18.06.2014 - Deutschland

„WM ist sicher kein Fest der Fankultur“


Faszination Fankurve sprach mit Michael Gabriel, der als Fanbetreuer in Brasilien ist, über die Stimmung beim Spiel gegen Portugal, die Kartensituation bei den deutschen Spielen, die teuren Hotelpreise während der WM und Überfälle auf deutsche Fans.

Faszination Fankurve: Seit einigen Tagen seid ihr in Brasilien. Was sind Eure ersten Eindrücke?
Michael Gabriel: Bisher ausgesprochen positiv. Und so sehen es wohl auch alle Fans, die nach Brasilien gekommen sind. Wir haben bis jetzt schon von ganz vielen schönen Erlebnissen gehört. Salvador war auch ein großartiger Austragungsort mit einer beeindruckend schönen Altstadt und einem fußläufig zu erreichendem Stadion. Die Altstadt war schon für das Sao Joao -Fest geschmückt und es gab unendlich viele Bars, Kneipen und Verkaufsstände, die sich auf die WM vorbereitet hatten. Und der Weg zum Stadion war ein Erlebnis für sich, weil er direkt durch Wohnviertel führte und dort viele Brasilianer/innen auf der Straße waren und an den Fenstern schauten.

Faszination Fankurve: Die deutsche Mannschaft gewann gegen Portugal souverän mit 4-0. Wie war die Stimmung im Stadion?
Gabriel: Leider dem tollen Spiel der Mannschaft nicht angemessen, was aber nicht unbedingt an den Fans im Stadion lag, sondern meines Erachtens daran, dass die deutschen Fans sehr verteilt im Rund saßen. Das Kartenverteilsystem der FIFA hilft der Stimmung im Stadion definitiv nicht und ist auch an diesem Punkt ärgerlich.
Hinterher im Stadionumlauf, wo alle wieder zusammen kamen, war die Stimmung dann großartig. Gemeinsame und lautstarke Gesänge und viele nette Kontakte mit den ganzen internationalen Fans, die bei einer WM unterwegs sind.
Eine WM ist sicher kein Fest der Fankultur, wie wir sie aus deutschen, englischen oder argentinischen Stadien kennen. Die Fankultur bei einer WM lebt nicht so sehr von Gruppen, sondern vielmehr von der Internationalität und den einzelnen Fan-Biografien, die sich hier so tummeln, wie z.B. Bernd, der seit Jahren in Kanada wohnt, aber seit der WM 74 kein Turnier verpasst hat und sogar seit 1978 alle Endspiele gesehen hat.

Faszination Fankurve: Wie viele deutsche Fans befanden sich nach Euren Schätzungen beim Spiel gegen Portugal im Stadion und wie viele waren ohne gültige Eintrittskarten in der Stadt?
Gabriel: Wir schätzen, dass so 5-6000 Fans aus Deutschland im Stadion waren. Natürlich waren da noch viel mehr, die ein Trikot der Nationalmannschaft getragen haben, aber die kamen wirklich aus aller Herren Länder. Wie viele ohne Karten in der Stadt waren, ist wirklich schwer zu schätzen. Aber die Nachfrage nach Karten war schon recht groß. Am Schluss dürfte es aber auch die Mehrheit der Kartenlosen geschafft haben, ins Stadion zu kommen. Ein Schwarzmarkt war in Salvador diesmal gar nicht so präsent.
Wir haben nach dem ersten Spiel den Eindruck, dass diesmal ziemlich viele Fans vorhaben, bis zum Ende zu bleiben. Es ist ja naheliegend, dass die meisten Fans die Vorrunde fahren, weil man das planen kann. Danach ist Improvisation angesagt. Aber genau das scheinen ziemlich viele in Kauf zu nehmen, um bis zum hoffentlich erfolgreichen Ende dabei zu sein. Mal schauen, ob sich der Eindruck bestätigen wird.

