24.10.2012 - AG Fananwälte

DFL-Sicherheitspapier rechtswidrig?


Die Arbeitsgemeinschaft der Fananwälte hält das DFL-Sicherheitspapier für „in weiten Teilen für rechtswidrig“. Die Fananwälte meinen, dass die angedachte Ausweitung der Datenweitergabe einen Rechtsbruch darstellen würde. Bereits heute erkennen die Anwälte „überdurchschnittliche Strafhöhen“ für Fans.

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung und die rechtliche Beurteilung der Fananwälte:

Pressemitteilung der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte zum Maßnahmenkatalog „Sicheres Stadionerlebnis“ der Kommission Sicherheit der DFL

Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte hält den von der DFL vorgelegten Maßnahmenkatalog „Sicheres Stadionerlebnis“ in weiten Teilen für rechtswidrig. In einer rechtlichen Stellungnahme (in der Anlage beigefügt) legt die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte ihre Bedenken dar.

Nicht nur der verpflichtende Abschluss von sog. „Fanvereinbarungen“ mit der sich daran anknüpfenden Möglichkeit einer kollektiven Bestrafung ganzer Fangruppen, sondern auch die Einführung von Geld- oder Vertragsstrafen gegen Fans bei Verstößen gegen die Stadionordnung ist aus Sicht der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte rechtswidrig.

Die angedachte Verschärfung der sog. Stadionverbotsrichtlinie mit u.a. einer Ausdehnung der Höchstlaufzeit auf fünf Jahre stellt sich in der Praxis als rechtlich unzulässiges Instrument mit Strafcharakter dar und ist außerdem unverhältnismäßig. „Gerade bei jungen Menschen bedarf die Prognose einer künftigen Gefährlichkeit für die Sicherheit des Stadionbetriebs einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des Betroffenen. Eine solche Prognose auf fünf Jahre hinaus abgeben zu wollen ist Hellseherei“, so Rechtsanwältin Angela Furmaniak von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte.

Besonders bedenklich ist die von der Kommission Sicherheit geforderte Ausweitung der Weitergabe von personenbezogenen Daten durch die Polizei an die Vereine. Schon jetzt gibt es keine Rechtsgrundlage für die bereits praktizierte Datenweitergabe im Zusammenhang mit Stadionverboten. „Die von der DFL geforderte Ausweitung der Datenweitergabe wäre ein klarer Rechtsbruch. Dieser Ansatz lässt polizeistaatliche Phantasien erkennen.“, so Rechtsanwalt Marco Noli von der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte. „Die Forderung nach einer unbefugten Weitergabe von Daten durch die Polizei kann möglicherweise sogar den Straftatbestand der Aufforderung zu Straftaten erfüllen. Die Arbeitsgemeinschaft Fananwälte wird nun die bestehende Praxis und die

geplanten neuen Maßnahmen durch förmliche Eingaben bei den Datenschutzbeauftragten von Bund und Ländern beurteilen lassen“, so Marco Noli weiter.

Auch die vorgeschlagenen Vollkörperkontrollen an den Stadioneingängen durch private Sicherheitsdienste sind unverhältnismäßig und wegen des erheblichen Eingriffs in die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Fans rechtlich nicht zulässig.

Wenn die DFL von der Justiz fordert, Strafverfahren künftig „konsequent und schnell“ durchzuführen und durch eine „sofortige Ermittlung von Tatverdächtigen“ zur Abschreckung beizutragen, so verkennt sie die tatsächlichen Verhältnisse und unterstellt der Justiz, Täter nicht zu ermitteln. Tatsächlich sind bei Straftaten mit Fußballbezug nach den Erfahrungen der Mitglieder der Arbeitsgemeinschaft Fananwälte ein erhöhter Ermittlungsaufwand sowie überdurchschnittliche Strafhöhen festzustellen.

Das von der DFL vorgelegte Maßnahmenpapier zeugt insgesamt von einem sehr bedenklichen rechtsstaatlichen Verständnis und stellt in vielerlei Hinsicht rechtswidrigeund unverhältnismäßige Forderungen auf.

