12.12.2016 - Sicherheit

Bestimmt die Polizei bald das Gästekontingent?


Heute vor genau vier Jahren wurde auf einer DFL-Sitzung in Frankfurt beschlossen, dass das eigentliche Gästekontingent von zehn Prozent aller Tickets für Gästefans bei Risikospielen reduziert werden kann. Mehrere Innenminister der Länder sprechen sich nun erneut für reduzierte Gästekontingente aus.

Aktuell entscheiden die Vereine letztlich selbst, ob Gästekontingente reduziert werden, oder nicht. Die Polizei hat dabei beratende Funktion und rät verschiedenen Vereinen vor brisanten Duellen immer mal wieder, das Kontingent für Gästefans zu reduzieren. Spiele mit reduziertem Gästekontingent bezogen sich in Deutschland zuletzt meist auf eine vom DFB ausgesprochene Verbandsstrafe und nicht auf Empfehlungen der Polizei, die dieses Mittel an vielen Standorten noch häufiger einsetzen möchte.

Laut einem Bericht der Stuttgarter Nachrichten forderte Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger (SPD) auf der Innenministerkonferenz Ende November in Saarbrücken, dass es zukünftig vor Hochrisikospielen in den obersten drei Ligen „frühzeitig und verbindlich Kooperationsgespräche zum Ticketing“ geben solle. Jägers saarländischer Kollege Klaus Bouillon (CDU) wolle laut des Berichts den Vereinen sogar vorschreiben, sich an die Polizeiempfehlungen zur Reduzierung des Gästekontingents und zur Personalisierung von Eintrittskarten zu halten. Sollten die Innenminister ihre Forderungen durchsetzen, könnte bald die Polizei über das endgültige Gästekontingent entscheiden. Dies könnte fatale Folgen für alle auswärtsfahrenden Fans haben, wie ein Beispiel aus Dortmund verdeutlicht.


Dort schlug die Polizei sowohl beim Derby gegen Schalke 04, als auch beim Champions League Heimspiel gegen PAOK Thessaloniki eine Halbierung des Gästekontingents aus Sicherheitsgründen vor. Da das Gästekontingent bei UEFA-Spielen fünf statt zehn Prozent beträgt, wollte die Dortmunder Polizei nur halb so viele PAOK Fans, wie Schalke Fans ins Westfalenstadion lassen, obwohl der Einsatzleiter die PAOK Fans gegenüber Faszination Fankurve nicht als ein höheres Sicherheitsrisiko einstufte. Das Beispiel zeigt, dass es der Polizei nicht um das tatsächliche Risiko einer Auswärtsfanszene, sondern um eine generelle möglichst große Reduzierung des Gästekontingents geht. Doch die Stimmung in den deutschen Stadien ist auch auf die hohen Auswärtsfahrerzahlen in Deutschland zurückzuführen, für die Deutschland europaweit gelobt wird. Dieser wichtige Teil der Fankultur könnte durch den Innenministervorschlag in Gefahr gebracht werden.

Ob reduzierte Gästekontingente und personalisierte Tickets tatsächlich für mehr Sicherheit sorgen, ist mehr als fraglich. So gab es zuletzt häufig bei brisanten Derbys mit reduziertem Gästekontingent Demonstrationen in Teilen der Städte, die Auswärtsfans sonst nie hätten betreten dürfen. Das Derby Osanbrück gegen Münster verursachte mit Ausschluss aller Gästefans sogar mehr Polizeikosten, als das vorherige Derby mit Gästefans.

Zudem können durch reduzierte Gästekontingente neue Gefahren entstehen, wenn Gästefans sich mit Tickets für den Heimbereich eindecken und somit die Fantrennung aufgehoben wird, was nicht im Sinne der Innenminister sein kann. Welchen Sicherheitsvorteil die Personalisierung von beispielsweise 5.000 Gästetickets bei der Ermittlung von wenigen Straftätern bringen soll, blieben die Innenminister bisher ebenfalls schuldig.

Die Online-Petition „Hände weg vom Gästekontingent! Für den Erhalt der 10 Prozent Regel in den deutschen Stadien!“ von Faszination Fankurve unterzeichneten im vergangenen Jahr über 16.000 Fußballfans. Nach den neuesten Verlautbarungen der Innenminister ist diese Forderung aktueller denn je. (Faszination Fankurve, 12.12.2016)






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