24.05.2013 - FC Bayern München

"Ein gewonnenes Pokalfinale kann keinen Trost bieten"


Im dritten und letzten Teil des Interviews mit dem INFERNO BAVARIA wird ein Blick auf das anstehende Champions League Finale und die Erwartungen im Vorfeld geworfen. Zudem geht es um die Zukunft der deutschen Ultraszene unter Einbezug des Sicherheitspapiers.

Faszination Fankurve: Am 25. Mai steht im Londoner Wembleystadion das Champions League Finale gegen Borussia Dortmund auf dem Programm, eine Woche später geht es im DFB-Pokalfinale gegen den VfB Stuttgart. Welche Bedeutung haben diese Spiele für Eure Gruppe, plant Ihr größere Aktionen durchzuführen?
INFERNO BAVARIA: Die Frage nach einer größeren Aktion von Seiten unserer Gruppe können wir ganz kurz und knapp mit einem "Nein" beantworten.

Nun ja, zur Bedeutung der beiden Finalspiele für unsere Gruppe: Auch wenn wir wissen, dass jetzt wieder viele mit dem Kopf schütteln werden und das als typische "Bayern-Arroganz" bezeichnen werden. Für uns steht ganz klar das Finale in London im Mittelpunkt. Dieses Spiel, von den beiden Finals, ist das mit der größeren Bedeutung. Wir würden jetzt nicht davon sprechen, dass es das wichtigste Spiel aller Zeiten ist, immerhin ist das bereits das dritte Europapokalfinale innerhalb von vier Jahren, das dritte in der Geschichte unserer Gruppe und theoretisch ist jedes bevorstehende Finale das Wichtigste - aber nur bis irgendwann vielleicht wieder das Nächste kommt.


Fakt ist jedoch, dass nachdem wir 2010 und 2012 den Cup nicht gewonnen haben, es für uns nichts Wichtigeres gibt, als den Europapokal wieder nach München zu holen. Beim letzten Triumph, am 23. Mai 2001, waren die wenigsten unserer Mitglieder in der Szene aktiv. Gewinnen wir am 25. Mai, hat sich für uns ein Lebenstraum erfüllt, so dass eine Woche später für uns nicht von wirklicher Bedeutung ist (auch wenn der Gewinn aller drei Titel einmalig wäre). Verlieren wir in London, kann ein gewonnenes Pokalfinale auch keinen Trost bieten. Wie gesagt, das mag für viele jetzt befremdlich wirken aber so ist nun einmal die Realität bei uns.

Getrübt wird die Vorfreude auf das Spiel in London durch eine Kartenproblematik, die mittlerweile bei fast jedem Bayern Auswärtsspiel vorhanden ist. Selbst an einem Freitagabend in Wolfsburg stehen mittlerweile zahlreiche Fans vor dem Stadion. Und auch für London befürchten wir, dass nicht jeder eine Eintrittskarte haben wird, der es auch verdient hätte. Aber auch hier gilt: wir sind die Problematik gewohnt, dass man sich bei unserem Verein nicht einfach eine Karte am Spieltag kaufen kann. Auch wenn es für Leute, die unter anderem in Minsk waren, frustrierend ist wenn sie keine Karte für das Spiel bekommen. Wünschenswert wäre es natürlich, wenn Leute, die auch viel fahren, bei diesem Spiel belohnt werden. Jedoch Utopie beim FC Bayern ...

Aber das ist vermutlich das Los dafür, Fan beim erfolgreichsten deutschen Fußballverein zu sein. Doch wir wollen hier nicht zu viel jammern, wir kennen die Situation ja und konnten bislang das Problem immer noch irgendwie und durch verschiedene Aktionen lösen. Aber es ist schon verdammt nervig, wenn man sich überlegt, wie viel Zeit man während der Saison damit verbringt, Karten für Auswärts- und manchmal sogar Heimspiele zu suchen. Des Weiteren befürchten wir wieder zahlreiche Ausreiseverbote zum Spiel in London.


Faszination Fankurve: International hießen die Ziele Borissow, Lille, Valencia, London, Turin und Barcelona. Welche Tour ist Euch am schönsten in Erinnerung geblieben?
INFERNO BAVARIA: Eine Frage, die natürlich jeder von uns anders beantworten wird, denn hier zählt allein der subjektive Eindruck. Und rückblickend hatte jede dieser Touren etwas unvergessliches. Das Spiel in Minsk brachte uns mal wieder in ein bis dato total unbekanntes Land, was für alle Mitreisenden natürlich eine interessante und bleibende Erfahrung war.
Bei anderen Spielen wie in Lille oder Turin konnten von Seiten der Kurve wahre Highlights gesetzt werden. Beim Spiel in Barcelona hat die Mannschaft wie schon im Hinspiel alle Erwartungen bei weitem übertroffen. Ein Teil unserer Jungs wählte hier die Anreise bereits ein paar Tage früher über Lloret de Mar. London und das Turin-Spiel werden ebenfalls wegen der sportlichen Leistung unserer Mannschaft in Erinnerung bleiben. Lediglich Valencia fällt bei der Aufzählung etwas aus der Reihe, wobei hier mal wieder einige Jungs von uns einen recht lustigen Nachmittag auf Palma de Mallorca verbracht haben.

