16.04.2008 - Deutschland

Pressespiegel: „Die Sandburg der Ultras“


Frankfurt und Köln – binnen kurzer Zeit rückten beide Spielorte aufgrund des Auftretens der beteiligten Fangruppen in den Fokus der Öffentlichkeit. Faszination Fankurve schaut nun rückblickend auf die Reaktionen der Presse zu den Vorfällen.

Auch mit einigen Tagen Abstand lösen die Vorkommnisse nach wie vor heftige Reaktionen in der Medienlandschaft aus. Es wird ein hartes Durchgreifen bei den Übeltätern verlangt und ein Ende der Gewalt in den Stadien gefordert.

Für Aufsehen hatte zum einen das mit Spannung erwartete Rheinische Derby zwischen dem 1. FC Köln und Borussia Mönchengladbach gesorgt: Gladbacher Fans fielen durch das Abbrennen von Pyrotechnik auf, nachdem FC-Anhänger die im Vorfeld der Partie gestohlene Fahne der Ultras Mönchengladbach präsentiert und zerrissen hatten. Dazu schreibt der Kölner Express: „Fahnen- und Feuer-Skandal! Die Ausschreitungen warfen einen dunklen Schatten über ein prickelndes Derby. Jetzt ermittelt der DFB!“

Kölns Geschäftsführer Claus Horstmann stellte im Express klar: „Wir müssen bei den Fans trennen: Wir wollen ja gute Stimmung im Stadion. Und die Stimmung war toll, die Choreographie klasse. Die wollen wir nicht absagen. Doch auf der anderen Seite gibt es Leute, die ein eigenes Rechtsverständnis haben und bei denen du auf taube Ohren stößt. Wir setzen weiter auf das Konzept Prävention und den Dialog mit den Fans. Wir erwarten jetzt mehr Sozialkontrolle unter den Fans.“

Deutliche Worte wie gewohnt von der Bild-Zeitung: „Lernen sie es nie? Das kann Menschenleben kosten! Schnappt endlich die Feuer-Chaoten, die unseren schönen Fußball kaputtmachen. Mit einer harten Strafe muss ein abschreckendes Exempel statuiert werden.“

Kölns Manager Michael Meier bedauert im Kölner Stadtanzeiger: „Wir haben nun alle Phänomene wie Hooliganismus oder Rechtsradikalismus bei Fans überstanden. Dann wird man mit solchen Fällen konfrontiert.“ Er vermisst einen vernünftigen Umgang: „Ich muss als Fan auch mal Respekt haben vor einem gegnerischen Fanklub.“

Mit dem Begriff des „generischen Fanklub“ zielte Meier auf die Ultras Mönchengladbach ab. Über deren Auflösung nach dem Fahnenklau schreibt die taz süffisant: „Auf so einen Ehrbegriff muss man erst einmal kommen und kann froh sein, dass er aus der machistischen Welt Italiens importiert ist und nicht aus Japan. Sonst hätten sich die armen Jungs (und so was können sich wirklich nur Jungs ausdenken) noch ins Schwert gestürzt und den rituellen Selbstmord Seppuku begangen. Anschließend mussten sich die Ultras i.A. (in Auflösung) beim Lokalderby in Köln auch noch den donnernden Hohngesang „Wir wolln die Fahne sehen“ anhören und schließlich zusehen, wie diese kurz vor Spielschluss in deren Kurve zerfetzt wurde.“

Neben der Partie im RheinEnergieStadion verursachte auch das Bundesligaspiel zwischen Eintracht Frankfurt und dem 1. FC Nürnberg für ein bundesweites Medienecho. Wie bereits auf Faszination Fankurve berichtet, sorgten Nürnberger Fans in Frankfurt für eine zwanzigminütige Spielunterbrechung. Zu den Vorfällen äußerte sich Eintracht-Vorstandsboss Heribert Bruchhagen in der Süddeutschen Zeitung und fordert zu einer stärkeren Haltung gegenüber randalierenden Fans auf. Zudem müsse „bei den Fans eine "Innenbereinigung" stattfinden.“

Mit Unverständnis blickt auch Spiegel-Online-Kolumnist Christoph Ruf auf die Ereignisse in Frankfurt zurück: „Die Wagenburgmentalität ist umso unverständlicher, als die Pyromanen offensichtlich all das konterkariert haben, was sich Ultras auf die Fahnen schreiben. Was für einen Sinn soll es haben, einen offenen Brief an eine Mannschaft zu schreiben, der man fehlendes Engagement im Abstiegskampf vorwirft? Und sich dann darüber zu freuen, dass es fast einen Spielabbruch gegeben hätte, in dessen Folge der Club drei Punkte weniger auf dem Konto hätte. Abgesehen davon: Dass die angeblich so unmenschliche Repression, über die sich alle Ultragruppierungen der Welt beschweren, nach den Ereignissen von Samstag nicht geringer wird, sollte man sich wohl selbst dann vorstellen können, wenn das Adrenalin gerade sämtliche Synapsen überschwemmt.

Es mag niedlich sein, wenn Kinder ihre Sandburg zerstören und dann darüber lamentieren, dass sie kaputt ist. Bei erwachsenen Menschen ist solch ein Verhalten dumm und lächerlich.“

Im Ausland kommentierte man die Geschehnisse des vergangenen Bundesligaspieltags gelassener und zeigte sich verwundert über die Berichterstattung der deutschen Medien. So schreibt die Seite sportnet.at: „Wer am Wochenende und auch danach die Schlagzeilen zur Deutschen Bundesliga liest, könnte meinen, es hätten gar keine Spiele stattgefunden. Resultate oder begeisternde Artikel über gelungene Spielszenen sucht man fast vergebens. Stattdessen erweckt die Berichterstattung in deutschen (und auch in österreichischen) Medien den Anschein, als hätten sich rund um den 27. Spieltag Mord und Totschlag abgespielt, als wären die berühmt-berüchtigten Chaostage vorverlegt worden, als hätte man Deutschland in Schutt und Asche gelegt.“ (Faszination Fankurve, 16.04.08)

Fanfotos Deutschland




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