05.02.2015 - Sicherheit

Richter & Staatsanwälte kritisieren Intensivtäterkonzept


Gestern stelle Nordrhein-Westfalens Innenminister Ralf Jäger ein neues Konzept zur Behandlung von sogenannten Intensivtätern aus der Fußballfanszene vor (Faszination Fankurve berichtete). Nun kommt Gegenwind von Richtern und Staatsanwälten, die das neue Konzept kritisch sehen.

Der Bund der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen, indem 3.700 Mitglieder organisiert sind begrüßt zwar das Vorgehen gegen Fußballgewalttäter sieht jedoch Probleme bei Konzentration aller Verfahren eines Intensivtäters an dessen Wohnort. Dies würde die Überlastung von Gerichten an Bundesligastandorten weiter verschärfen. Bundesweit würde die Regelung zu keiner Entlastung führen. An Bundesligastandorten würde zudem ein Fachwissen entstehen, dass in anderen Regionen fehlen würde. (Faszination Fankurve, 05.02.2015)

Faszination Fankurve dokumentiert die Pressemitteilung vom Bund der Richter und Staatsanwälte in Nordrhein-Westfalen e.V.:

Intensivtäterkonzept gegen Gewalt im Fußballumfeld führt zu einer Verlängerung der Verfahrensdauern

Die Absicht von Justiz- und Innenminister, die Gewalt im Umfeld von Fußballspielen effektiver zu bekämpfen, ist grundsätzlich zu begrüßen. Die bundesweite Bündelung der Strafverfahren an den Wohnorten der Angeklagten wird vom Bund der Richter und Staatsanwälte in NRW allerdings kritisch gesehen.

Angesichts der seit vielen Jahren bestehenden permanenten erheblichen personellen Unterbesetzung der Justiz in NRW wird das neue Konzept voraussichtlich zu einer Verlängerung der Verfahrensdauern führen. Die Verlagerung der Zuständigkeiten für die bei Auswärtsspielen begangenen Straftaten auf die Justizeinrichtungen des Wohnortes ist bezogen auf die Überbelastung der Justiz nur vordergründig ein bundesweites Nullsummenspiel. Tatsächlich ist die Gewaltbereitschaft im Umfeld der Fußballvereine sehr unterschiedlich ausgeprägt, so dass die beabsichtigte Verfahrenskonzentration zu einem deutlichen Arbeitsanstieg an Justizstandorten mit problematischem Fußballumfeld führen wird. Im Übrigen wird NRW verhältnismäßig stärker betroffen als andere Bundesländer, da sechs der 18 Bundesligavereine aus NRW stammen. Zudem ist nicht bei allen Wohnortbehörden und -gerichten das erforderliche Fachwissen vorhanden, da Wohnort des Täters und Sitz des Bundesligavereins nicht nur in wenigen Ausnahmefällen auseinanderfallen dürften und eine Konzentration am Sitz der Vereine derzeit gesetzlich nicht möglich ist.

Bei unverändertem Personaleinsatz hat diese standortbezogene anfallende Mehrarbeit zwingend eine Verlängerung der Verfahrensdauern zur Folge. Will man dem allein durch Personalverlagerung entgegenwirken, wird das Problem lediglich an andere Abteilungen der jeweiligen Staatsanwaltschaften und Gerichte oder an andere Gerichtsstandorte weitergereicht. Bereits seit langen Jahren arbeitet die Justiz in NRW unter einer politisch kalkulierten Dauerüberbelastung, die es fast unmöglich macht, zusätzliche Belastungsspitzen in angemessener Zeit und Form zu bearbeiten. Davon unabhängig ist zu bedenken, dass die Geschädigten und Zeugen bei einer Verfahrenskonzentration am Wohnort des Angeklagten angesichts von 17 Auswärtsspielen pro Saison in größerem Stil quer durch die Republik reisen müssten, um auszusagen, während der Angeklagte mit der Straßenbahn zu seiner Verhandlung kommen kann, anstatt Urlaubstage für den Besuch der zahlreichen auswärtigen Strafverhandlungen opfern zu müssen. Nach den Zahlen des Justizministeriums fehlten zum 30.06.2014 in NRW einschließlich der Fachgerichtsbarkeiten insgesamt 600 Kolleginnen und Kollegen, davon 180 in der Staatsanwaltschaft und gut 370 in der ordentlichen Gerichtsbarkeit.

„Wer es mit der Kriminalitätsbekämpfung wirklich ernst meint, wird sich - wie der Justizminister des Landes NRW - zu einer Personalausstattung nach 100% des Bedarfs bekennen und dann entsprechend handeln müssen. Alles andere ist Augenwischerei.“ erklärte Christian Friehoff, Vorsitzender des Bundes der Richter und Staatsanwälte in NRW. „Die für das Jahr 2015 neu geschaffenen 10 Stellen für die Staatsanwaltschaft und 22 Stellen für die ordentliche Gerichtsbarkeit sind zwar das richtige Signal. Angesichts der Größe des Problems ist das aber beileibe nicht ausreichend.“






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