Umso begrüßenswerter ist es, dass nun innerhalb der DFL und der Vereine eine sachorientierte Diskussion in Gang gekommen ist, die weitergeführt werden muss. Nur mit einem fairen Dialog kann es gute Lösungen geben. Dieser positive Prozess wird jedoch bereits jetzt schon wieder durch polemische und unsachliche Äußerungen von Innenpolitikern und den Polizeigewerkschaften gestört, die ohne vernünftige Argumente versuchen, Druck auf die Vereine und die Verbände auszuüben. Daher erscheint es zweifelhaft, ob diese überhaupt an einer gemeinsamen Lösung interessiert sind, oder nicht vielmehr ganz andere Interessen verfolgen.

AG Fananwälte

Rechtliche Stellungnahme

zum Diskussions-Papier „Sicheres Stadionerlebnis“ der DFL

Die genannten Maßnahmen sind nicht nur rechtswidrig und unverhältnismäßig, sondern

das Papier enthält keine Erklärung, weshalb derartige Eingriffe in Rechte anderer

überhaupt notwendig sein sollen. So geht auch die „Kommission Sicherheit“ der DFL

davon aus, dass sich die Sicherheit in deutschen Stadien „bereits heute auf höchstem

Niveau“ bewegt (S.5 zweiter Absatz des DFL-Papiers). „Ziel ist es, das Stadionerlebnis

sowohl in der subjektiven Wahrnehmung als auch in der objektiven Beurteilung weiterhin

sicher zu gestalten.“ (S.5 letzter Absatz des DFL-Papiers). An anderer Stelle wird von

„Optimierung“ gesprochen (S.5 dritter Absatz des DFL-Papiers). Die Motivation des

Papiers ist also, die Stadien „weiterhin sicher“ zu gestalten,. Weshalb dies mit den

bisherigen Maßnahmen nicht möglich sein soll, erschließt sich aus dem Papier nicht.

Einen Hinweis darauf gibt jedoch die Unterscheidung zwischen „subjektiver

Wahrnehmung“ und „objektiver Beurteilung“, also letztendlich zwischen medialer

Berichterstattung und tatsächlichen Fakten. Dass es diesbezüglich in einem Teil der

öffentlichen Berichterstattung ein verzerrtes Bild der Realität gibt, wird nun also auch von

der DFL ausdrücklich bestätigt. Damit wird allerdings klar, dass die Notwendigkeit der

geforderten Maßnahmen nicht in einer Erhöhung der Sicherheit, sondern in deren

„subjektiver Wahrnehmung“ gesehen wird.

Darunter könnte man zwar auch das „Sicherheitsgefühl“ der Stadionbesucher verstehen.

Einschneidende Maßnahmen, die letztlich nur das „Sicherheitsgefühl“ erhöhen sollen,

sind aber schon aus diesem Grund unverhältnismäßig und rechtswidrig. Im Übrigen gibt

es keinerlei Belege dafür, dass sich Stadionbesucher im Stadion nicht sicher fühlen

würden. Die Entwicklung der Zuschauerzahlen spricht für das Gegenteil. In den letzen 10

Jahren sind die Zuscherzahlen der obersten beiden Profi-Ligen (1. und 2. Bundesliga)

um 6 Mio. Besucher auf ca. 17,5 Mio. angestiegen (Steigerung um über 50 %). Im

internationalen Vergleich ist die 1. Bundesliga in Deutschland (Zuschauer-Schnitt

2011/12: 44.293) mit großem Abstand vor der Premier League in England (Zuschauer-

Schnitt 2011/12: 34.601) Spitzenreiter und damit die zuschauerstärkste Fußballliga der

Welt.

Daher liegt der Verdacht nahe, dass die DFL mit „subjektiver Wahrnehmung“ eigentlich

die öffentliche Berichterstattung meint, die wiederum von öffentlichen Verlautbarungen

von Innenpolitikern und Vertretern der Polizeigewerkschaften stark beeinflusst wird.