Ihr seht also, überall gab es schöne Erinnerung und das möchten wir an dieser Stelle festhalten. Es gib einfach nichts Besseres als seinem Verein durch Europa zu folgen und wir sind dankbar dafür, dass wir das Jahr für Jahr aufs Neue können. Vor allem in Bezug auf unsere Stadionverbotler bietet sich hier die Möglichkeit dank europäischer Wettbewerbe gemeinsam mit den Jungs im Stadion zu stehen - außer man wird mal wieder mit sinnlosen Ausreiseverboten und Meldeauflagen bombardiert. Für die aktuelle Saison hoffen wir, dass die schönste Tour noch folgen wird ...

Faszination Fankurve: Wie würdet Ihr die Entwicklung der Münchner Fanszene im letzten Jahr, insbesondere bei Auswärtsspielen, beschreiben?
INFERNO BAVARIA: Es ist natürlich immer schwer sich selbst zu beurteilen, jedoch haben wir den Eindruck, dass wir bei Auswärtsspielen als Fanszene auf einem ganzen guten Weg sind. So schlecht unsere Heimspiele auch sein mögen (was mit den bereits erwähnten Problemen und der damit schwindenden Motivation zusammenhängt) so überwiegt auswärts das Positive. Aber wie schon gesagt, sich hier selbst zu beurteilen ist immer schwer, deswegen wollen wir die Beurteilung unserer Auswärtsauftritte doch lieber anderen überlassen...


Faszination Fankurve: Wie blickt Ihr auch in Hinblick auf das verabschiedete Sicherheitspapier auf die Zukunft der Münchner Fanszene und der Ultrabewegung im Generellen?
INFERNO BAVARIA: Wie schon erwähnt, auf die Münchner Fanszene sehen wir insbesondere bei Heimspielen schwere Zeiten zukommen. Ob mit oder ohne Sicherheitspapier, dafür hat unser eigener Verein gesorgt. Einiges was in diesem Sicherheitspapier steht, ist in München sowieso schon längst gängige Praxis. Wie sich das Sicherheitspapier grundsätzlich auf uns und die restliche Ultrabewegung auswirken wird, ist natürlich schwer vorherzusagen. Am 12. Dezember 2012 sahen die meisten ja schon den Untergang der aktiven deutschen Fanszene. Rückblickend muss man sagen, dass die Ängste an diesem Tag vielleicht nicht ganz unbegründet waren, sich jedoch noch nicht bestätigt haben.

Allgemein sehen wir schwere Zeiten auf uns zukommen. Gut, das sagen wir jetzt auch schon die letzten fünf bis sechs Jahre und trotzdem beschleicht einen das Gefühl, dass es immer aussichtsloser wird. Jede noch so kleine Aktion wird mittlerweile dermaßen medial ausgeschlachtet, jede noch so kleine Straftat führt mittlerweile zu einer Bewährungsstrafe. Die Bundesliga boomt ungemein, es strömen Leute in die Stadien, auf die wir gut verzichten könnten (in punkto Event-Publikum dürften wir in München mit Sicherheit wieder Spitzenreiter sein). Sowohl der normale Zuschauer als auch in den Fanszenen, denn in Zeiten wo Studien zeigen, dass die Ultrabewegung die beliebteste Jugendkultur im Land ist, man Woche für Woche mit dem Kopf schüttelt was da wieder für Leute in der Kurve stehen und die Subkultur Gefahr läuft zum Mainstream zu werden, muss man sich auch die Frage stellen, ob nicht dies neben Staat und Polizei, Verbänden und Vereinen ein weiter Faktor ist, der die Fankultur die wir leben ein Stück weit kaputt macht.


Zudem sehen wir natürlich die Entwicklung der Eintrittspreise kritisch. Das hängt zwar nicht alles direkt mit dem Sicherheitspapier zusammen, jedoch trägt dies zu einer allgemein schlechten Lage für uns bei. Aber wir wollen nicht alles düster sehen, die deutsche Ultraszene hat sich in den vergangenen Jahren auch entwickelt und wir denken, dass die Bewegung an sich am Leben bleiben wird, in welcher Form auch immer. Eine entscheidende Frage dabei ist, wie weit schafft man es die Gegenseite auszutricksen ohne sich zu sehr zu verbiegen? Das Ganze ist eine extreme Gratwanderung und für uns gilt es immer eine gewisse Konsequenz an den Tag zu legen, um sich am Ende des Tages noch selbst ins Gesicht schauen zu können. Und dazu gehört beispielsweise auf unsere Position bezogen, auf die Unterstützung der eigenen Mannschaft beim Europapokal-Halbfinale zu verzichten, wenn es die Umstände nicht anders zulassen oder die eigene Kurve gar nicht mehr zu betreten, weil diese durch elektronische Zugangskontrollen kontrolliert wird. Jedoch denken wir, dass sich an dieser Stelle die Ultrabewegung in Deutschland eines Tages spalten wird, in einen konsequenten Teil und einen Teil der sich immer weiter anpasst, es ist ja schließlich zum Wohle des Vereins. (Faszination Fankurve, Mai 2013)

Hier geht es zu Teil 1 des Interviews über die Schattenseite des Erfolgs
Hier geht es zu Teil 2 des Interviews über Spruchbandaktionen und Manuel Neuer

Fanfotos FC Bayern München




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