Faszination Fankurve: Seit Sonntag ist die deutsche Fanbotschaft geöffnet. Wie sieht Eure dortige Arbeit aus?
Gabriel: Unsere Fanbotschaft hat immer einen Tag vor dem Spiel und dann am Spieltag geöffnet. Dort stehen wir den Fans für Fragen zur Verfügung oder bei der Lösung von Problemen. Dabei werden wir von „richtigen“ Botschaftsmitarbeiter/innen unterstützt, die sogar konsularische Dinge erledigen können. Wir versuchen immer an zentralen Plätzen in den Spielorten zu stehen, wo Fan irgendwann mal vorbeikommt. Das war in Salvador super, der Praca da Se war perfekt. Die erste Ausgabe unseres Fanzines Helmut war schon vor dem Spiel vergriffen. Helmut ist neben der direkten Info- und Beratungstätigkeit ein weiteres Standbein unserer Arbeit. Wir versuchen zu jedem Spiel eine aktuelle Ausgabe herauszubringen und vor Ort drucken zu lassen, was eine ganz besondere Herausforderung darstellt.
Und dann sind wir über www.fanguide-wm2014.de und Facebook im Netz zu verfolgen. Beides wird auch regelmäßig mit Infos und Fotos gefüttert und ist sicher nicht nur für die Fans in Brasilien interessant.

Faszination Fankurve: Mit welchen Problemen haben sich deutsche Fans bisher an Euch gewendet?
Gabriel: Da es bislang wirklich recht wenige Überfälle gab, waren das mehr oder weniger Alltagssorgen bzw.- eher „normale“ Fragen. Wo feiern die Deutschen? Kann man sicher zum Stadion laufen? Wo gibt es den nächsten Bankautomat? Oder wie sind die Öffnungszeiten des Fanfestes und ob dort überhaupt alle Spiele gezeigt werden.

Faszination Fankurve: Am Samstag spielt Deutschland in Fortaleza. Wann steht für Euch der Umzug an?
Gabriel: Wir fliegen heute, als am Mittwoch nach Fortaleza. Am Freitag machen wir die Fanbotschaft auf, wir stehen diesmal ganz in der Nähe des Fanfestes auf. Fortaleza lebt ja von seinem Strand, wo das Fanfest sich am Strand von Iracema befindet. Ca. 300m vom Eingang stehen auch wir an der Avenida Beira Mar, die dann für den Autoverkehr gesperrt sein wird.

Faszination Fankurve: Alle Spiele der DFB-Elf finden im Nordosten Brasiliens statt. Wo haben sich die meisten deutschen Fans niedergelassen?
Gabriel: Unserem Eindruck nach ist das sehr unterschiedlich und individuell. Es gibt natürlich die, die von Spielort zu Spielort fahren und die, die noch andere Spiele besuchen. Dann gibt es sicher eine Gruppe, die Urlaub und WM verbindet und einfach schaut, was machbar ist. Dann gibt es noch das Fancamp vom Fanclub Nationalmannschaft in der Nähe von Recife, welches zum zweiten und dritten Spiel mit 300 Fans ausgebucht ist. Und natürlich gibt es eine Reihe von Gruppen, die mit Reiseunternehmen quasi all inclusive unterwegs ist.

Faszination Fankurve: Manch deutscher Fan überlegt sicherlich noch nach Brasilien zu reisen. Ist es noch möglich an Karten für Spiele der deutschen Elf zu kommen und zu welchen Preisen?
Gabriel: Wer spontan ist, hat sicher gute Chancen, Karten für das Ghana-Spiel zu bekommen. Für das Spiel sind eine ganze Reihe von Tickets noch verfügbar, wohingegen es beim Spiel gegen die USA in Recife ein sehr großes Risiko wäre, zu kommen. Für dieses Spiel gibt es schon hier vor Ort eine große Nachfrage.

Faszination Fankurve: Wie haben sich die Hotelpreise und Lebenshaltungskosten in Brasilien zur Weltmeisterschaft entwickelt?
Gabriel: Zu den Lebenshaltungskosten können wir nicht wirklich was sagen, aber bei den Hotels sind die Aufpreise exorbitant. Zimmer, die normalerweise für unter 50 Euro verkauft werden, kosten zurzeit um die 250 Euro.
Aber auch jetzt gibt es noch mit den erfahrenen Groundhoppern die besten Experten, denen es auch jetzt noch gelingt, Unterkünfte für um die 20 Euro zu ergattern. (Faszination Fankurve, 18.06.2014)

Fanfotos Deutschland




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