12.07.2021 - 50+1

50+1: Es geht um die Zukunft des Fußballs in Deutschland


Bei Mitgliederversammlung der DFL geht es am Mittwoch nicht nur um kurzfristige Fragen zu Stehplätzen, Gästefans und Alkohol in der Bundesliga-Saison 2021/2022, sondern beim Umgang mit der 50+1-Regel auch um zukunftsweisende Fragen. Als Reaktion auf die vorläufige Einschätzung des Bundeskartellamtes könnten die Ausnahmen der 50+1-Regel abgeschafft werden.

Das Bundeskartellamt hatte auf Wunsch der DFL eine vorläufige Einschätzung zur 50+1-Regel, die im deutschen Profifußball den Einfluss von Investoren begrenzen soll, abgegeben. Die mit der 50+1-Regel verfolgten Ziele seien demnach kartellrechtlich unbedenklich. Für problematisch hielt das Bundeskartellamt hingegen die bisher gültigen Ausnahmeregelungen von der Regel (Faszination Fankurve berichtete). Die drei Bundesligisten, die aktuell eine Ausnahme der 50+1-Regel nutzen, haben sich laut eines Handelsblatt-Berichts bereits mit einem Schreiben an das DFL-Präsidium gewandet. Darin sollen Bayer Leverkusen, der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim Solidarität von der DFL eingefordert und an gemeinsame Interessen appelliert haben.

Die DFL und ihre Mitglieder können ab Mittwoch nun die Weichen für eine einheitliche Anwendung und Durchsetzung der 50+1-Regel für alle Vereine stellen oder alternativ die 50+1-Regel abschaffen. Ein Investor darf laut DFL-Satzung bisher mehr als 50 Prozent der stimmberechtigten Anteile an einer ausgegliederten Profiabteilung halten, wenn er „den Fußballsport des Muttervereins seit mehr als 20 Jahren ununterbrochen und erheblich gefördert hat“. Von dieser Ausnahmeregelung der 50+1-Regel machen aktuell Bayer 04 Leverkusen, der VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim Gebrauch. „Die DFL und ihre Mitglieder sind jetzt aufgefordert, demokratische Mitbestimmung in allen Vereinen zu ermöglichen und Finanzdoping zu beenden. Wir fordern ein Ende der Ausnahmen und zusätzliche Vorgaben, die in allen Vereinen Strukturen im Geiste von 50+1 sicherstellen. Umgehungstatbestände dürfen nicht länger akzeptiert werden. Konkret müssen innerhalb einer Übergangsfrist die in Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim bestehende Ausnahmen abgeschafft werden. Dem in Leipzig gewählten Modell muss die Grundlage für die Lizenzberechtigung entzogen werden“, erklärte die „50+1 bleibt!“-Initiative bereits nach Veröffentlichung der Kartellamtseinschätzung (Faszination Fankurve berichtete).

Im Vorfeld der nun anstehenden Mitgliederversammlung der DFL forderte die gleiche Initiative bereits alle 36 Bundesliga-Clubs auf, sich für den Erhalt der 50+1-Regel zu positionieren: „Nächste Woche treffen sich die 36 Vereine der DFL, um über die Zukunft der 50+1-Regel zu sprechen. Unsere Position für einen nachhaltigeren Profifußball ist eindeutig: 50+1 erhalten, Mitbestimmung ermöglichen, Finanzdoping beenden! Wir erwarten, dass sich alle Vereine vorab klar für den Erhalt von #50plus1 positionieren!“, teilte die „50+1 bleibt!“-Initiative dazu vergangene Woche mit. Eine ähnliche Aufforderung erfolgte in der vergangenen Woche auch von der „Unser Fußball“-Initiative, die erklärte: „Wichtige Erinnerung an alle 36 Vereine der DFL, die nächste Woche über die Zukunft der #50plus1-Regel sprechen: Wir fordern grundlegende Reformen für einen basisnahen und nachhaltigen Fußball. 50+1 bleibt unverhandelbar!“

Aus den Fanszenen vom VfB Stuttgart, dem 1. FC Union Berlin und dem 1. FC Köln kamen nun weitere Aufforderungen an die Bundesliga-Clubs, sich für den Erhalt der deutschen 50+1-Regel stark zu machen, die mittlerweile auch für viele englische Fußballfans als Vorbild dient.


