02.11.2016 - Eintracht Braunschweig

​„Werden eine gerichtliche Klärung anstreben müssen“


Die Stadt Braunschweig hat die Demonstrationsroute für Eintracht Braunschweig Fans am Sonntag beim Derby gegen Hannover 96 geändert (Faszination Fankurve berichtete). Im Interview mit Faszination Fankurve erklären die Anmelder der Blau-Gelben Hilfe, warum sie dagegen gerichtlich vorgehen.

Faszination Fankurve: Im Vorfeld des kommenden Niedersachsenderbys sind Betretungsverbote in Braunschweig ein großes Thema. Wie viele Eintracht Braunschweig Fans sind nach Euren Informationen betroffen?
Blau-Gelbe Hilfe: Es wurden Insgesamt 90 Betretungsverbote an Braunschweiger, Magdeburger und Mannheimer ausgesprochen. Auch für das Spiel Magdeburg vs. Hansa Rostock sind Betretungsverbote in Braunschweig eingetroffen. Es scheint ein neuer, erschreckender Trend zu sein. Zumindest in vielen der Fälle wäre der Betroffene gar nicht zu dem Spiel angereist.

Faszination Fankurve: Welche Bereiche in Braunschweig dürfen die betroffenen Personen am Derbytag nicht betreten?
Blau-Gelbe Hilfe: Es gibt drei Zonen in denen das Betretungsverbot gilt. Hierbei handelt es sich um Bereiche um den Hauptbahnhof, die Innenstadt und das Stadion. Dass somit nur eine sehr eingeschränkte Bewegung für Betroffene innerhalb Braunschweigs möglich ist, erklärt sich dadurch von selbst.


Faszination Fankurve: Laut Euren Angaben sind auch Fans betroffen, gegen die aktuell kein Stadionverbot vorliegt. Wie werden die Betretungsverbote in diesen Fällen begründet?
Blau-Gelbe Hilfe: Wer innerhalb der letzten drei Jahre eine verurteilte Straftat begangen hat, sowie mindestens ein weiteres Mal innerhalb des Zeitraumes eine Identifikationsfeststellung hatte (Personalienkontrolle) kann ein Betretungsverbot erhalten. Dass die ausgesprochene Strafe aktuell schon längst abgeleistet ist und auch zum Teil ein damals ausgesprochenes Stadionverbot mittlerweile abgelaufen ist, spielt leider keine Rolle. Ebenso taucht noch immer bei einigen die unrechtmäßige Ingewahrsamnahme aus Nürnberg mit auf.

Faszination Fankurve: Von den Betretungsverboten sollen auch Personen betroffen sein, die in der entsprechenden Zone wohnen. Wie sollen in diesen Fällen die Verbote nach Wunsch der Polizei umgesetzt werden?
Blau-Gelbe Hilfe: Natürlich haben wir gerade bei Personen, die innerhalb einer der drei Verbotszonen wohnen versucht deutlich zu machen, dass hier die Verhältnismäßigkeit deutlich überschritten wird und man keiner Person quasi ein Hausarrest auferlegen kann. In der Annahme sie könnte eventuell Straftaten begehen, weil sie vor drei Jahren mal einen Fehler begangen hat. Der aktuelle Stand bei dieser Sache ist, dass Betroffene einen vorgegebenen Weg aus der Zone benutzen dürfen, um diese zu verlassen. Dass dieser Umstand nicht wirklich zufriedenstellend für die Betroffenen ist, sollte verständlich sein.

Faszination Fankurve: Ihr habt Euch dazu entschieden, am Derbytag eine Demonstration anzumelden. Wie kam es dazu und wie lauten die genauen Pläne für den Derbytag?
Blau-Gelbe Hilfe: Wir haben uns dazu entschieden eine Demo anzumelden, um der Öffentlichkeit aufzuzeigen, dass diese Betretungsverbote auch zu hinterfragen sind. Es ist in unseren Augen sehr fraglich, ob man mit diesen Verboten wirklich die Sicherheit erhöht und,ob eine Mehrfachbestrafung für einzelne Straftaten nicht eher zu Feindbildern und einer Radikalisierung führt. Gerade weil es sich in den meisten Fällen um Sachen handelt, welche weit in der Vergangenheit liegen und die Strafen abgeleistet wurden. Menschen können sich ändern und man muss ihnen auch die Chance dazu geben. Leute aus den Stadien auszusperren löst unserer Meinung nach keine Probleme, sondern verlagert sie nur. Gerade dann, wenn die Gründe bei den Betroffenen nicht eindeutig, klar und nachvollziehbar sind. Damit die Vergabe nicht zur gängigen Praxis wird, wonach es momentan leider aussieht, demonstrieren wir und machen auf diese Missstände aufmerksam. Unser genaue Route und auch die Startzeit ist leider noch in Klärung, da uns die Stadt und die Polizei eine inakzeptable Strecke vorgegeben haben. Sollte es nicht noch zu einer Einigung kommen, werden wir eine gerichtliche Klärung anstreben müssen.

