04.08.2016 - Sicherheit

Neue Sicherheitsauflagen in der Schweiz verabschiedet


Die Sicherheitsbehörden der Kantone in der Schweiz und die Führung der Swiss Football League haben zwei Jahre lang einen Dialog geführt, wie der Kampf gegen Hooligans beim Fußball intensiviert werden kann. Nun wurden neue Maßnahmen verabschiedet, die Ausschreitungen verhindern sollen.

Neben der Verhinderung von Ausschreitungen geht es ebenfalls darum, den Gebrauch von Pyrotechnik zu reduzieren. Deshalb sollen Gästefans am Eingang zukünftig an allen Standorten stärker aus verschiedenen Perspektiven abgefilmt werden. Dadurch erhoffen sich die Sicherheitsbehörden eine schnellere Identifikation. Auch die Fanmärsche sollen von mobilen Polizeieinheiten gefilmt werden. Der Einsatzleiter soll jeweils entscheiden, ob Fanmärsche bei Pyro- oder Vermummungsverstößen abgebrochen werden und die Personalien aller Fans aufgenommen werden.

Laut den neuen „Einheitliche Umsetzung des Hooligan‐Konkordats“ sollen Gästefans in Sonderbussen oder Sonderbahnen zu den Auswärtsspielen reisen. Zudem wurde der Punk „Auflagen bei schwerwiegenden Ereignissen“ eingeführt. Nach Pyrotechnikvorfällen oder Ausschreitungen können demnach Zuschauerausschlüsse oder Fanmaterialienverbote beschlossen werden.

In den Stadien der Schweiz, in denen vor den Fankurven noch keine Fangnetze angebracht sind, muss dies umgehend nachgeholt werden, so zum Beispiel im Letzigrund in Zürich. (Faszination Fankurve, 04.08.2016)

Faszination Fankurve dokumentiert die neue „Einheitliche Umsetzung des Hooligan‐Konkordats“:

Einheitliche Umsetzung des Hooligan‐Konkordats
Die Spitzen aus Politik und Fussball führten in den vergangenen zwei Jahren einen intensiven und konstruktiven Dialog. Das gemeinsame Ziel ist es, Gewalt im Umfeld von Sportveranstaltungen zu verhindern. Nun liegen erste Ergebnisse dieser Zusammenarbeit vor. Der vor rund zwei Jahren angestossene Prozess zum Dialog der kantonalen Sicherheitsbehörden mit der Führung der Swiss Football League und den Spitzenklubs der höchsten Schweizer Liga kann nun erste konkrete Ergebnisse präsentieren. Dazu gehören die gemeinsam finanzierte Polizeiliche Koordinationsplattform Sport (PKPS) und die harmonisierten Empfehlungen zur Umsetzung des Hooligan‐Konkordats.

Polizeiliche Koordinationsplattform Sport
Im Mai 2016 nahm die Polizeiliche Koordinationsplattform Sport (PKPS) den Betrieb auf. Sie entstand aus dem Zusammenschluss der Deutschschweizer Zentralstelle Hooliganismus und ihrem Pendant in der Westschweiz und hat ihren Sitz bei der Kantonspolizei Freiburg. Die Swiss Football League (SFL), der Schweizerische Fussballverband (SFV) und die Swiss Ice Hockey Federation (SIHF) sind an der neuen Plattform finanziell beteiligt. Sie soll eine enge Zusammenarbeit zwischen allen Akteuren sicherstellen, die mit dem Thema Sicherheit im Umfeld des Sports befasst sind. Zudem werden die aktuellen Ereignisse permanent verfolgt, ausgewertet und verbreitet.

Empfehlungen zur Umsetzung des Konkordats
Mit Beginn der neuen Fussballsaison 2016/17 werden zudem gemeinsame erarbeitete Empfehlungen der zuständigen Behörden und der SFL für eine einheitliche Umsetzung des Konkordats über Massnahmen gegen Gewalt anlässlich von Sportveranstaltungen veröffentlicht. Die Führung der SFL, die Präsidenten der Spitzenklubs der höchsten Liga und Fanarbeit Schweiz waren in den Ausarbeitungsprozess der Empfehlungen eng eingebunden. Die Schwerpunkte der Empfehlungen liegen bei einer einheitlichen Regelung zur Beweissicherung innerhalb und ausserhalb der Stadien, um gewalttätige Personen besser identifizieren und mit Bussen, Stadionverboten, Rayonverboten und Meldeauflagen sanktionieren zu können. Für die Anreise der Gästefans sollen Partnerschaften zwischen den Transportunternehmen und den Fanorganisationen oder den Klubs abgeschlossen werden. Das Good‐Hosting‐Konzept der Swiss Football League soll zu einer Entspannung der Situation in den Stadien führen.