Zu den Vorschlägen des DFL-Papiers im Einzelnen:

1. Fanvereinbarungen (Kollektivschuld)

Die Klubs sollen verpflichtet werden, „Vereinbarungen/ Chartas“ mit Fanorganisationen,

Fanclubs etc. abzuschließen. Diese Fanvereinbarungen sollen mindestens ein

Bekenntnis zu Gewaltfreiheit, die Anerkennung der bestehenden Vorschriften inkl. Pyro-

Verbot und ein Bekenntnis gegen Diskriminierung und Rassismus enthalten.

Diese „Fanvereinbarung“ soll offensichtlich über eine bloße Absichtserklärung

hinausgehen und konkrete Konsequenzen hervorrufen können, wenn die Inhalte nicht

eingehalten werden oder die Vereinbarung nicht unterschrieben wird (S. 15 des DFLPapiers).

Dabei sollen diese Konsequenzen offensichtlich alle Personen einer Gruppe

treffen, unabhängig vom individuellen Verhalten und der Schuld des Einzelnen. Eine

solche Kollektivschuld sieht jedoch die deutsche Rechtsordnung nicht vor. Derartige

Vereinbarungen stehen schon daher mit der Rechtsordnung nicht im Einklang und wären

daher rechtlich unwirksam.

Darüber hinaus bleibt völlig unklar, wie sich die DFL das Funktionieren einer solchen

rechtlichen Konstruktion überhaupt vorstellt, wer Vertragspartner sein soll und wie die

Rechtswirkungen auf Einzelne überhaupt entfaltet werden können.

2. Verbandsstrafen mit Wirkung für Fans (Kollektivstrafen)

Laut dem DFL-Papier (vgl. S.26) soll der Handlungsspielraum des DFB-Sportgerichts

und damit die Anwendung von sog. Verbandsstrafen gegen Vereine erweitert werden.

Das System der Verbandsstrafen im Rahmen der DFB-Sportgerichtsbarkeit begegnet

schon grundsätzlichen rechtlichen Bedenken. Das Monopol der Strafgewalt besitzt

eigentlich der Staat. Verbandsstrafen gegen Vereine werden verschuldensunabhängig

ausgesprochen, was gegen das Schuldprinzip verstößt.

Das Verbandsgericht (DFB-Sportgericht) kann Rechtswirkung auf die Klubs entfalten,

weil die Klubs sich der DFB-Satzung (Rechts- und Verfahrensordnung, RuVO)

unterwerfen. Die Vereine werden demnach vom DFB für das Verhalten ihrer Fans

sanktioniert, selbst wenn den Klubs ein Verschulden - etwa weil die Kontrollen an den

Eingängen des Stadions nicht ordnungsgemäß durchgeführt wurde - nicht nachzuweisen

oder vorzuwerfen ist. Die Vereine können also verschuldensunabhängig bestraft werden,

was dem Schuldprinzip und elementaren Grundsätzen des deutschen Rechts

widerspricht. Aber zumindest der internationale Sportgerichtshof CAS billigt dies (vgl.

CAS-Schiedsspruch v. 20.04.2007, CAS 2007/A/1217 - Feyenoord Rotterdam/UEFA).

Allerdings wird diese „Bestrafung ohne Schuld“ in der juristischen Fachliteratur - zu

Recht - kritisiert (vgl. Orth, Gefährdungshaftung für Anhänger ?, SpuRt2009, 10-13), weil

eine verschuldensunabhängige Haftung systemwidrig ist.

