01.12.2004 - 1. FC Union Berlin

Schwere Vorwürfe gegen die Polizei


Es begann mit einem Gerangel an den Kasse. Weit über 1.000 der 1.500 Fans von Union Berlin sind ohne Karte nach Chemnitz angereist. Vor dem Eingang des Gästeblockes verzögert sich der Verkauf. „Da haben sich die Unioner sicher nicht vorbildlich verhalten“, räumt Sven Schlensog, der Fanbeauftragte, ein, „aber die Kassensituation war schlecht. Die konnten nicht alle Fans abwickeln. Was dann folgte ist durch nichts zu rechtfertigen. Statt beruhigender Worte kam Pfefferspray zum Einsatz“ – nur ein Teil der Jagdszenen, die sich rund um den Fußballnachmittag ereigneten.

„Circa 500 Meter vor dem Stadion lief seitlich versetzt vor mir ein Union-Fan,“ so eine weitere Zeugenaussage, „ohne erkennbaren Grund beschleunigte ein Transporter der Polizei, die hintere Seitentür sprang auf, und überfallartig wurde er in das Auto gezerrt. Nach meiner Auffassung lag – egal, aus welchem Grund diese Polizeiaktion durchgeführt wurde – keine Verhältnismäßigkeit der Mittel vor. Der Fan machte nicht den Eindruck, vor irgendjemand zu flüchten oder sich gegen irgendetwas zu widersetzen. Nachdem er ins Auto gezogen wurde, schmissen die Insassen des Transporters die Seitentür zu und das Einsatzfahrzeug fuhr in hohem Tempo davon. Normalerweise würde ich von einer Entführung ausgehen.“

Fotos dokumentieren aber noch eine Reihe weiterer Vorkommnisse. Nachdem Berliner Fans diese zur Begutachtung an das sächsische Innenministerium geschickt hatten, hieß es in einer Stellungnahme: „Nach Sichtung des übersandten Bildes konnte bei näherer Betrachtung festgestellt werden, dass ein Polizeibeamter mit seinen Füßen vor und ein anderer Polizeibeamter hinter dem auf dem Boden liegenden Bürger steht. Ein Fuß im Genick des Bürgers ist nicht ersichtlich. Weiterhin wurden die anderen von Ihnen benannten Bilder und Dokumente angeschaut und auch hier konnte kein Anlass für dienstaufsichtliche Maßnahmen erkannt werden.“ Frank Fischer von der Polizeidirektion Chemnitz will sich zu den Vorfällen noch nicht konkret äußern: „Sicher bewerten wir so einen Einsatz auch intern. Wenn es zu Beschwerden kommt, dann werden wir diese selbstverständlich auch prüfen.“

Es stellt sich die Frage, ob die Rivalität der beiden Vereine ein erhöhtes Polizeiaufgebot oder ein schärferes Vorgehen rechtfertigte. „Wenn Berliner nach Sachsen fahren, war und ist immer ein wenig Brisanz dabei. Das gilt für fast alle Spiele unter Ostvereinen,“ sagt André Lange vom Wuhlesyndikat, der leichte Verletzungen davontrug. „Trotzdem waren Begegnungen beim CFC nie von größeren Vorfällen begleitet, die solch ein Vorgehen der Sicherheitskräfte gerechtfertigt hätten.“

Was folgte, war eine Reihe von Beschwerden an die Polizei. Zuspruch gab es sogar von Dirk Zingler, dem Union-Präsidenten: „Das Vorgehen der Sicherheitskräfte entbehrte jeglicher Relation, das habe ich hautnah miterlebt. Wir empfehlen jedem Union-Fan, der Repressalien erlitten hat, Anzeige zu erstatten.“

„Die Fans sollen sich beim VIRUS melden, da wir die Vorfälle sammeln“, sagt Stefan Hupe von der Fan-Vereinigung, „es gibt viele, die sich beschweren, aber das schlägt sich nicht in konkreten Anzeigen nieder. Die Polizei in Chemnitz hat, soweit uns bekannt, leider überhaupt nur eine einzige Anzeige entgegengenommen – von jemanden, dem ein Zahn ausgeschlagen wurde.“ (Faszination Fankurve, 01.12.2004)

Fanfotos 1. FC Union Berlin




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