18.01.2021 - Datei Gewalttäter Sport

„Das ist absurd!“: 1.000 neue Einträge in Datei „Gewalttäter


Im Zeitraum von März 2020 bis Ende des gleichen Jahres wurden in der sogenannten Datei „Gewalttäter Sport“ insgesamt 1.056 neue Einträge vorgenommen. Auch in Zeiten, in denen Fußballspiele vor leeren Rängen stattfinden und aktive Fanszenen vor allem durch soziales Engagement auffielen, wuchs die Datei somit um eine vierstellige Anzahl an Einträgen.

„Die Polizei speichert weiter Fans in der Datei 'Gewalttäter Sport' obwohl nur Geisterspiele stattfinden: Das ist absurd!“, äußert Monika Lazar, Sprecherin für Sportpolitik der Bundestagsfraktion von Bündnis 90/Die Grünen, beim Kurznachrichtendienst Twitter wenig Verständnis für das Vorgehen der Behörden in Zeiten der Corona-Pandemie.


Der Journalist Oliver Rast berichtete in der heutigen Ausgabe der Jungen Welt unter dem Titel „Fans im Visier“ über die Antwort des Bundesinnenministeriums auf eine schriftliche Anfrage von Monika Lazar. Aus der Antwort des Ministeriums geht demnach die Anzahl neuer Einträge im genannten Zeitraum hervor.

Die 1994 eingeführte Datei „Gewalttäter Sport“ ist bei aktiven Fußballfans und betroffenen Personen schon seit Jahren äußerst umstritten. Fanorganisationen und aktive Fans kritisieren regelmäßig, dass in der Datei auch Fußballfans landen, die lediglich in eine Personalienkontrolle gerieten oder einen Platzverweis bekamen. Ein eröffnetes Ermittlungsverfahren oder gar eine Verurteilung sind nicht notwendig, um in der Datei zu landen. Einträge in die Datei „Gewalttäter Sport“ können dazu führen, dass Fußballfans aus Deutschland bei internationalen Spielen ihrer Vereine oder der Nationalmannschaft Probleme bei der Ausreise bekommen.


Im heute veröffentlichten Positionspapier der Bundesarbeitsgemeinschaft Sportpolitik von Bündnis 90/Die Grüne wird das Thema Datei „Gewalttäter Sport“ ebenfalls aufgegriffen und eine Reform gefordert: „In der sogenannten Datei 'Gewalttäter Sport' sind bei Weitem nicht nur Gewalttäter*innen gespeichert. Allein eine Personalienfeststellung kann reichen, um in dieser bundesweiten Verbund-Datei gespeichert zu werden. Unbescholtene Fans werden dabei nicht automatisch gelöscht. Ähnliches gilt für viele Dateien der szenekundigen Beamt*innen (SKB) der Länder. Hier besteht weiterhin ein großer Handlungsbedarf. Wir fordern grundlegende Reformen dieser Datensammlungen. Betroffene Personen müssen proaktiv von den Behörden über eine Speicherung unterrichtet werden, wie es beispielsweise bereits in Bremen und Rheinland-Pfalz praktiziert wird, damit sie rechtlich dagegen vorgehen können. Die Daten unschuldiger Fans müssen umgehend, etwa nach einem Freispruch oder der Einstellung des Verfahrens, gelöscht werden. Die Voraussetzungen für die Speicherung der personenbezogenen Daten müssen verhältnismäßig sein und die Speicherungen auf ein absolut notwendiges Maß reduziert werden. Datenübermittlungen an andere, vor allem an autoritäre Staaten, bei denen ein angemessenes Datenschutzniveau nicht sichergestellt werden kann, wie beispielsweise anlässlich der Fußball-WM der Männer 2018 in Russland, verbieten sich.“

Die Fanhilfe Hertha B.S.C., die zum Thema Datensammlung über Fußballfans schon seit Jahren aktiv arbeitet, hat die Grünen anlässlich der Veröffentlichung des Positionspapiers in der Jungen Welt bereits einen Ratschlag mitgegeben: „Überall dort, wo Grüne mitregieren, könnten sie bereits jetzt zur Entkriminalisierung der Kurve beitragen.“ (Faszination Fankurve, 18.01.2020)






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