Ziel der Verbandsstrafe soll es eigentlich sein, den Verein zu bestrafen und nicht die

Fans (so sieht es auch das Landesgericht Wien, Urteil vom 25.01.2011, Az.: 34 R

163/10p). Allenfalls hierfür besteht eine Legitimation. Viele der vom Sportgericht

ausgesprochenen Strafen treffen aber nicht nur den jeweiligen Klub, sondern auch die

Fans, wie Teilausschlüsse von Zuschauern, Stehplatzverbote etc. Diese Sanktionen

wirken daher über die Konstruktion der Verbandsstrafe unmittelbar und kollektiv auf die

Fans, obwohl keinerlei Vertragsbeziehung des Verbandes mit dem Fan besteht und

selbst wenn den einzelnen Fans keinerlei individuelles Fehlverhalten vorgeworfen

werden kann. Einzelne und sogar ganze Personengruppen sollen also für das Verhalten

anderer sanktioniert werden. Eine derartige Kollektivschuld bzw. Kollektivstrafe sieht die

deutsche Rechtsordnung nicht vor.

3. Geldstrafen von Verein gegen Fan

Das DFL-Papier möchte offenbar eine Strafgewalt der Vereine gegen Fans einführen

(S.15 zweiter Absatz). Von einer „Verhängung von Geldstrafen“ bei Verstößen gegen die

Stadionordnung ist die Rede. Dies ist schon deshalb rechtswidrig, da der Staat das

Monopol bei der Strafgewalt besitzt. An anderer Stelle wird angedeutet (S.19 vierter

Absatz), dass die Geldstrafen als Vertragsstrafen über die Ticket-AGBs geregelt werden

sollen. Es ist schon fraglich, ob die AGBs in der Regel überhaupt wirksam in den

Ticketvertrag einbezogen werden. Jedenfalls sind AGB-Vertragsstrafen, die nicht die

Hauptleistungspflicht - also die Bezahlung des Tickets - betreffen, sondern vertragliche

Nebenpflichten, nach § 309 BGB rechtlich unzulässig. In § 309 Nr.6 BGB sind

"selbständige Strafgedinge" gesetzlich schlicht nicht vorgesehen. In der Regel dürfte es

sich ohnehin um eine "überraschende Klausel" handeln (unangemessene Benachteiligung,

§ 307 BGB). Aus Palandt § 339 Rn.3, 14, 15 und NJW 07, S. 2084, NJW 05, S.

1028 ergibt sich, dass Nebenpflichten nur sanktioniert werden dürfen, wenn sie im

Vertrag bekannt sind. Sogar einer individualvertraglichen Vertragsstrafe könnte § 138

BGB entgegen stehen.

Durch den Gesetzgeber wurden weitgehende Vorschriften geschaffen, um strafwürdiges

Fehlverhalten und Verstöße gegen die Stadionordnung gegenüber dem Schuldigen zu

sanktionieren. Ein darüber hinausgehender Nutzen durch die Einführung von

Vertragsstrafen oder gar Geldstrafen der Vereine gegen Fans ist nicht erkennbar.

Die Weitergabe von Verbandsgeldstrafen an Fans ist bereits systematisch zu kritisieren.

Ziel der Verbandsstrafe ist es, den Verein für eigenes Verschulden zu bestrafen und nicht

die Fans (so sieht es auch das Landesgericht Wien, Urteil vom 25.01.2011, Az.: 34 R

163/10p). Insbesondere richtet sich die Verbandsstrafe, die rechtlich ihre Grundlage in

der Zugehörigkeit zu einem Verband hat, an den Verein. Der einzelne Fan ist dagegen

nicht Mitglied dieses Verbandes und hat sich auch keiner eigenen Strafgewalt

unterworfen. Insbesondere richtet sich die Strafe an der Wirtschaftlichkeit des Vereins

aus und nicht an der des einzelnen Fans.

4. Stadionverbote

Schon die momentane Praxis bei der Vergabe von Stadionverboten ist rechtsstaatlich

nicht hinnehmbar.

4.1. Datenweitergabe durch Polizei

Bereits jetzt werden Daten aus laufenden Ermittlungsverfahren von der Polizei an die

Vereine ohne Rechtsgrundlage weitergegeben. Die unbefugte Weitergabe von Daten

aus Strafakten ist in § 203 Abs. 2 StGB i.V.m. § 353b StGB unter Strafe gestellt.

