27.04.2020 - FC Bayern München

Warum aktive FC Bayern-Fans gegen Geisterspiele sind


Der Club Nr. 12 als Dachverband der FC Bayern München-Fans hat sich in einer Stellungnahme zu Wort gemeldet und erklärt, warum man aktuell gegen eine Fortsetzung der Bundesliga mit Geisterspielen sei. Im Stadtbild von München tauchten zudem Spruchbänder auf, mit denen diese Meinung ebenfalls vertreten wurde.

„Uns ist natürlich auch klar - und das haben wir von Anfang an deutlich vertreten, dass Spiele mit Zuschauern in der aktuellen Zeit nicht möglich, ja sogar verantwortungslos sind. Nun kann man die Frage stellen, ob es nicht besser sei, Geisterspiele stattfinden zu lassen als gar keinen Fußball zu spielen. Auch innerhalb des Club Nr. 12 wurde das natürlich diskutiert. Denn auch uns geht es - bei allen Differenzen - immer um das Wohl unseres Vereins und unsere Liebe zum Fußball. Beidem ist aber mit Geisterspielen nicht geholfen. Es wurde in den letzten Tagen viel über die ominösen 20.000 Tests für die Bundesligaspieler diskutiert. Nun sind wir natürlich keine Virologen. Wir können nicht abschließend beurteilen, ob die rechnerischen Testkapazitäten ausreichen oder nicht. Für uns ist dabei aber die moralische Frage entscheidender. Es kann für eine solidarische Gesellschaft keine Option sein, dass Geld oder eifrige Lobbyarbeit darüber entscheiden, einen Corona-Test zu bekommen oder nicht! Anscheinend werden beim FC Bayern aber schon jetzt Spieler und Trainerpersonal mehrmals wöchentlich getestet. Dies ist jedenfalls den Kommentaren von Karl-Heinz Rummenigge und Joshua Zirkzee zu entnehmen. Während eine privilegierte Auswahl an Menschen somit mehrmals (wohlgemerkt ohne Symptome und/oder Kontakt zu positiv Getesteten) und wie selbstverständlich einen Test nach dem anderen beansprucht, wissen teilweise beruflich mit Risikogruppen in Kontakt stehende Personen nicht einmal, ob sie unwissentlich als Überträger des Virus fungieren. Grotesk und heuchlerisch wirkt hierbei die gebetsmühlenartige Betonung der Funktionäre, die wahlweise vorgeben, 'keine Sonderrolle zu beanspruchen' (DFB-Präsident Fritz Keller) oder 'keine Sonderrechte zu erwarten' (DFL-Vorsitzender Christian Seifert). Gerade in Krankenhäusern, Pflegeeinrichtungen, Altersheimen und anderen sensiblen Bereichen wären regelmäßige Tests für alle dort lebenden bzw. arbeitenden Personen sinnvoll und wichtig. Erst wenn dies irgendwann auch einmal in der Realität gewährleistet sein sollte und danach immer noch Kapazitäten frei sind, stellt sich die Frage, ob eine Sonderrolle für den Fußball angebracht erscheint“, heißt es dazu vom Club Nr. 12.

Der Dachverband der aktiven FC Bayern-Fans hat sich in der neuesten Stellungnahme auch zum Thema der finanzielle prekären Situation der deutschen Profifußballvereine zu Wort gemeldet. In der Debatte um eine Fortführung der Bundesliga werden die finanziellen Probleme mancher Clubs als eines der wichtigsten Argumente für eine Fortsetzung der Saison mit Geisterspielen genannt. Vom Club Nr. 12 heißt es dazu: „Angesichts bevorstehender Einnahmeausfälle durch das Ausbleiben der Spiele werden Horrorszenarien kreiert, die die Insolvenz des Großteils des Profifußballs heraufbeschwören. Wenn nicht schnellstmöglich wieder gespielt werden könne, sei alles vorbei, so der Tenor. Die einzig fabulierte Option der Rettung: (Die Fortführung des Spielbetriebs dank) Geisterspiele! Am besten schon ab Mai. Für uns stellt sich hier insbesondere die Frage, ob es wirklich um die Rettung der Vereine und damit einem wichtigen Ort gesellschaftlichen Miteinanders oder vielmehr um die Rettung sechs- bis siebenstelliger (teilweise gar achtstelliger) Gehaltsstrukturen geht. Während man öffentlich Solidarität propagiert, bleiben tatsächliche Ergebnisse weiterhin aus. In krassem Widerspruch zur angeblich bevorstehenden Masseninsolvenz stehen die allenfalls zur Symbolik taugenden Gehaltsverzichte von 15 oder 20 Prozent, bei denen es sich wohl teils gar nur um Stundungen handelt. Schaut man nach Spanien, verzichten die Spieler (nicht nur) des FC Barcelona auf 70 Prozent ihres Gehalts. Ähnlich verhält es sich in Italien. Dort verzichtet beispielsweise die Mannschaft des AS Rom bereits jetzt auf vier volle Monatsgehälter (März, April, Mai, Juni) und übernimmt zugleich die Gehaltszahlungen der nicht auf dem Platz stehenden Angestellten.“

