18.08.2020 - 1. FC Union Berlin

Union Berlin plant mit Präventivtests statt Abstandsregeln


Der 1. FC Union Berlin hat beim Senat von Berlin sowie dem Stadtbezirk Treptow-Köpenick die Austragung eines Testspiels am 05. September 2020 vor 3.000 Besuchern unter Anwendung eines Hygienekonzeptes mit einer neuen Infektionsschutzmaßnahme beantragt.

Begleitend zur Antragsstellung präsentierte der Fußball-Erstligist seine Leitidee „Der veranstaltungsveranlasste Virustest als Infektionsschutzmaßnahme“ sowie die exemplarische Prozesslinie „Veranstaltungsbesuch“ mit den fünf Stufen Registrierung, Ticketverkauf, COVID-19-Test, Stadionbesuch und Nachverfolgung.

„Es geht uns bei diesem Projekt nicht in erster Linie um Fußballspiele, auch wenn diese in unserem konkreten Fall die gängigste Form der Großveranstaltung sind. Unsere Stadt verliert ihr Gesicht und ihre Kraft, wenn nahezu der gesamte Veranstaltungsbetrieb dauerhaft brachliegt. Wir sind Teil dieser Branche und sehen uns in der Pflicht, aktiv und mit ganzer Kraft nach sicheren Wegen zur Rückkehr in einen wirtschaftlichen Betrieb zu suchen“, wird Union-Präsident Dirk Zingler auf der Vereins-Website zitiert. „Das wissenschaftliche Interesse an der Testung asymptomatischer Menschen, um verborgene Infektionsketten aufzudecken und unterbrechen zu können, auch um Testverfahren weiterzuentwickeln, ist ein zusätzlicher Nutzen für den allgemeinen Gesundheitsschutz. Daher hoffen wir, diesen Weg nun schrittweise mit den Berliner Behörden beginnen zu können.“


Die 24-seitige Leitidee des Clubs beschreibt das „anlassbezogene, wiederkehrende Testen asymptomatischer Personen. Die praktische Umsetzung bedarf weiterer prozessualer Überlegungen, die gemäß der Infektionsschutzverordnung in einem individuellen Schutz- und Hygienekonzept hinterlegt sein müssen.“ Infolgedessen soll der Präventivtest aller Veranstaltungsteilnehmer die aktuell geltende Abstandsregel ersetzen, deren Einhaltung nach der Meinung von Union Berlin dem Charakter vieler Veranstaltungsformate nicht entspricht.

Zur Bekämpfung der Pandemie sei es von hohem Interesse, bessere Testverfahren mit einer höheren Testkapazität zu entwickeln. So sollen nach Ansicht des Clubs derzeit vorhandene freie Testkapazitäten im Zusammenhang mit Präventivtests sinnvoll genutzt werden, um einerseits die Dunkelziffer der Ansteckungen zu verringern und andererseits die Hersteller von Testmaterialien dazu anzuregen ihre Produktion auszubauen und damit zusätzliche Testmaterialien bereitzustellen.

„Um asymptomatische Menschen zu Tests zu motivieren, werden Anlässe benötigt (intrinsische Motivation). Anlässe entstehen vor allem auch durch das Zusammenkommen von Menschen außerhalb der eigenen vier Wände.“ Während der Verein private Veranstaltungen nicht als geeignete Anlässe bezeichnet, könnte die Veranstaltungsbranche „eine interessante Schlüsselstellung einnehmen“, indem sie die massenhafte Testung einführe, asymptomatische Menschen zur Teilnahme an Präventivtests motiviere und gleichzeitig einen Markt schaffe, der die Hersteller zur Entwicklung neuer Verfahren motiviere. Durch ständige Wiederholung von Veranstaltungen, im Fußball im 14-tägigen Rhythmus, würden asymptomatische Menschen regelmäßig und mehrfach getestet. Dies trage zur Aufdeckung von möglichen falsch-negativen und falsch-positiven Testergebnissen bei.

Erweiterte Infektionsschutzverordnung
Darüber hinaus plädiert Union Berlin für eine Erweiterung der Infektionsschutzverordnung. Jeder Veranstalter müsse sich entscheiden dürfen, welche Hygienemaßnahme er anwende: Maske und Abstand oder präventiver Test. Die Verhältnismäßigkeit jeder Maßnahme müsse sowohl wissenschaftlich als auch juristisch gegeben sein.

Am 10. Juli 2020 hatte Union Berlin die Möglichkeit des präventiven Tests erstmals öffentlich zur Diskussion gestellt (Faszination Fankurve berichtete). Daran knüpft Dirk Zingler nun an: „Wir sind damals sehr bewusst an die Öffentlichkeit gegangen und unsere Erwartungen sind nicht enttäuscht worden. Die vielen Reaktionen – Fragen, Meinungen, Ablehnung und Unterstützung – haben uns sehr geholfen, das Konzept detailliert auszuarbeiten. Das Ziel der Vollauslastung steht für uns außer Frage, und dass der Weg dorthin über Zwischenschritte führen wird, ebenfalls. Wichtig ist uns, dass wir den ersten Schritt endlich gehen.“

Examplarischer Veranstaltungsbesuch
In der vorgestellten exemplarischen Prozesslinie des Clubs soll der Stadionbesucher zunächst ein Kundenkonto angelegen und dieses anschließend verifizieren. Zudem willigt er ein, an mit seinem Besuch an der Veranstaltung an einer medizinischen Studie teilzunehmen.

Anschließend nimmt der Fan an einem Losverfahren teil. Nachdem er sich zwischen Sitz- und Stehplatz entscheidet, erhält er eine E-Mail, ob sein Los gewonnen oder verloren hat. Gewinnerlose berechtigen zum Erwerb einer Eintrittskarte mit der aufschiebenden Bedingung eines negativen COVID-19-Tests. Der Gewinner wählt einen Stadionsektor aus und bucht seinen COVID-19-Test.

Am Spieltag selbst, an dem auch der Test durchgeführt wird, gelten eine rote, grüne und eine gelbe Zone. Die gelbe Zone die Ankunftzone für den Test, die nur mit gültiger Eintrittskarte bzw. Personaldokument betreten werden darf. Je nach Zuschauerzahl hat Union Berlin unterschiedliche Szenarien bezüglich der Menge an Personal, Tests, Test-Centern etc. entworfen. Bei 1.500 Besuchern wären 350 Mitarbeiter anwesend, so dass 1.850 Tests in insgesamt vier Centern durchgeführt werden müssten. Auf 22.012 Zuschauer (ausverkauft) kämen hingegen 1.100 Mitarbeiter sowie 23.112 Tests in elf Centern.

Bezüglich des Stadionbesuches sind darüber hinaus die unterschiedlichen Hygienevorschriften innerhalb der roten (öffentliches Straßenland), gelben (Ankunftzone) und grünen Zone (Stadiongelände) zu beachten.

Zwei Tage nach dem Spiel bekommt der Besucher einen digitalen Fragebogen zugesandt, bei dem er im Rahmen der medizinischen Studie systematisch nach Infektionssymptomen befragt wird. Fällt eine Frage positiv aus, erfolgt eine sofortige Kontaktaufnahme mit dem Gesundheitsamt. Der Besucher erhält einen Hinweis vom Gesundheitsamt, dass er in häuslicher Quarantäne bleiben muss. Gleiches gilt für umliegende Besucher, die durch Nachverfolgung der Infektionsketten ebenfalls benachrichtigt werden. (Faszination Fankurve, 18.08.2020)

Fanfotos 1. FC Union Berlin




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