Die Datenübermittlung erfolgt über die Landesinformationsstelle Sport (LIS) des

jeweiligen Bundeslandes an die Fußballvereine mit dem Antrag, ein bundesweites

Stadionverbot zu erteilen. In der Praxis werden die Personalien und der

Tatvorwurf/Kurzsachverhalt übermittelt, bzgl. dessen ein Ermittlungsverfahren gegen

eine Person durch die Polizei eingeleitet wurde. Die Daten werden zunächst von der

ermittelnden Polizeibehörde an die jeweilige LIS weitergegeben. Diese übermittelt die

Daten an den jeweiligen Verein des „Tatorts“ bzw. an den DFB (bzgl. Vorgängen auf

Reisewegen). Hierzu ist anzumerken, dass die Mehrzahl der Vorgänge sich gar nicht auf

Vorfälle im, sondern außerhalb des Stadionbereich bezieht.

Die Polizeibehörden rechtfertigen die Datenweitergabe mit den DFB-Stadionverbots-

Richtlinien und Vorschriften des Polizeirechts. Die DFB-Stadionverbots-Richtlinien sind

jedoch verbandsintern und können per se gar keine Ermächtigungsgrundlage für die

Polizei sein.

Die Datenweitergabe durch die Polizei an Private für präventive Zwecke (also zur

Gefahrenabwehr) ist in den jeweiligen Landes-Polizeiaufgabengesetzen geregelt, in

Bayern bspw. in Art. 41 BayPAG. Eine Weitergabe von Daten nach den Polizeigesetzen

wäre nach dem Sinn und Zweck des Art. 41 BayPAG nur im Ausnahmefall überhaupt

zulässig. An der polizeirechtlichen geforderten Erforderlichkeit der Datenweitergabe

fehlt es jedoch deshalb, weil seitens der Polizei eigene individuelle polizeiliche

Befugnisse (wie z.B. die Verhängung von Aufenthalts-/Betretensverboten) bestehen und

somit kein Bedürfnis besteht, die Erfüllung polizeilicher Aufgaben an private Dritte zu

delegieren. Die zulässige Ergreifung polizeirechtlicher Maßnahmen wie z.B.

Aufenthalts-/Betretensverbote für Stadien setzt jedoch eine konkrete Gefahrenprognose

voraus. Die bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens genügt hierfür nicht. Die Praxis

der Datenweitergabe an die Vereine umgeht diese Voraussetzungen des Polizeirechts.

Dabei ist auch zu bedenken, dass die Datenweitergabe ein schwerer Eingriff in das

Persönlichkeitsrecht und das Recht auf informationelle Selbstbestimmung des

Betroffenen ist.

Nach den Datenschutzgesetzen darf grds. keine Datenweitergabe ohne Einwilligung

(z.B. Art.15 III BayDSG) erfolgen, sonst nur wenn sie erforderlich und gesetzlich geregelt

ist und nur zu dem Zweck, zu dem sie erhoben wurden (z.B. Art.17, 19 BayDSG

-datenschutzrechtlicher Zweckbindungsgrundsatz).

Entgegen der Auffassung der Polizei sind die Polizeiaufgabengesetze für die Weitergabe

von personenbezogenen Daten an Vereine jedoch grundsätzlich nicht anwendbar, da bei

strafrechtlichen Ermittlungsverfahren (Strafverfolgung) die Strafprozessordnung

einschlägig ist.

Das Akteneinsichtsrecht ist abschließend in § 475 StPO geregelt. Der

Zweckbindungsgrundsatz wäre sonst verletzt, da die Datenerhebung

(Personalienfeststellung und Einleitung Ermittlungsverfahren) ursprünglich rein zur

Strafverfolgung, also repressiv, erfolgte. Die Weitergabe an die LIS/ZIS dürfte daher nur

zu diesem Zweck erfolgen. Die in der Praxis gepflegte „Kettenübermittlung“ (ermittelnde

Polizeibehörde-LIS-Verein) umgeht diesen Grundsatz.

