürfe gegen Staatsanwaltschaft und Polizei. Es hätte eine Vorverurteilung seines Mandanten Simon Müller gegeben und seine Privatsphäre sei verletzt worden, weshalb Strafanzeige wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses gegen die Staatsanwaltschaft München eingereicht wurde. Simon Müller ist nicht verurteilt, sondern ein Beschuldigter, gegen den zwar Anklage erhoben wurde, aber das Gericht hat noch nicht über die Eröffnung entschieden. Verurteilt wurde ein anderer Ultrà vom FC Bayern, das Urteil ist aber noch nicht rechtskräftig!

Die AG Fananwälte sehen in dem Verfahren einen „Versuch missliebige Ultragruppen zu bekämpfen.“ (Faszination Fankurve, 07.11.2014)

Faszination Fankurve dokumentiert die Erklärung der Schickeria München:

Erklärung zu den gegen Mitglieder unserer Gruppe in einigen Medien verbreiteten Vorwürfe in Zusammenhang mit dem Spiel FC Bayern – 1. FC Nürnberg am 13.04.2013
In der Berichterstattung über einige Gerichtsverfahren im Kontext der Vorfällen rund um oben genanntes Spiel von vor über eineinhalb Jahren werden Behauptungen verbreitet, die wir nicht mehr unwidersprochen stehen lassen wollen.
Es gab keine „kriegsähnlichen Zustände“
Die Behauptungen basieren weitgehend auf den Äußerungen des Münchner Vize-Polizeipräsidenten, der von „einer neuen Dimension der Gewalt“ spricht. Weiter wird von „kriegsähnlichen Zuständen“ fabuliert. Diese Beschreibungen für die Ereignisse sind nicht nur an sich grotesk und anstößig, sie verdrehen die Realität. Fakt ist, dass sich die Wege einer Gruppe Münchner Fans auf einer Strecke, auf der die Fangruppen üblicherweise zum Stadion gehen, mit denen der von der Polizei auf einem für Gästefans unüblichen Umweg begleiteten und gelenkten Nürnberger Fanszene kreuzten. Dabei kam es nüchtern und sachlich betrachtet zu Unruhe, Gepose, Pöbeleien, ein paar, spektakulär ausschauenden Rennereien und einigen wenigen, kurzen und unspektakulären Handgreiflichkeiten zwischen einzelnen Mitgliedern beider Fanlager, die man an einer Hand abzählen kann.
Es mag im Anschluss gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen Nürnbergern und der Polizei gegeben haben. Es sollte dabei aber nicht nur das Verhalten der Fans, sondern auch die Handlungen der eingesetzten Beamten hinterfragt werden, inwieweit die Gewalttätigkeiten gegen Fans notwendig und gerechtfertigt waren und Anteil an der Eskalation hatten sowie ob sich einzelne Polizisten dabei strafbar gemacht haben. Wir möchten in diesem Zusammenhang auf die Erklärung der Rot-Schwarzen Hilfe aus Nürnberg verweisen.
Es gab keinen geplanten „Zangenangriff“
Zeitgleich konnten Bayern-Fans am üblichen Treffpunkt der Südkurve aus der Ferne beobachten, wie es an einer Stelle, welche die kleine Gruppe unsere Freunde passieren musste, zu Tumulten kam, als die von der Polizei gelenkte Gruppe Nürnberger diese Stelle erreicht hatte. Reflexartig wollten viele Bayern-Fans am Treffpunkt der Südkurve ihren Freunden helfen und rannten los. Dies geschah aber ohne auch nur einen Polizisten anzugehen oder die zwischen Streetworkbus und Laufweg der Nürnberger postierten Polizeiketten zu durchbrechen. Tatsächlich ist ein ziemlich planloser Haufen erstmal in die komplett falsche Richtung gelaufen und am Ende haben es erst nach einiger Zeit nur einige wenige annähernd in die Nähe des Geschehens geschafft, das da schon lange vorbei war. Wir reden hier jedoch davon, dass diese kleine Gruppe immer noch über hundert Meter von den Nürnbergern entfernt war und sich innerhalb von Sekunden ohne Anstalten von einigen Polizisten hat verscheuchen lassen. Ein geplanter Angriff schaut anders aus als diese spontane Kurzschluss-Reaktion. Im Übrigen wäre es darüber hinaus gar nicht möglich, einen solchen Angriff unter diesen Begebenheiten mit all diesen Unwägbarkeiten und Unbekannten zu planen. Vielmehr gab es eine Verkettung von Zufällen und Entscheidungen, die wir weder wissen noch beeinflussen konnten sowie eine Dynamik der Ereignisse. Ein faires, rechtsstaatliches Verfahren würde unserer Meinung nach aufgrund der Indizien zu dem selben Schluss kommen. Von Seiten der Ermittler wurden hingegen während des laufenden Verfahrens Hypothesen verbreitet, um das Konstrukt eines minutiös generalstabsmäßigen und „militärischen“ geplanten Zangenangriffs zu stützen, die zum Teil auf Falschaussagen sowie auf Vermutung und Unterstellungen beruhen.
Offensichtlich wird dabei umso mehr „auf den Putz gehauen“, um von eigenen Fehlern abzulenken. Die Einsatzleitung wusste, dass ein erheblicher Teil der Münchner Szene nicht am Treffpunkt Streetworkbus war und vorhersagbar erst später ankommen würde. Es wurde von dieser Einsatzleitung kurzfristig entschieden, die Nürnberger Szene auf einem Weg zum Stadion zu führen, der den üblichen Laufweg der Münchner Fans kreuzt und auf dem normalerweise keine Gästefans geleitet werden. Dabei hat die Einsatzleitung die Nürnberger durch nur wenige Kräfte begleiten lassen.
Die aufgestellten und in den Medien verbreiteten Behauptungen werden einer unvoreingenommenen, nüchternen und sachlichen Betrachtung nicht gerecht.
SCHICKERIA MÜNCHEN