Der Glaube an einen gemeinsamen Weg
Mit diesem Schulterschluss machen alle Beteiligten klar, dass sie die Bekämpfung der Gewalt im Umfeld von Sportveranstaltungen als Verbundaufgabe sehen und künftig konsequent einen gemeinsamen Weg beschreiten wollen. Der Dialog und die enge Zusammenarbeit sollen in den kommenden Monaten weiter gepflegt und die Massnahmen weiter harmonisiert werden.

Beweissicherung
- Die Anstrengungen von Behörden, SFL und Klubs zur Identifizierung und Sanktionierung von gewalttätigen Personen im Umfeld von Fussballspielen werden intensiviert.
- Auf den Anmarschwegen der Fans werden zur Beweissicherung und zur Identifikation von Tätern – soweit sinnvoll – mobile Videoteams der Polizei eingesetzt.
Die Videoteams werden im Schweizerischen Polizeiinstitut (SPI) ausgebildet.
- Die SFL stellt zusammen mit den Clubs die Videoüberwachung im Eingangsbereich der Stadien und im Innern der Stadien sicher. Die Video-Operateure der Clubs werden regelmässig geschult, und es wird ein Erfahrungsaustausch sichergestellt.
- Das Projekt Focus One der SFL wird in Absprache mit den Behörden weitergeführt.
- Die SFL und die KKPKS definieren einen Standardprozess zur Weitergabe von Videoaufzeichnungen, die der Beweissicherung dienen, von den Klubs an die Polizei. Anreise von Gästefans
- Die Anreise der Gästefans soll mit Fanzügen oder Fanbussen erfolgen.
- Zwischen den Transportunternehmen und den Fanorganisationen ist der Abschluss von Transportpartnerschaften anzustreben, welche die Verantwortlichkeiten regeln und eine sichere Anreise unter Wahrung der öffentlichen Ruhe und Ordnung gewährleisten. Die Klubs der Super League und die SFL unterstützen die Verhandlungen bei Bedarf.
- Führen die Verhandlungen zwischen Transportunternehmen und den Fanorganisationen nicht zum gewünschten Erfolg, erwirken die Klubs innerhalb eines Jahres Transportpartnerschaften oder schliessen selbst solche ab; zudem prüft die SFL in diesem Fall, das Erfordernis von Transportpartnerschaften im Sinne einer Auflage in ihr Lizenzreglement aufzunehmen.
- Wenn die Bemühungen seitens der Transportunternehmen, der Klubs oder der SFL nicht zum Erfolg führen, behalten sich die Bewilligungsbehörden vor, Transportpartnerschaften allenfalls als Auflage gemäss Artikel 3a des Konkordats zu verfügen.
- Kombitickets sollen durch die Bewilligungsbehörden situativ im Sinne einer Ultima Ratio als Reaktion auf eine Eskalation der Ereignisse angeordnet werden. Die Umsetzung des Kombitickets ist in einem Konzept der Konferenz der Kantonalen Polizeikommandanten der Schweiz (KKPKS) dargestellt. Auf eine Vertiefung des Konzepts wird verzichtet, damit den jeweiligen lokalen Gegebenheiten Rechnung getragen werden kann.
- Die Klubs haften nicht für Schäden, die durch Fantransporte entstehen.

Fanmärsche
- Der Einsatzleiter der Polizei entscheidet in Anwendung des Verhältnismässigkeitsgebots situativ darüber, ob Fanmärsche bei gewalttätigen Ereignissen, Vermummungen, etc. gestoppt werden und ob eine Identifizierung der Teilnehmenden erfolgt.
- Die Klubs der Super League bezeichnen gegenüber den Polizeibehörden eine Ansprechperson für alle Fragen rund um Fanmärsche.

Zutritt zu den Stadien
- Mit dem Konzept Good Hosting der SFL soll erreicht werden, dass Eingangsstürmungen, das Abbrennen pyrotechnischer Gegenstände und gewalttätige Vorfälle in den Stadien wahrnehmbar reduziert werden. Per 31.12.16 und per 30.6.17 wird der Erfolg des Good Hosting-Konzepts evaluiert.
- Auf das Verhalten der Fans soll jeweils lokal mit Verschärfungen oder Erleichterungen reagiert werden.
- Auf einen systematischen Abgleich von Identitätsausweisen der Zuschauer mit der HOOGAN-Datenbank in den Fansektoren wird bis auf weiteres verzichtet.
- Ebenfalls wird derzeit von der Forderung Abstand genommen, in den Heimsektoren ebenfalls Vereinzelungsanlagen zu installieren.
- Bei den Eingängen zu den Fansektoren sollen Gesichtsaufnahmen der Fans gemacht werden, um fehlbare Zuschauer besser identifizieren zu können. Es geht dabei nicht um Porträtaufnahmen, sondern um Aufnahmen aus verschiedenen Blickwinkeln.