Der Polizeivollzugsdienst ist während laufender Strafverfahren nicht berechtigt, "von

Amts wegen" Informationen an die Vereine herauszugeben. Während laufender

Strafverfahren beurteilt sich die Datenübermittlung nicht nach polizeirechtlichen

Vorschriften, sondern nach § 474 ff. StPO. Eine Informationsweitergabe durch den

Polizeivollzugsdienst ist demnach allenfalls auf entsprechenden Antrag und unter

Darlegung eines berechtigten Interesses möglich (§ 475 StPO). Hierüber hat die

Staatsanwaltschaft zu entscheiden und nicht der Polizeivollzugsdienst (§ 478 StPO).

Verstöße hiergegen verletzen das Recht auf informationelle Selbstbestimmung.

Die Datenweitergabe in Ermittlungsverfahren ist nur im Ausnahmefall und unter strengen

Voraussetzungen nach der Strafprozessordnung zulässig, z.B. bei der

Öffentlichkeitsfahndung, § 131b StPO.

Die Verhängung eines privaten bundesweiten Stadionverbot ist nicht polizeiliche

Aufgabe, sondern ergibt sich aus der Verkehrssicherungspflicht des privaten

Hausrechtsinhabers. Dass in der Praxis diese privaten Stadionverbote teilweise von der

Polizei zugestellt werden (z.B. in der Fankurve), zeigt, dass dieser Grundsatz von der

Polizei häufig missachtet wird.

4.2. Weitere rechtliche Probleme bei Stadionverboten

Für die Verhängung eines mehrjährigen bundesweiten Stadionverbotes können die

bloße Einleitung eines Ermittlungsverfahrens oder eine Ingewahrsamnahme (ohne

jeglichen Tatverdacht) durch die Polizei genügen. Dies ist unverhältnismäßig. Eine

hiergegen eingelegte Verfassungsbeschwerde ist beim BVerfG noch anhängig.

Das Stadionverbot hat in der konkreten Ausgestaltung „Strafcharakter“ und daher ist der

Zweck der Maßnahme nicht präventiv. Es wird nicht - wie es eigentlich bei einer

präventiven Maßnahme erforderlich wäre - eine individuelle Persönlichkeitsprognose

zugrunde gelegt, sondern lediglich der Hinweis auf die Einleitung eines

Ermittlungsverfahrens durch die Polizei. Bemerkenswert ist zudem, dass sich diese

Verfahren meist auf Sachverhalte außerhalb des Stadionbereichs beziehen.

Nicht zuletzt ist die Verhängung eines mehrjährigen bundesweiten Stadionverbots vor

allem gegen junge Menschen, für die ihr Dasein als Fußballfans ein wesentlicher

Lebensinhalt ist, in aller Regel unverhältnismäßig.

4.3. Ausdehnung der Höchstdauer von Stadionverboten von drei auf fünf Jahre

Laut dem Papier soll über eine „Überprüfung der Dauer der Stadionverbote“ (S. 29 erster

Absatz) diskutiert werden. Nach den öffentlichen Verlautbarungen der

Sicherheitskonferenz (17.07.2012) geht es dabei um eine Ausdehnung der Höchstdauer

von Stadionverboten von drei auf fünf Jahre.

Eine solche Ausweitung der Laufzeit eines Stadionverbots ist nicht mit dem vom DFB

postulierten präventiven Charakter von Stadionverboten in Einklang zu bringen. Nach

den bisher bekannt gewordenen Stellungnahmen der Befürworter einer entsprechenden

Verschärfung soll Anknüpfungspunkt für eine fünfjährige Geltungsdauer von

Stadionverboten „die Begehung besonders schwere Straftaten“ sein. Damit steht fest,

dass die Verschärfung repressiven, d.h. punitiven Charakter hat und der Abschreckung

dienen soll. Dies ist systemwidrig und widerspricht rechtsstaatlichen Grundsätzen,

wonach die Strafgewalt allein staatlichen Autoritäten obliegt.

