17.02.2011 - FSV Zwickau

Verein kritisiert Polizeiverhalten


Der FSV Zwickau traf am Wochenende auf den 1. FC Gotha. Dabei kam es auf den Rängen zu Auseinandersetzungen zwischen FSV-Fans und der Polizei. In einer Stellungnahme fordert nun der FSV Zwickau und das Fanprojekt Zwickau die Polizei auf, das eigene Fehlverhalten zu hinterfragen.

Faszination Fankurve dokumentiert die Stellungnahme des FSV Zwickau und des Fanprojekts Zwickau:

Der FSV Zwickau kritisiert das Verhalten der eingesetzten Einheit der Bereitschaftspolizei in Gotha und bittet im Sinne aller Fußballfans darum, eigenes Fehlverhalten kritisch zu reflektieren und in Zukunft besonnener und vor allem den Gegebenheiten entsprechend zu agieren. Begebenheiten, die vor dem Spiel bereits sonnenklar schienen. Blicken wir also zunächst erst einmal eine Woche zurück: Der FSV und seine Fans veranstalten unter dem Motto „Respekt, Toleranz, Freiräume, Alternativen“ ein Freundschaftsspiel gegen die BSG Chemie Leipzig, die mit über 200 Anhängern auf der Südkampfbahn zu Gast war. Der FSV vertraut seinen Fans und ihrem selbst ausgearbeiteten Sicherheitskonzept. Ein Konzept ohne Zäune, Ansperrungen und behelmte Polizisten. Zwei rivalisierende Ultràgruppen stehen sich keine 100 Meter entfernt gegenüber. Viele haben noch die Bilder der Randale vor knapp vier Jahren vor Augen. Beteiligte? Unter anderem die beiden eben besagten Ultràgruppen. Doch genau diese Ultras haben die Zeichen der Zeit erkannt, sind reifer geworden und reflektieren sich und ihr Verhalten selbst. Genau das, was der FSV nun auch von den Polizeieinheiten verlangt.

Die Zugfahrt nach Gotha verlief ohne Zwischenfälle, wie immer bei Auswärtsspielen des FSV. Die Polizeipräsenz hält sich in Grenzen. Lediglich drei Zivilpolizisten begleiten die rund 70 Zugfahrer bis Gera, wo weitere fünf Beamte zusteigen. Diese halten sich im Hintergrund, sind im Prinzip gar nicht wahrzunehmen, denn sie stehen lediglich in den Zwischenabteilen. In Gotha angekommen dürfen die Fans ebenfalls ohne Begleitung in die Straßenbahn einsteigen und gen Stadion fahren. Die Zwickauer Fans rechtfertigen dass in sie gesetzte Vertrauen mit einem hohen Maß an Verantwortung und Selbstregulation. Am Stadion angekommen wandelt sich das Bild jedoch schnell. Die dort wartende Polizeieinheit ist überpräsent: 25 Einsatzfahrzeuge bei lediglich 70 zugreisenden Fans.

In der Folge werden die Fans ohne ersichtlichen Grund eingekesselt. Das Recht auf Bewegungsfreiheit existiert nicht mehr. Bei Temperaturen um null Grad müssen die Rot-Weißen in der Kälte ausharren. Aufwärmen in der Kneipe, der Gang zum nahegelegenen Supermarkt zur Stärkung, all das wird ihnen von einer wenig dialogbereiten Polizeieinheit verwehrt, und das, obwohl die Zeiger der Uhr noch nicht einmal 12 Uhr anzeigen, sprich bis Anpfiff sind noch über zwei Stunden Zeit. Ein Dank gilt an dieser Stelle nochmals den Anwohnern, die warmen Tee bereitstellten und sich solidarisierten.