Stellungnahme des Rechtsanwalt Marco Noli zum Vorverurteilung von Simon Müller, Schickeria:

Zu Berichterstattung über Verfahren Simon Müller, Schickeria

Am 24.10.2014 fand im Bayerischen Rundfunk hinsichtlich des Herrn Simon Müller eine diffamierende und vorverurteilenende Berichterstattung statt, die dazu veranlasst hierzu Stellung zu nehmen.

Die Berichterstattung des BR in Radio und Fernsehen – unter voller Namensnennung und mit Foto – verletzt nicht nur die Persönlichkeitsrechte meines Mandanten, sondern suggeriert zudem fälschlicherweise, dass diesem von der Staatsanwaltschaft eine „Rädelsführerschaft“ an Ausschreitungen am 13.04.2013 anlässlich des Spiels Bayern-Nürnberg vorgeworfen würde. Eine angebliche „Rädelsführerschaft“ an Ausschreitungen wird Herrn Simon Müller selbst von der Staatsanwaltschaft tatsächlich gar nicht vorgeworfen und wäre auch in keiner Weise mit dem Ermittlungsergebnis vereinbar. Die Staatsanwaltschaft hat dennoch an dieser irreführenden Berichterstattung sogar aktiv mitgewirkt und damit dieser quasi noch einen amtlichen Stempel aufgedrückt, in dem seitens der Pressesprecherin behauptet wurde, mein Mandant sei in „Planungen involviert“ gewesen. Dies stellt eine gravierende Amtspflichtverletzung dar. Hierdurch ist ein faires Verfahren nicht mehr gesichert und die Unschuldsvermutung erheblich verletzt worden. Wir haben auch aus diesem Grund die Einstellung des Verfahrens beantragt.

Mein Mandant hat sich in keiner Art und Weise an dem hier gegenständlichen Vorfall am 13.04.2013 anlässlich des Spiels Bayern-Nürnberg beteiligt. Soweit die Staatsanwaltschaft weiterhin die Tatvorwurf-These „Beihilfe zum Landfriedensbruch“ vertritt, beruht dies ebenfalls ausschließlich auf Vermutungen, die durch nichts in den Akten belegt sind. Auch dieser Vorwurf wird zurückgewiesen.

Insbesondere die Polizei agiert in dieser Angelegenheit mit gezielter Falschinformation und Verletzungen von Dienstgeheimnissen. Dies zeigt, dass es hier um eine gezielte Diffamierung meines Mandanten und nicht um eine prozessordnungsgemäße Durchführung von Ermittlungen geht.

So wurde ein zunächst gegen Herrn Simon Müller vom FC Bayern München verhängtes (privatrechtliches, bundesweites) Stadionverbot nach weniger als 2 Monaten, bereits im September 2013, wieder aufgehoben, weil die Polizei für dessen „Beantragung“ nachweislich falsche Tatsachen behauptet hatte. Die Polizei hatte gegenüber dem FC Bayern behauptet, Herr Simon Müller sei in einer 60köpfigen „Angreifergruppe“ gewesen. Dies ist nachweislich falsch.

