01.02.2006 - Deutschland

Stillstand in der Kurve


Fanproteste am 14. Spieltag sollten der Forderung nach einer unabhängigen

Ombudsstelle Nachdruck verleihen – mit zweifelhaftem Erfolg.

Seit der Fandemo zum Auftakt des Confed Cups war es ruhig geworden, für viele zu ruhig. Doch im Hintergrund war – wenn auch spät – an weiteren Protesten gearbeitet worden. So sprachen sich viele Fangruppen auf einem Treffen in Frankfurt ab, einen kompletten Spieltag mit Protesten auszufüllen, sogar ein Stimmungsboykott wurde geplant.

Nach der Fandemo in Frankfurt war es zu einem Treffen zwischen dem damaligen Innenminister Otto Schily und Fanvertretern gekommen. Dabei einigte man sich auf die Einrichtung einer unabhängigen Ombudsstelle. Verschiedene Formen des Protestes sollten dieser Forderung nun Nachdruck verleihen. Von Spruchbändern bis zum 15-minütigen Schweigen sollte es gehen. Vor allem letzteres hätte wirklich für Eindruck sorgen können. Doch erstens kommt es anders – und zweitens, als man gedacht hat. Nach und nach bröckelte die Protestfront, je näher der 14. Spieltag rückte.

Am Ende war es einzig beim Spiel Frankfurt – Stuttgart 15 Minuten still. In der ersten Liga hatten sich am Ende einige Fanszenen überhaupt nicht beteiligt, beziehungsweise aus verschiedenen Gründen den Protest ohne Schweigen durchgeführt. Der Fußballosten hatte sich erneut komplett nicht beteiligt.

Aus Fansicht ist zu konstatieren, dass eine große Chance vertan wurde; Vereine, Offizielle und andere haben sicherlich nicht den Eindruck gewonnen, dass da wieder etwas Schlagkräftiges wie noch im Frühjahr 2001 heranwächst (Pro15:30-Proteste). Damals war es spontan, man hatte ein konkretes Ziel vor Augen und viel Unterstützung. Die öffentlich-rechtlichen Sender instrumentalisierten die protestierenden Fans für ihre Zwecke. Heute ist davon nichts mehr übrig geblieben, zu abstrakt wirken die Sorgen und Wünsche vieler Fans in den Augen der Öffentlichkeit. In einem Land, in dem Otto Normalbürger prügelnde Hooliganhorden vor seiner Haustüre fürchtet, bleiben Wünsche wie „Freiheit der Kurve“ wohl Träume. Und so nahm außerhalb der wirklich interessierten Fankreise kaum jemand etwas von Protesten wahr. Die Spruchbänder fanden in den Medien keinen Widerhall, und nur wenige Ultragruppen konnten vor dem Spieltag für Berichte in den lokalen Medien sorgen.

Rückblickend betrachtet war ein Supportboykott die einzig logisch Konsequenz aus den vorangegangenen Protesten. Realistisch sind aber nur die allerwenigsten Gruppen in Deutschland derzeit in der Lage, solch einen Protest auch wirklich effektvoll durchzuziehen.

Jetzt noch einen Ausblick zu wagen, stellt sich als sehr schwierig heraus. Viele Gruppen haben sich nun endgültig aus der alten Protestbewegung „ProFans“ zurückgezogen, das lose Bündnis für die Demo ist praktisch auch nicht mehr exis-tent. DFB & Co. hätten kaum bessere Arbeit leisten können, mögen Zyniker da sagen. In naher Zukunft wird es bei der Masse der engagierten Gruppen wohl dabei bleiben, sich innerhalb der eigenen Vereine für ihre Interessen einzusetzen. Bleibt zu hoffen, dass dabei nicht doch die Gesamtheit auf der Strecke bleibt – und dass man sich auch für die Interessen der Gästefans einsetzt. (Faszination Fankurve/Jens Volke, 01.02.2006)?

Fanfotos Deutschland




Weitere News:
03.07.2014: "Allianz für ein friedliches Fußballerlebnis"
18.06.2014: „WM ist sicher kein Fest der Fankultur“
02.04.2014: WM 2014: Public Viewing auch nach 22 Uhr möglich
21.02.2014: Welcher Verein hat die schlausten Fans?
27.06.2012: 2. Bundesliga beginnt am dritten August

Alle 296 News anzeigen