Spätestens hier hätten die Kommunikationsdrähte der Beamten heiß glühen müssen. Die seit Jahren mitreisenden Zivilpolizisten kennen sich in der Szene bestens aus und wissen genau einzuschätzen, wo, wann und vom wem Gefahrenpotential ausgeht. Eine kurze Absprache, eine kurzes Telefonat würden Abhilfe leisten und den Beamten vor Ort erklären, das von diesen Fans keine Gefahr ausgeht. Fanprojektmitarbeiter Michael Voigt äußerte sich wie folgt zu dieser Situation: „Mir wurde auf nach mehrmaligen Nachfragen kein Grund genannt, warum sich Fans nicht frei bewegen durften. Nur das Versorgungsangebot im Stadion wurde angesprochen, was allerdings für mich nicht plausibel erschien.“

Während des Spiels indes blieb alles ruhig. Erst mit Schlusspfiff eskalierte die Situation zunächst auf dem Rasen. Doch auch von gegnerischen Fans, die auf den Platz stürmten, ließen sich unsere Anhänger nicht provozieren. Zwar war ein Großteil im Gästeblock ob des kuriosen Spiels, der Niederlage und den Geschehnissen nach Abpfiff sehr aufgewühlt, doch bestand offensichtlich für alle Anwesenden zu keiner Zeit die Gefahr, dass Zwickauer Fans den Zaun überschreiten und ihrem Unmut nonverbal kund tun. In dieser Situation braucht es Fingerspitzengefühl, was die anrückende Polizeieinheit erneut nicht bewies. Denn sonst wäre sie nach dem Schlusspfiff nicht in den Pulk der FSV-Fans gegangen und hätte die Fahnen abmachenden und auf die Spieler wartenden Anhänger versucht vom Zaun wegzudrängen. Als diese ihren Unmut bekundeten, setzte ein Beamter aus nächster Nähe (zwei Meter) Pfefferspray auf Augenhöhe ein, wohlwissend, dass es einen Fan im Pulk treffen muss! Ein blaues Auge nach einem Faustschlag eines Beamten muss leider ebenso in der Bilanz des Einsatzes vermerkt werden. Selbst die FSV-Spieler kletterten nun vom Spielfeld aus auf den Zaun, um die Beamten zum Rückzug zu bewegen.

Dem noch nicht genug, stand die Einheit beim Abgang der Fans aus dem Gästeblock mit aggressiven Polizeihunden ohne Maulkorb (!) auf einem Meter Entfernung zu den abreisenden Gästefans Spalier. Wie mehrere Augenzeugen berichteten, riss sich ein solcher Polizeihund ohne Maulkorb bereits wenige Minuten vorher von einem Beamten los und sprang kurze Zeit ohne Aufsichtsperson hinter dem Block herum. Nicht auszudenken, dieser verantwortungsloser Fehler wäre während dem Abrücken der Fans passiert, als sogar Eltern mit Kindern auf dem Arm an den bellenden und aufspringenden Hunden vorbei mussten.

Die Frage sei erlaubt: Was rechtfertig einen Einsatz von Polizeihunden?

Der FSV Zwickau und das Fanprojekt Zwickau e.V. kommen zu dem Schluss, dass das Spiel an diesem Tag ohne die Überpräsenz der Polizei völlig friedlich abgelaufen wäre und es zu keinen nennenswerten Vorfällen gekommen wäre. Das beste Beispiel dafür liegt eine Woche zurück und wurde auch auf der An – bzw. Abreise der Fans zum Gothaspiel in die Tat umgesetzt. Nie mehr als acht Beamte hielten sich zurück, wirkten deeskalierend und begegneten den Fans freundlich und mit Respekt, den diese auch zurückgaben.

Der FSV Zwickau und das Fanprojekt Zwickau e.V. fordern eine Aufklärung der Vorfälle seitens der zuständigen Polizei und eine kritische Selbstreflektion der eingesetzten Beamten. Denn in diesen Belangen sind unsere Fans offensichtlich einen Schritt voraus. Zudem müssen sich auch die zuständigen Einsatzleiter hinterfragen, welche Vorfälle es in letzter Zeit in Zusammenhang mit FSV-Fans gab, die einen solchen unverhältnismäßigen Einsatz, sowohl was die Anzahl der eingesetzten Polizeikräfte als auch deren Vorgehensweise rechtfertigen. Zudem bitten wir alle Parteien um einen fruchtbaren Dialog, um solche Einsätze in Zukunft bereits im Vorfeld ausschließen zu können und alternative Sicherheitskonzepte umzusetzen.

Desweiteren wir unser Verein eine Dienstaufsichtsbeschwerde an die betreffende Institution richten.

FSV Zwickau/Fanprojekt Zwickau e.V.

Fanfotos FSV Zwickau




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