„Nachdem sich das Bundeskartellamt im Mai dieses Jahres mit der 50+1-Regel beschäftigt hat, steht am 14.07.2021 dieses Thema auf der Tagesordnung der DFL-Mitgliederversammlung. Nach und nach sickerten in den letzten Tagen und Wochen die ersten Informationen durch, deren Inhalte uns hochgradig alarmieren. Es muss so deutlich gesagt werden: Die 50+1-Regel scheint derzeit gefährdet wie nie! Aus diesem Grund wurde am Wochenende noch einmal per Spruchband klargestellt, wie die Fanszene des VfB Stuttgart zu diesem Thema steht. Nichts als der Fortbestand der 50+1-Regel kommt für uns in Frage. Diesen Standpunkt hat die Cannstatter Kurve in den letzten Jahren mehrfach klargestellt, unter anderem unterschrieben im Jahr 2018 über 200 Gruppen und Fanclubs unseres Vereins eine Erklärung für den Erhalt dieser Regel. Vor diesem Hintergrund kann es von Seiten der Vertreter unseres Vereins in der DFL-Mitgliederversammlung nur eine Haltung geben: 50+1 ist unantastbar!“, hieß es dazu in einer Erklärung der Cannstatter Kurve. Mit einem „@VfB/DFL: 50+1 bleibt!“-Banner am Neckarstadion wurde diese Meinung auch optisch unterstrichen.

Im Stadion an der Alten Försterei brachten Union Berlin-Fans ein Spruchband an, auf dem „Nach dem Richterspruch nicht den falschen Weg einschlagen - 50+1 erhalten!“ geschrieben stand. Die Union-Fans machten damit deutlich, dass die Kartellamtseinschätzung nicht dazu genutzt werden dürfe, um die 50+1-Regel zu Fall zu bringen.

Vom Südkurve 1. FC Köln e.V. wurde ebenfalls eine Positionierung veröffentlicht: „Am 14.07.2021 steht das Thema „50+1“ auf der Tagesordnung der DFL-Mitgliederversammlung. Seit Jahren setzten wir uns für den bundesweiten Erhalt der 50+1-Regel und deren Umsetzung ohne Ausnahmen ein. Im März 2018 unterschrieben über 3.000 verschiedene Fanorganisationen eine entsprechende Erklärung. Auch viele Kölner Fangruppen unterzeichneten die Erklärung und zeigten somit erneut, dass der Erhalt von 50+1 innerhalb der Kölner Fangemeinschaft nicht diskutiert werden muss. Wir fordern die Vertreter des 1. FC Köln daher dazu auf, sich klar für den Erhalt der 50+1-Regelung zu positionieren!“, heißt es in der Stellungnahme aus der Domstadt.

Andreas Rettig, von 2013 bis 2015 selbst Geschäftsführer bei der DFL und heute in der Geschäftsführung beim Drittligisten FC Viktoria Köln, plädierte in der Augsburger Allgemeine zuletzt für ein Ende der Ausnahmen: „Das beste wäre es, wenn diese drei Klubs ihre Ausnahmegenehmigung zurückgeben“, sagte Rettig, der seine ersten Schritte im Profifußball nach seiner aktiven Laufbahn bei Bayer Leverkusen machte. Wenig Verständnis bringt Rettig dafür auf, dass bei der Mitgliederversammlung der DFL die Vertreter der ausgegliederten Kapitalgesellschaften über den Fortbestand der 50+1-Regel entscheiden und nicht die Muttervereine.