Faszination Fankurve: Wollt ihr gegen die aktuelle Nicht-Genehmigung Eurer Route vor Gericht ziehen?
Blau-Gelbe Hilfe: Der aktuelle Stand vom 02. November 2016 ist, dass es am Montag ein Kooperationsgespräch mit der Stadt und der Polizei gab. Grundsätzlich wurde die Demo erstmal genehmigt. Wir haben natürlich etliche Auflagen und auch eine Änderung der Route vorgesetzt bekommen. Dazu wird es eine gerichtliche Klärung geben. Das Ergebnis werden wir dann veröffentlichen.


Faszination Fankurve: Helft ihr Eintracht-Fans aktuell auch, Einspruch gegen die Betretungsverbote einzulegen und wie stehen hier die Erfolgschancen?
Blau-Gelbe Hilfe: Wir haben wie immer allen Betroffenen die sich bei uns gemeldet haben geholfen. Juristisch ist dieser Fall allerdings noch nicht abgeschlossen und kann daher leider auch nicht näher öffentlich erklärt werden.

Faszination Fankurve: Den Gästefans aus Hannover wurde in diesem Jahr das volle Gästekontingent zugesichert und die Wahl der Anreise frei überlassen. Ein Schritt in die richtige Richtung?
Blau-Gelbe Hilfe: Ja! Wir stehen zu 100 Prozent hinter der Auffassung, dass zu jedem Spiel auch die maximale Anzahl an Gästefans zugelassen werden sollte. Die Reisefreiheit werden wir selbstverständlich immer für alle Eintracht-Fans einfordern und machen da bei unseren Gästen auch keine Ausnahme.


Faszination Fankurve: Steht Ihr trotz aller Rivalität, die ein Derby mit sich bringt, vor der Partie in Kontakt mit der Fanhilfe Hannover?
Blau-Gelbe Hilfe: Alle Fanhilfen aus Deutschland sind miteinander vernetzt und im stetigen Austausch.

Faszination Fankurve: Mal weg vom kommenden Derby: Wie hat sich die Blau-Gelbe-Hilfe im Laufe der Zeit entwickelt und mit welchen Themen beschäftigt Ihr euch aktuell?
Blau-Gelbe Hilfe: Wir beschäftigen uns als Beispiel noch immer mit dem Zahlenmäßig größten Fall der Blau-Gelben Hilfe, der unrechtmäßigen Ingewahrsamnahme in Nürnberg. Wie oben erwähnt, wird dieser Fall Betroffenen leider immer noch negativ ausgelegt. Daher haben wir auch Klage gegen das damalige Stadionverbot eingereicht und sind auch bei der Datenlöschung noch aktiv. Ein weiterer etwas bekannterer Fall, dürfte die Personalienaufnahme beim Karnevalsumzug sein, wo Betroffenen auf einem Anti RB Leipzig Motto-Wagen das angebliche Rufen von „Bullen Schweine“ als Beleidigung von Polizeibeamten ausgelegt wurde. Hier ist unser Ziel die damaligen Maßnahmen in Frage zu stellen, da der Karnevalswagen den Umzug nicht beenden durfte und sich alle Personen im Umkreis des Wagens einer Identitätsfeststellung unterstellen mussten. Für den Tatvorwurf der Beleidigung wurde natürlich keine Person ermittelt und es kam somit erst gar nicht zu einer Anklage. Neben vielen Fällen die einzelne Eintracht-Fans betreffen und dem begleiten an den Spieltagen ist auch die Spruchband Sache gegen RB Leipzig noch nicht ganz abgeschlossen. Hier wurden zwei Personen mit einer Ordnungswidrigkeit belegt, da sie angeblich halfen das Spruchband „In Braunschweig weiß ein jedes Kind, dass alle Bullen scheiße sind!“ zu entrollen. (Faszination Fankurve, 02.11.2016)

Fanfotos Eintracht Braunschweig




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