Unter Berücksichtigung der eigentlich präventiven Rechtsnatur von Stadionverboten ist

eine Anhebung der Laufzeiten auf fünf Jahre nicht angezeigt. Eine Prognose hinsichtlich

der künftigen „Gefährlichkeit“ kann nicht allein auf die Schwere der vorgeworfenen Tat

gestützt werden. Dies gilt insbesondere für junge Menschen. Vielmehr bedarf eine

solche Prognose einer umfassenden Würdigung der Persönlichkeit des/der Betroffenen.

Eine zuverlässige Prognose kann jedoch höchstens für einen Zeitraum von zwei, im

Ausnahmefall für ca. drei Jahre abgegeben werden. Alles andere wäre „Hellseherei“.

4.4. Überprüfung der Regelung für eine Aufhebung Stadionverbote

In dem DFL-Papier wird - bezogen auf die DFB-Stadionverbotsrichtlinien - die

„Überprüfung der Regelung für eine Aufhebung Stadionverbote…insb. bei Einstellung

nach § 170 II StPO“ vorgeschlagen (S.29 zweiter Absatz). Dies wird jedoch nicht näher

ausgeführt. Anzunehmen ist jedoch, dass es künftig möglich sein soll, ein Stadionverbot

trotz Einstellung eines Ermittlungsverfahrens nach § 170 Abs.2 StPO weiter aufrecht zu

erhalten. Ein solches Vorgehen widerspricht nicht nur dem präventiven Charakter von

Stadionverboten, sondern wäre auch unverhältnismäßig und rechtswidrig.

5. Voll-Körperkontrolle am Stadioneingang

Durchsuchungen von Personen dürfen gegen den Willen der Betroffenen nur durch die

Polizei und im Rahmen der gesetzlichen Vorgaben der Polizeigesetze erfolgen. Auch

private Sicherheitskräfte haben keine Befugnis, Personen zu durchsuchen, außer die

betroffene Person willigt ein. Die im DFL-Papier vorgesehenen Voll-Körperkontrollen,

quasi als nebenvertragliche Pflicht des Stadionbesuchers, wären wegen des intensiven

Eingriffs in das Grundrecht der allgemeinen Handlungsfreiheit und das Recht auf

informationelle Selbstbestimmung unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

Auch die Polizei dürfte eine solche Maßnahme nicht durchführen. Nach den

Polizeiaufgabengesetzen darf die Polizei eine Person (Kleidung, Taschen) nur bei

konkreten Verdachtsmomenten durchsuchen. Eine Körper-Voll-Untersuchung (ohne

Kleidung, mit Körperöffnungen) wäre nur in begründeten Ausnahmefällen und bei

ausreichenden Verdachtsmomenten überhaupt zulässig, ansonsten wegen des

erheblichen Eingriffs in die Grundrechte unverhältnismäßig und damit rechtswidrig.

6. Einführung Vermummungsverbot

Diese Forderung verwundert, da das Vermummungsverbot bei Sportveranstaltungen in §

17a Versammlungsgesetz bereits gesetzlich geregelt ist, und in fast allen Bundesländern

Gültigkeit hat. Ein großer Teil der juristischen Literatur hat jedoch Bedenken an der

Verfassungsmäßigkeit dieser Vorschrift.

7. Forderungen an Polizei und Justiz

In dem DFL-Papier werden abschließend noch Forderungen an Dritte, insbesondere

Polizei und Justiz aufgelistet, auf die hier kurz im Einzelnen eingegangen wird.

- Auskünfte von polizeilichen Ermittlungen an Vereine

- Mitteilung von Identitätsfeststellungen durch die Polizei

Die Polizei darf überhaupt keine Daten aus laufenden Strafverfahren an Private

herausgeben. Bereits die bisherige Praxis der Weitergabe von Daten durch die Polizei,

um Stadionverbote zu erwirken, geschieht ohne Rechtsgrundlage (vgl. oben 4.1.).