Auch wenn die DFL beim Bundeskartellamt um Aufschub gebeten hat, um mehr Zeit für die Formulierung der eigenen Position zu haben, geht es bei der Mitgliederversammlung der 36 Bundesligisten am Mittwoch um die zukünftige Ausrichtung des deutschen Profifußballs. Statt noch mehr Ausnahmegenehmigungen können sich die Bundesligisten dieses Mal sogar klar für eine Abschaffung der Ausnahmen aussprechen und nicht nur in Richtung Leverkusen, Wolfsburg und Hoffenheim, sondern auch in Richtung RB Leipzig ein deutliches Signal senden. (Faszination Fankurve, 12.07.2021)


Update: Mit dem 1. FC Köln, dem Hannover 96 e.V. und Borussia Dortmund haben sich im Vorfeld der Mitgliederversammlung drei Vereine öffentlich zur Thematik zu Wort gemeldet. „Der 1. FC Köln steht uneingeschränkt zur 50+1-Regel. Die Abschaffung der 50+1-Regel ist keine Option. Vielmehr sind die DFL sowie die 35 weiteren in ihr organisierten Clubs aufgefordert, die Chance der Kartellamtseinschätzung zu nutzen und die 50+1-Regel auf eine rechtssichere und zukunftsfähige Basis zu stellen. In diesem Zusammenhang sollten auch Umgehungstatbestände der 50+1-Regel angegangen werden. Alle Bundesliga-Clubs sollten ihrer Mitgliedschaft eine demokratische Mitbestimmung ermöglichen. Wir rufen die übrigen Clubs, deren Mitglieder und Fans auf, uns auf diesem Weg zu unterstützen“, teilten Vorstand, Geschäftsführung und Mitgliederrat des 1. FC Köln dazu mit.

Der Hannover 96 e.V. hat einen offenen Brief für den Erhalt der 50+1-Regel und zur Abschaffung von Wettbewerbsvorteilen einzelner Clubs, die außerhalb der 50+1-Regel agieren, veröffentlicht. Darin wird die Abschaffung der Wettbewerbsvorteile für Bayer Leverkusen, den VfL Wolfsburg und die TSG Hoffenheim „bestenfalls auf freiwilliger Basis“ und „noch in dieser Spielzeit“ gefordert. Außerdem betont der Mutterverein aus Hannover, dass die ausgegliederte Kapitalgesellschaft bei der anstehenden Mitgliederversammlung der DFL keine weitreichenden Entscheidungen treffen dürfe, die nicht mit dem Mutterverein abstimmt seien. Investor Martin Kind wollte die 50+1-Regel bei Hannover 96 bereits abschaffen, der Mutterverein macht sich hingegen für die Beibehaltung und die Verschärfung der Regel stark. Der Hannover 96 e.V. fordert die DFL zudem auf, das Kartellamtsverfahren nun zu beenden. Durch die Einschätzung habe man hinreichende Klarheit erlangt: „Die 50+1-Regel ist rechtmäßig und nicht zu beanstanden!“ Außerdem sei das Thema eigentlich besser beim DFB e.V. aufgehoben.

Unter der Überschrift „BVB steht felsenfest zu 50+1“ äußerte sich Borussia Dortmund ebenfalls zum Thema 50+1. „Vor dem Hintergrund der aktuellen Diskussion rund um die vorläufige rechtliche Einschätzung des Bundeskartellamts und mit Blick auf die Historie des BVB sind wir ein klarer Verfechter der 50+1-Regel“, sagt Borussia Dortmunds Vorsitzender der Geschäftsführung, Hans-Joachim Watzke. Dr. Reinhard Rauball, Präsident des Ballspielverein Borussia 09 e.V., ergänzte: „Wir haben einst eigens eine Satzungsänderung erarbeitet und umgesetzt, die besagt, dass der e.V. alle Anteile an der Borussia Dortmund Geschäftsführungs-GmbH hält, infolgedessen ihr Alleingesellschafter ist und der Vorstand auch in Zukunft sicherzustellen hat, dass sich an diesen Gegebenheiten nichts ändern wird. In meiner Amtszeit haben wir beim BVB nie auch nur eine Sekunde über die Abschaffung von 50+1 diskutiert und haben nicht vor, daran etwas zu ändern.“






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