21.02.2020 - BSG Chemie Leipzig

Video zeigt, dass Darstellung der Polizei falsch war


Am vergangenen Sonntag wurde ein Fan der BSG Chemie Leipzig beim Regionalliga Nordost-Auswärtsspiel in Fürstenwalde bei einem umstrittenen Polizeieinsatz schwer verletzt. Ein mittlerweile veröffentlichtes Video belegt, dass die Darstellung der Polizei zum Vorfall falsch waren.

Wegen des anhaltenden Regens wollten Chemie-Fans am Sonntag vom unüberdachten Stehplatzbereich der Bonava-Arena unter die überdachte Tribüne wechseln. Doch Polizisten schritten ein, um diesen Blockwechsel zu verhindern.


„Die anwesende Polizei unterband den angestrebten Wechsel durch ihr Agieren und verletzte einen Fan dabei so schwer, dass dieser noch am selben Tag im Krankenhaus operiert werden musste. Der Fan, der auf einem Zaun saß, wurde ohne vorherige Ansprache und ohne einsatztaktische Not urplötzlich durch mehrere Beamte brutal heruntergezogen. Die auf dem Zaun befindlichen Zacken bohrten sich dabei in den Oberschenkel des Fans und schlitzten diesen großflächig regelrecht auf. Der durch die Schwere der Verletzung benommene Fan wurde unterhalb des Zaunes liegengelassen. Ein, wie üblich vom Heimverein bestellter Sanitäter war nicht vor Ort: in erster Linie kümmerten sich mitgereiste Chemiefans um die Erstversorgung und das Anlegen von mehreren Druckverbänden. Erst nach etwa 20 Minuten traf endlich ein Rettungsdienst ein, der den Verletzten ins Krankenhaus brachte“, beschrieb das Rechtskollektiv Chemie Leipzig die Situation, die zu der Verletzung führte (Faszination Fankurve berichtete).

Das nun veröffentlichte Video, das den Vorfall zeigt, unterstreicht die Darstellung der Fanhilfe von Chemie Leipzig. Nach dem Vorfall erklärte Bernd Böttcher von der Polizei Fürstenwalde gegenüber der Leipziger Volkszeitung, dass „ein weniger sportlicher Fan“ am Zaun hängen geblieben sei und sich verletzt habe. Die Rechtshilfe empfand diese Darstellung als „Zynismus“. Zudem widersprach der Polizeisprecher damals der Aussage, dass der Fan von einem Polizisten vom Zaun heruntergezogen wurde. Doch genau dieses Vorgehen eines Polizeibeamten zeigt das nun veröffentlichte Video.

Achtung: Das folgende Video ist nichts für schwache Nerven. Es ist zu sehen, wie der Chemie-Fans sich schwer verletzt. Wer solche Szenen nicht sehen oder verarbeiten kann, sollte das Video nicht schauen. Hier ist das Video direkt auf Youtube zu sehen!

Erst durch die Filmaufnahmen wurde für die Öffentlichkeit sichtbar, dass die von der Polizei getätigten Darstellungen falsch sind. Die Polizei Brandenburg nahm deshalb auch nochmal Stellung zum Vorfall und korrigierte die eigenen Aussagen. „Wir entschuldigen uns für unsere teilweise falschen Aussagen, deren Ursachen eindeutig in einem internen Kommunikationsfehler liegen. Wir wünschen dem Verletzten eine schnelle Genesung! Der Einsatz wird aktuell noch ausgewertet“, heißt es dazu von der Polizei Brandenburg.

Ursprünglich behauptete die Polizei zum Verhalten des verletzten Chemie-Fans, der immer noch im Krankenhaus verweilt und bereits operiert werden musste: „Er versuchte unerlaubt eine Absperrung zu überwinden & wurde mehrfach aufgefordert, dies zu unterlassen. Nachdem er dem nicht nachkam, wurde er am Überklettern gehindert & verletzte sich.“ Doch auch diese Aussagen musste die Polizei nach Auftauchen des Videos korrigieren. Die Polizei ist jedoch weiterhin der Meinung, dass die Anwendung von Gewalt gegen den Chemie-Fan rechtmäßig war: „Es wurde von uns keine Anzeige wegen Widerstand und Beleidigung gegen den Verletzten aufgenommen, weil es das nach nunmehr vorliegenden Informationen nicht gab. Wir sind immer noch der Meinung, dass die Anwendung einfacher körperlicher Gewalt seitens des handelnden Polizeibeamten rechtmäßig war“, heißt es dazu in der neuesten Stellungnahme der Polizei Brandenburg.

Beim Rechtshilfekollektiv Chemie Leipzig meint man dazu: „Die Strategien der Verschleierung und Vertuschung und die damit verbundenen Kompetenzüberschreitungen in der polizeilichen Pressearbeit zeugen von einem durchaus miserablen Rechtstaatsverständnis.“ Miriam Feldmann, die Pressesprecherin des Rechtshilfekollektivs Chemie Leipzig erklärt zum heutigen Zustand des Fans: „Der verletzte Fan liegt leider immer noch im Krankenhaus. Er hat über seinen Anwalt bei der Staatsanwaltschaft Frankfurt/Oder Strafanzeige wegen Körperverletzung im Amt und unterlassener Hilfeleistung gestellt. Außerdem wurde die Polizei in Fürstenwalde und deren Pressesprecher dazu aufgefordert, im Rahmen einer öffentlichen Stellungnahme ihre belegbar falschen Aussagen zu widerrufen.“

Durch das Video wurde nun für die breite Öffentlichkeit sichtbar, dass die Darstellungen des Vorfalls vom Rechtshilfekollektiv aus der Fanszene von Chemie Leipzig zutreffend waren, die Aussagen der Polizei aber nicht. Obwohl zahlreiche Polizeibeamte den Vorfall gesehen haben dürften, verbreitete die Polizei im Nachgang eine falsche Darstellung der Geschehnisse, die erst durch die Veröffentlichung eines belastenden Videos korrigiert wurden.

Der Vorfall zeigt nochmal deutlich, wie schwer es ohne Videoaufnahmen ist, gegen falsche Darstellungen der Polizei anzukommen. Den Aussagen der eigenen Beamten wird bei den Pressestellen der Polizei häufig einfach Glauben geschenkt. In Medien werden die Darstellungen der Polizeipressestellen dann häufig unkritisch übernommen und verbreitet. Vor allem der ehrenamtlichen Arbeit der Fanhilfen, die es in Deutschland mittlerweile in zahlreichen Fanszenen gibt, ist es zu verdanken, dass auch andere Sichtweisen auf umstrittene Polizeieinsätze gegen Fußballfans an die Öffentlichkeit kommen.

Im brandenburgischen Landtag soll der Vorfall von Fürstenwalde nun auch Thema werden. Laut Angaben der Fanhilfe hat der LINKEN-Landtagsabgeordnete Andreas Büttner das Verhalten der Polizei in einer Kleinen Anfrage behandelt. Das brandenburgische Innenministerium muss sich nun dazu verhalten. (Faszination Fankurve, 21.02.2020)


Fanfotos BSG Chemie Leipzig




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