Die DFL fordert noch eine Erweiterung der rechtswidrigen Datenweitergabe, nämlich

weitere Auskünfte aus polizeilichen Ermittlungen und sogar die Mitteilung von

Identitätsfeststellungen durch die Polizei. Dies wäre ein klarer Rechtsbruch. Dieser

Ansatz deutet auf polizeistaatliche Phantasien hin.

In der Forderung nach Erweiterung der Datenweitergabe dürfte daher eine

Aufforderung zu Straftaten der unzulässigen Datenweitergabe (§ 203 Abs. 2 StGB

i.V.m. § 353b StGB) nach § 111 Abs. 1, 11 Abs. 3 StGB liegen, zumindest sofern diese

Forderung öffentlich oder durch Verbreiten von Schriften erhoben wird.

Wir werden daher nun diese Datenweitergabe der Polizei an die Vereine - und damit die

Rechtmäßigkeit sowohl der momentanen Praxis, als auch der geforderten Erweiterung -

durch förmliche Eingaben bei den Landesdatenschutz-Beauftragten und dem

Bundesdatenschutz-Beauftragten rechtlich beurteilen lassen.

- Abschreckung durch sofortige Ermittlung von Tatverdächtigen

- konsequente/schnelle Durchführung von Strafverfahren

- Konsequente Durchsetzung des Gewaltmonopols des Staates

Dies unterstellt der Justiz, Täter nicht zu ermitteln. Das stellt eine Verleumdung der

Justiz dar. Gerade wenn man weiß, dass bei Strafverfahren mit Fußballbezug ein

Ermittlungsaufwand wie bei Kapitalverbrechen betrieben wird, ist dies eine Forderung

fernab der Realität. Im übrigen sollen Ermittlungen im Strafverfahren nicht der

Abschreckung dienen, sondern der Strafverfolgung und Aufklärung. Gemeint ist wohl,

dass man schnell irgendeinen Täter präsentieren soll. Diese Haltung zeugt von einem

fragwürdigen Rechtsstaatsverständnis.

- Aktualisierung/Überprüfung der Einträge der Datei "Gewalttäter Sport"

Es wird nicht klar, was damit gemeint ist. Zu befürchten ist, dass eine Ausdehnung der

Möglichkeiten der Speicherung personenbezogener Daten in der polizeilichen

Datenbank „Gewalttäter Sport“ angestrebt wird.

Bereits heute kommt eine Speicherung von Personen in dieser Datei nicht nur in Frage,

wenn diese aufgrund von Straftaten rechtskräftig verurteilt worden sind. Darüber hinaus

ist eine Speicherung auch bei polizeirechtlichen Maßnahmen wie Ingewahrsamnahmen

und bloßen Identitätsfeststellungen zulässig sowie in bestimmten Fällen sogar bei einem

nach § 170 Abs. 2 StPO eingestellten Ermittlungsverfahren. Damit lässt sich keine

Aussage über die tatsächliche Gewaltbereitschaft einer Person herleiten. Dennoch wird

eine Datenspeicherung häufig für weitergehende polizeiliche Maßnahmen wie

Meldeauflagen oder Ausreiseverbote herangezogen. Diese Praxis wird immer wieder

von Verwaltungsgerichten auch zu Recht als rechtswidrig erachtet. Eine Erweiterung der

Speicherpraxis ist damit rechtlich mehr als fragwürdig.

- Vermehrte Anwendung beschleunigter Verfahren

Nach dem Gesetzeswortlaut des § 417 StPO sind beschleunigte Verfahren nur bei

einfachem Sachverhalt oder klarer Beweislage zulässig. Diese Voraussetzungen sind

aber meist nicht gegeben. Die meisten Fälle eignen sich nicht für das Schnellverfahren.

Diese Forderung ist daher realitätsfern.

AG Fananwälte

23.10.2012

Die „Arbeitsgemeinschaft Fananwälte“ ist ein Zusammenschluss von Rechtsanwältinnen und

Rechtsanwälten, die regelmäßig Fußballfans vertreten und selbst zum Teil jahrelange Erfahrung in den

Fankurven haben.

Weitere Informationen unter www.fananwaelte.de






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