Auch zu den 56.000 Arbeitsplätzen, die laut DFL-Wirtschaftsreport im und um den Profifußball in Deutschland existieren, wird vom Club Nr. 12 Stellung genommen. Demnach seien 34.500 dieser Arbeitsplätze nur indirekt mit dem Profifußball verbunden. Außerdem würde der Großteil davon bei Geisterspielen nicht profitieren. „Noch überhaupt nicht mit eingerechnet sind dabei die unzähligen Gastwirte, Bratwurstverkäufer etc., die rund um einen Spieltag ihr tägliches Brot verdienen. Es gibt also viele Jobs, die an der Liga hängen, aber sehr viele davon hängen eben direkt an den Spielen mit Zuschauern. Alles in allem stellt sich für uns weiterhin die Frage: Wie wichtig ist der Bundesliga-Fußball? Ist er uns es wert, dass dafür die Gesundheit von Menschen riskiert wird? Ist er uns es wert, dass die Vereine und der Verband eine Sonderstellung bekommen, die Mitarbeiter in wirklich systemrelevanten Jobs nicht haben? Wir für uns haben diese Frage mit einem deutlichen Nein beantwortet. Uns blutet das Herz, aber wir halten Fußballspiele in der aktuellen Situation für nicht vertretbar. Weder mit noch ohne Zuschauer. Hinzu kommt, dass von einem sportlich fairen Wettbewerb ohnehin nicht die Rede sein kann, wie Seifert ja selbst zugibt“, so das Statement vom Club Nr. 12 weiter. Unabhängig von der eigenen Meinung zum Thema Geisterspiele rufen die aktiven FC Bayern-Fans alle Personen in Corona-Zeiten dazu auf, die Mindestabstände einzuhalten, solidarisch zu bleiben und die Ausbreitung von Covid-19 zu verhindern.

Neben diesem Statement vom Club Nr. 12 haben die Südkurve München und die Ultragruppen des FC Bayern das Statement der Fanszenen Deutschlands veröffentlicht, in dem sich ebenfalls deutlich gegen Geisterspiele ausgesprochen wurde (Faszination Fankurve berichtete). Im Stadtbild von München, u.a. am Stadion am Kurt-Landauer-Weg, am Olympiapark und an der Säbener Straße, waren zuletzt Spruchbänder von aktiven FC Bayern-Fans zu sehen, mit denen sich gegen Geisterspiele positioniert wurde. „Eure Raffgier macht nicht Mal vor einer Pandemie halt! Nein zu Geisterspielen!“, „Corona-Tests für Risikogruppen statt Millionärspuppen! Nein zu Geisterspielen!“, „Löhne im Gesundheitssektor rauf! Fußballer-Gehälter runter!“, „Während die Gesellschaft krepiert, wird Fußball zelibriert? Nein zu Geisterspielen!“, „Schluss mit Profifußball-Hybris! Nein zu Geisterspielen!“, „Systemrelevante Löhne rauf - Fußballgehälter runter!“ oder „Schluss mit der Diktatur des Geldes! Nein zu Geisterspielen!“ war auf den Spruchbändern zu lesen. (Faszination Fankurve, 27.04.2020)

Fanfotos FC Bayern München




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