Sanktionen bei Pyro-Missbrauch
- Pyromissbrauch soll bekämpft werden, indem die fehlbaren Personen identifizier und mit Bussen sowie zusätzlich je nach Schwere neben Stadionverboten mit, Rayonverboten oder Meldeauflagen sanktioniert werden.
- Massiver Pyromissbrauch wird gemäss dem Abschnitt „Auflagen bei schwerwiegenden Ereignissen“ sanktioniert.
- Die Bewilligungsbehörden verzichten darauf, bei Pyromissbrauch bestimmte Bussen oder Punkteabzüge für die betreffenden Klubs zu fordern.

Rayonverbote und Meldeauflagen
- Die KKPKS erlässt auf die Saison 2016/2017 hin detaillierte Empfehlungen zum Erlass von Rayonverboten und Meldeauflagen. Die bestehenden Empfehlungen der KKJPD werden gleichzeitig ergänzt und präzisiert, damit eine einheitliche Anwendung durch die Behörden erreicht wird.
- Fedpol erfasst in Zukunft detailliert, welche Sanktionen (Stadionverbote, Rayonverbote, Meldeauflagen) aufgrund welcher Verfehlungen in welchem Umfeld (Stadion, Eingangsbereich, Stadionumfeld, Reisewege, etc.) durch wen ausgesprochen wurden, damit die Entwicklungen verlässlich verfolgt werden können.

Auflagen bei schwerwiegenden Ereignissen
- Als Reaktion auf schwerwiegende Ereignisse im Umfeld eines Spiels kann die Bewilligungsbehörde gegenüber einem Klub oder Stadionbetreiber neben den Auflagen, die in den üblichen Rahmen- und Spielbewilligungen enthalten sind, zusätzliche Auflagen für ein kommendes Spiel oder für mehrere kommende Spiele anordnen.
- Die Auflagen sind im Einzelfall nach dem Gebot der Verhältnismässigkeit zu verfügen. Sie tragen der Schwere der Ereignisse Rechnung und sind nach Möglichkeit so zu wählen, dass sie jeweils jene Fangruppen treffen, von denen das Fehlverhalten ausging.
- Als schwerwiegende Ereignisse gelten:
- quantitativ bedeutendes Abbrennen von pyrotechnischen Gegenständen;
- Zünden von Knallkörpern oder Wurf von pyrotechnischen Gegenständen;
- gewalttätige Auseinandersetzungen innerhalb einer Fankurve oder zwischen Fankurven;
- Gewalt gegen andere Zuschauer, private Sicherheitskräfte oder die Polizei;
- Schwere Störung der öffentlichen Sicherheit und Ordnung oder des öffentlichen Verkehrs.
- Die Schwere der Ereignisse bemisst sich
- nach der verursachten Verletzungsgefahr;
- nach tatsächlich erlittenen Verletzungen;
- nach dem verursachten Sachschaden;
- nach dem verursachten Sicherheitsaufwand;
- nach dem Ausmass der Störung der öffentlichen Ordnung;
- nach der Zahl der Beteiligten.
Das Verhalten der betreffenden Fankurve bei früheren Spielen ist mit zu berücksichtigen.
- Als zusätzliche Auflagen fallen insbesondere in Betracht:
- Auflagen für den Ticketverkauf (bspw. Beschränkung der verfügbaren Tickets in der Heim- oder Gästekurve oder regionale Einschränkung des Ticketverkaufs);
- Verbot von Fahnen oder Transparenten;
- Schliessung einzelner oder aller Stadionsektoren.
- Die zusätzlichen Auflagen können grundsätzlich unabhängig von Sanktionen der Disziplinarbehörden der SFL oder des SFV verfügt werden. Es ist aber sinnvoll, sich gegenseitig abzusprechen.

Sicherheitsorganisation der Klubs
- Die SFL erarbeitet unter Einbezug der KKPKS Pflichtenhefte für alle Funktionen, die zur Sicherheitsorganisation der Klubs gehören. Sie sind auf die Bedürfnisse der Polizei bezüglich Planung und Einsatz abgestimmt und bilden Gegenstand der Lizenzauflagen der SFL.

Netze vor den Fansektoren
- Die Stadien der Super League-Klubs sollen ausnahmslos mit Netzen vor den Fansektoren ausgerüstet sein. Die bestehenden Ausnahmen für das Stadion Letzigrund und das Stadion Cornaredo werden von der SFL aufgehoben.
- Die Polizeibehörden definieren zuhanden der Stadionbetreiber Letzigrund und Cornaredo die konkreten Vorgaben für die Netze; die beiden Stadien werden so rasch wie möglich nachgerüste






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