Neben dieser gezielten Falschinformation besteht aufgrund uns vorliegender Tatsachen der Verdacht, dass durch Polizeibeamte des Polizeipräsidium München Informationen über die Ermittlungen und insbesondere die Person Simon Müller unter strafbarer Verletzung des Dienstgeheimnisses veröffentlicht bzw. weitergegeben wurden.

Wir haben daher mittlerweile diesbezüglich Strafanzeige wegen Verletzung des Dienstgeheimnisses gemäß § 353b StGB (zunächst gegen unbekannt) bei der Staatsanwaltschaft München I gestellt.


Marco Noli
Rechtsanwalt

Stellungnahme der AG Fananwälte zu den Vorfällen:
Zu den Strafverfahren im Zusammenhang mit dem Spiel Bayern-Nürnberg am 13.04.2013
Die Strafverfahren im Zusammenhang mit dem oben genannten Spiel, sowie die Berichterstattung darüber veranlassen uns zu einer Stellungnahme.
Zunächst fällt auf, dass in diesen Verfahren aber auch in anderen Verfahren mit Fußballbezug der Landfriedensbruch-Tatbestand (§125 StGB) in einer Art und Weise überdehnt wird, dass selbst das Nichtstun und bloße Dabei sein als strafbar erachtet wird. Dies steht im völligen Widerspruch zur Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs, der in einem Grundsatzurteil klargestellt hat, dass das bloße „Dabeisein“ in einer unfriedlichen Menge für eine Tatbestandsverwirklichung des Landfriedensbruchs nicht ausreicht. Der Landfriedensbruch gehört ohnehin zu den wachsweichen Straftatbeständen, die nur sehr schwach umrissen sind.
Demgegenüber stehen die von der Staatsanwaltschaft beantragten und von den Gerichten teilweise auch verhängten Strafen in keinem Verhältnis mehr zur individuellen Schuld. Die Strafmaße haben jede Verhältnismäßigkeit verloren.
Das krasse Missverhältnis zwischen tatsächlichem individuellem Verhalten und der öffentlichen Kommentierung darüber, die unweigerlich auch teilweise bis in die Gerichtssäle durchdringt, liegt sichtbar zu einem großen Teil an den Aktivitäten der Presseabteilung des PP München. Dies führt zu einer unsachlichen Überhöhung der Geschehnisse, mitunter zu einer „inbrünstigen Verdammung“ der Ultrafans (Zitat Rechtsanwalt Rolf Grabow, München). Es ist sehr gefährlich wenn es nicht mehr in erster Linie um persönliche Schuld oder Nichtschuld geht, sondern Verfahren durch präventive Gesichtspunkte, und den Versuch missliebige Ultragruppen zu bekämpfen, überdeckt werden. Derartige Sippenhaft und Gruppenstrafbarkeit sieht das deutsche Strafrecht nicht vor.
Unter dieser aufgeheizten Stimmung gerät die Unschuldsvermutung erheblich in Gefahr und das macht es jedem Richter schwer.
Es geht in diesem Verfahren scheinbar gar nicht mehr um die Sache selbst, das Verfahren hat sich verselbständigt und ist mehr und mehr zu einem Politikum geworden. Man muss sicherlich darüber diskutieren wie man mit manchen aktiven Fußballfans umgeht, aber dies ist nicht die Aufgabe eines repressiven strafprozeßualen Verfahrens. Der Strafprozeß darf daher nicht durch präventive Überlegungen vermischt, ja sogar überlagert werden. Ansonsten müsste man sich konsequenterweise auch mit polizeilichen Konfliktstrategien und polizeilichen Versäumnissen auseinandersetzen. Dies ist in diesem Verfahren bisher nicht ansatzweise erfolgt, obwohl es gute Gründe dafür gäbe.

AG Fananwälte

Fanfotos FC Bayern München




Weitere News:
28.11.2021: „Auftreten im Stadion vorerst nicht mehr möglich“
26.11.2021: Denkwürdige Jahreshauptversammlung beim FC Bayern München
18.11.2021: Katar-Antrag beim: Antragsteller will klagen
17.11.2021: FC Bayern-Ultras berichten über Reise durch Nordafrika
15.11.2021: „Entscheidet mit über die Zukunft beim FC Bayern“

Alle 474 News anzeigen