20.11.2015 - Sicherheit

​Die Anschläge nicht für Fanrepressionen missbrauchen


Nach den Anschlägen von Paris wird über die Sicherheit in Stadien diskutiert. Dabei werden nun zahlreiche fanunfreundliche Maßnahmen, wie personalisierte Tickets, Fingerabdruck- und Körperscanner in die Debatte eingebracht. Durch Einführung dieser Dinge hätten die Terroristen ihr Ziel erreicht. Ein Kommentar:

Rudi Völler von Bayer Leverkusen forderte nach den Anschlägen von Paris die Einführung einer Fankarte nach italienischem Vorbild und somit die Personalisierung von Eintrittskarten. Wolfgang Holzhäuser, ebenfalls Bayer Leverkusen schlug die Installation Fingerabdruckscanner an Stadien vor, wie sie zum Beispiel bei Ferencváros in Ungarn eingesetzt werden. Clemens Tönnies von Schalke 04 forderte Nacktscanner für die Stadien, wie sie schon an Flughäfen eingesetzt werden und überall rufen Vereine, Verbände und Polizei die Fanszenen auf, auf den Einsatz von Pyrotechnik zu verzichten (Faszination Fankurve berichtete).

All diese Maßnahmen sind jedoch nicht geeignet, um Terroranschläge effektiv zu verhindern. Vielmehr würden sie dazu verhelfen, dass die Terroristen ihr Ziel erreicht hätten und der Fußball als Freizeitaktivität für tausende Fans unattraktiv würde. Terroristen mit Schusswaffen könnten sich weiterhin Zugang zu Bundesligastadion verschaffen oder einfach vor den Stadiontoren auf den Abpfiff waren.

Die Football Supporters Europe (FSE), die größte Fanorganisation Europas, befürchtete schon vor der Hannover Absage, dass durch die Terroranschläge von Paris von den Sicherheitsbehörden nun ein einseitiger Fokus auf Überwachung, hoher Polizeipräsenz und Restriktionen gegen Fußballfans liegen könnte (Faszination Fankurve berichtete) und sah darin einen Fehler.


Die Situation in Italien zeigt deutlich, wie stark die Zuschauerzahlen nach Einführung einer Fankarte, wie sie Völler fordert, sinken. Komplizierte Ticketkäufe schrecken zahlreiche Besucher ab, die Stadien bleiben leer. Ähnliches lässt sich in vielen anderen Ländern, wie zum Beispiel in Polen oder der Türkei beobachten. In der Türkei entschied das Verfassungsgericht nun, dass die Fankarte Passolig nicht mit der Verfassung vereinbar sei und auch in Polen rückt man von der Fankarte wieder ab.

Die Einführung von Fingerabdruckscanner führte bei Ferencváros in Budapest zu einem starken Rückgang der Zuschauerzahlen. Die aktive Fanszene bleibt den Spiel seitdem fern. Im Stadion herrscht kaum noch Stimmung und unzählige Sitze bleiben leer.

Auch die Einführung von sogenannten Nacktscannern an Stadioneingängen ist eine populistische Forderung. Wer an Flughäfen schon mal erlebt hat, wie lange die Kontrollen bei ein wenig Andrang dauern, muss erkennen, dass solche Kontrollen in Stadien nicht möglich sind. Die Bundesligastadien öffnen in der Regel zwei Stunden vor Anpfiff, nach den Anschlägen von Paris teilweise nochmal 30 Minuten früher. In diesen 150 Minuten lassen sich keine 80.000 Fans in der Art kontrollieren, wie es an einem Flughafen üblich ist. Erst recht nicht in der Rush-Hour eine Stunde vor Anpfiff. Wer also Körperscanner an den Stadiontoren fordert, macht einen normalen Bundesligabetrieb unmöglich.

Strenger Kontrollen für Fans, VIP-Fans und in den Stadien arbeitende Personen wurden an vielen Orten angekündigt. Dagegen ist nichts einzuwenden. Auch die Aufforderung an die Fanszenen, auf den Einsatz von Böllern zu verzichten, ist legitim. In weiten Teilen der Fanszene steht der Einsatz von Böllern schon lange in der Kritik und wird in Regeln, die sich die Fans selbst auferlegt haben untersagt. Vermutlich werden die meisten Fanszenen an diesem Wochenende auch auf den Einsatz von Bengalos verzichten. Doch Panik vor einem Terroranschlag sollte auch bei der nächsten Pyroshow in einem Gästeblock in einem der Bundesligastadien nicht ausbrechen. Zu bekannt ist das Bild von vermummten Ultras mit brennenden Bengalos in der Hand. Fans, die zu Auswärtsspielen ihres Teams fahren, werden die Ultras wohl kaum mit Terroristen verwechseln.

Terroranschläge in und um die Stadien werden weiterhin möglich sein, egal welche Sicherheitsvorkehrungen, die auch realisierbar sind, auch eingesetzt werden. Die DFL kündigte nach den Anschlägen von Paris und der Absage des Länderspiels in Hannover an, dass die Bundesligaspiele ganz normal stattfinden werden. Sollte der kommende Bundesligaspieltag so normal wie möglich ablaufen, wäre dies wohl die größte Niederlage für Terroristen. (Faszination Fankurve, 20.11.2015)






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