04.11.2021 - Pyrotechnik

Bundesgerichtshof bestätigt Rechtmäßigkeit von Pyrostrafen


Der FC Carl Zeiss Jena war der erste Verein in Deutschland, der wegen vom DFB verhängten Strafen für Pyroaktionen der eigenen Fans vor ein ordentliches Gericht zog. Das Oberlandesgericht Frankfurt entschied bereits im Juni 2020, dass das vom Ständigen Schiedsgericht der 3. Liga verhängte Urteil gegen FCC nicht aufzuheben sei.

Doch der Verein gab nicht auf und zog vor den Bundesgerichtshof (BGH). Der BGH gab am heutigen 04. November 2021 seine Entscheidung in dem Fall bekannt. Die Bestrafung des DFB für Pyroaktionen von Fans sei demnach in Ordnung, weil es kein Geldstrafe im eigentlichen Sinne sei, sondern eine Präventivmaßnahme, mit der zukünftige Vorfälle verhindert werden sollen.


„Die ‚Geldstrafe‘, die gegen die Antragstellerin für das Verhalten ihrer Anhänger verhängt und vom Schiedsgericht bestätigt worden ist, stellt keine strafähnliche Sanktion dar, die diesem Grundsatz unterliegen könnte. Sie dient nicht der Ahndung und Sühne vorangegangenen Fehlverhaltens der Antragstellerin, sondern soll den künftigen ordnungsgemäßen Spielbetrieb sichern. Die Sanktion ist nicht verhängt worden, weil die Antragstellerin Vorgaben des Antragsgegners zu Sicherheitsmaßnahmen nicht eingehalten hätte, sondern weil die von der Antragstellerin ergriffenen Maßnahmen nicht ausgereicht haben, um Ausschreitungen ihrer Anhänger zu verhindern. Die "Geldstrafe" soll die Antragstellerin dazu anhalten, zukünftig alle ihr zur Verfügung stehenden Mittel einzusetzen, um mäßigend auf ihre Anhänger einzuwirken und so künftige Zuschauerausschreitungen zu verhindern. Sie soll die Antragstellerin dazu veranlassen, in ständiger Kommunikation mit und in Kontakt zu ihren Fans befriedend auf diese einzuwirken, situationsabhängig geeignete präventive Maßnahmen zu ergreifen und dadurch die von ihren Anhängern ausgehenden Gefahren für den Wettkampfbetrieb bestmöglich zu unterbinden. Die Einordnung der ‚Geldstrafe‘ als präventive Maßnahme entspricht der Rechtsprechung des Internationalen Sportgerichtshofs (CAS), der das Ziel der verschuldensunabhängigen Haftung gleichfalls nicht in der Bestrafung des Vereins, sondern in der Prävention und Abschreckung sieht. Der Schiedsspruch verstößt auch nicht wegen einer eklatanten Verletzung des Grundsatzes der Verhältnismäßigkeit oder wegen einer Verletzung des Bestimmtheitsgrundsatzes gegen den ordre public“, teilte der Bundesgerichtshof dazu am Donnerstagmorgen mit.

Der FC Carl Zeiss Jena bezweifelt die Rechtmäßigkeit der Strafen und begründet dies damit, dass der Verein alles in seiner Macht Stehende getan habe, um das Einbringen von Pyrotechnik ins Ernst-Abbe-Sportfeld zu verhindern. Beim DFB-Pokalfinale zeigte der DFB, der bei Pyroaktionen Strafen verhängt, in den vergangenen Jahren, dass er als Veranstalter selbst das Einschmuggeln von Pyrotechnik bisher nicht verhindern kann. Doch auch beim Pokalfinale müssen die DFB-Strafen von den Vereinen gezahlt werden.

Der Dachverband der Fanhilfen e. V. kritisiert die Entscheidung des BGH und erklärte dazu heute: „Die vom DFB-Sportgericht verhängten Kollektivstrafen gegen Fans und Vereine widersprechen zutiefst dem Grundsatz der demokratischen Rechtsprechung. Nur wem eine konkrete Tat nachgewiesen wird, kann dafür strafrechtlich belangt werden. Dass der BGH dies bei seinem Urteil völlig außer Acht lässt und damit auch die unverhältnismäßige Weitergabe der Verbandsstrafen auf einzelne Fußballfans billigt, können wir nicht nachvollziehen. Gerade die oftmals jungen Fans werden dadurch doppelt bestraft, da einzelne Personen in der Regel nach solchen Vorfällen strafrechtlich verfolgt werden. Hinzu kommen nun die erwarteten Umlagen dieser Kollektivstrafen auf die aktiven Fanszenen. Diese Zustände sind eines Rechtsstaats unwürdig und hätten dringend vom BGH korrigiert werden müssen. Gerichtsentscheidungen des DFB zu Vorfällen im Stadion beruhen immer darauf, dass einer größeren Personengruppe ein angebliches Fehlverhalten vorgeworfen wird. Die dafür verhängte Strafe wird in der Regel im Anschluss von den Vereinen an wenige Personen weitergegeben. Das ist Sippenhaft, wie wir sie nur aus dem Mittelalter kennen und zeigt eindeutig, dass das Verteilen von Kollektivstrafen mit der Gießkanne unverhältnismäßig ist. Zehntausende Euro sind für einzelne Personen nicht bezahlbar, für Vereine oftmals aber ein minimaler Posten in ihren millionenschweren Etas. Diese Praxis der Umlage von Kollektivstrafen auf einzelne Fans muss dringend beendet werden“, so die Kritik vom Dachverband der Fanhilfen. (Faszination Fankurve, 04.11.2021)







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